Dtsch Med Wochenschr 2011; 136(51/52): 2696-2698
DOI: 10.1055/s-0031-1292825
Weihnachtsheft | Commentary
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250 Jahre Perkussion – ein bahnbrechendes diagnostisches Untersuchungsverfahren

250 years percussion – a pioneering examination method
S. Krämer
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Publication Date:
14 December 2011 (online)

Die Perkussion

Sie gilt neben Inspektion und Palpation als drittes Glied der Trilogie diagnostischer Untersuchungsverfahren: die Perkussion. 1761 von einem Wiener Mediziner entdeckt, praktiziert und beschrieben, wurde sie zunächst fast 40 Jahre lang abgelehnt. Erst zu Beginn des 19.  Jahrhunderts erfolgte ihre Etablierung in den großen klinischen Schulen Europas und fungierte als Pionierin der beginnenden physikalischen Diagnostik.

„Ich übergebe Dir, geneigter Leser, ein neues von mir erfundenes Zeichen zur Entdeckung der Brustkrankheiten. Dasselbe besteht in einem Anschlagen an die menschliche Brust, wobei sich aus dem verschiedenen Widerhalle der dadurch hervorgebrachten Töne auf den inneren Zustand dieser Höhle schließen läßt.“ Mit diesen Worten leitete der Wiener Mediziner Johann Leopold Auenbrugger (1722–1809) vor 250 Jahren sein Werk „Inventum novum ex percussione thoracis humani ut signo abstrusos interni pectoris morbos detegendi“ ein (Abb.  [ 1 ] und 2). Dieses enthält die Ergebnisse seiner siebenjährigen Erforschung der unterschiedlichen Schallunterschiede, die er beim Beklopfen der menschlichen Brustwand von gesunden und kranken Patienten wahrgenommen hatte. Eine neue diagnostische Methode war geboren – die Perkussion [1] [2].

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Abb. 1 „Leopold Auenbrugger mit seiner Ehefrau Marianne“, das Werk eines unbekannten österreichischen Malers aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Quelle: Wikimedia Commons).

Bahnbrechend war Auenbruggers Entdeckung in zweierlei Hinsicht. Zum einen bot sie für den Praxisalltag in einer Zeit, in der eine Diagnosenstellung vornehmlich auf der Basis von äußeren Symptomen beschränkt bleiben musste, erstmalig die Möglichkeit, Rückschlüsse über Veränderungen im Körperinneren zu ziehen. Lage und Größe eines Organs oder den Luftgehalt des Gewebes konnten nun abgeschätzt und Krankheiten des Herzens sowie der Lunge erkannt werden. Zum anderen gilt sie als Pionierstück der einsetzenden Physikalisierung der klinischen Untersuchungsmethoden, auf deren Basis weitere Errungenschaften folgen sollten [5] [6].

 
  • Literatur

  • 1 Auenbrugger L. Inventum novum ex percussione thoracis humani ut signo abstrusos interni pectoris morbos detegendi. Faksimileausgabe nach der ersten Ausgabe Vindobonae 1761, begleitet von der französischen Übersetzung Corvisart's, der englischen von Forbes, der deutschen von Ungar. Hrsg. und mit einer biographischen Skizze versehen von Max Neuburger Wien u.a: 1922
  • 2 Auenbrugger L. Neue Erfindung, mittels des Anschlagens an den Brustkorb, als eines Zeichens, verborgene Brustkrankheiten zu entdecken. 1761. Aus dem Original übersetzt und eingeleitet von V. Fossel Leipzig: 1912
  • 3 Eckart WU, Gradmann C. Ärztelexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert. Berlin: 2006
  • 4 Hess V. Hörrohr und Thermometer. Wie Herz und Fieber zur Sprache kamen. In: Schott H. Meilensteine der Medizin. Dortmund: 1996: 311-317
  • 5 Jantsch M. Zweihundert Jahre Inventum novum. Wien Med Wochenschr 1961; 11: 199
  • 6 Koehler U, Gross V, Reincke C et al. Schalldiagnostische Verfahren – Die Geschichte von Perkussion und Auskultation. Pneumologie 2004; 58: 525-530
  • 7 Koehler U, Nolte JES, Kropp R. Warum wir die Geschichte der Medizin als studentisches Lehrfach brauchen. Dtsch Med Wochenschr 2011; 136: 1438-1439
  • 8 Koehler U. Die erlernbare Feinheit der Sinne: Zur Historie von Perkussion und Auskultation. Dtsch Med Wochenschr 2004; 129: 2793-2796
  • 9 Lachmund J. Der abgehorchte Körper. Zur historischen Soziologie der medizinischen Untersuchung. Opladen: 1997
  • 10 Mader B. Johann Leopold Auenbrugger, Edler von Auenbrugg (1722–1809). Blätter für Heimatkunde 2005; 2/3: 17-21