Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(19): 1030-1034
DOI: 10.1055/s-2008-107568
Kommentar | Commentary

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Anforderungen an ein innerklinisches Notfall-Management-System

Requirements for an Internal Hospital Emergency Management SystemC. Hanefeld1 , K. Magnusson2 , W. Russ3 , B. Grosch4 , V. Wystub5 , M. Ernst1 , E. G. Vester2 , G. V. Sabin4 , B. Lemke6 , N. Robert1 , J. Bickenbach7 , M. Frank8 , A. Mügge1
  • 1Medizinische Klinik II, St. Josef-Hospital, Herz- und Kreislaufzentrum der Kliniken der Ruhr-Universität Bochum
  • 2Abteilung für Kardiologie, Evang. Krankenhaus Düsseldorf
  • 3borderzone experience Staufen
  • 4Klinik für Kardiologie und Angiologie, Elisabeth-Krankenhaus Essen
  • 5Medtronic GmbH Düsseldorf
  • 6Klinik für Kardiologie und Angiologie, Klinikum Lüdenscheid
  • 7Abteilung für Anästhesiologie, RWTH Universitätsklinikum Aachen
  • 8Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Technische Universität Dresden
Further Information

Publication History

eingereicht: 17.9.2007

akzeptiert: 15.11.2007

Publication Date:
29 April 2008 (online)

Hintergrund

Die Letalität von Patienten mit einem beobachteten Herz-/Kreislauf- und Atemstillstand ist hoch. Ereignet sich diese Notfallsituation außerhalb eines Krankenhauses, liegen die Ein-Jahres-Überlebensraten in Abhängigkeit von den Umständen (beobachtetes/nicht beobachtetes Geschehen, Alarmierungszeiten, zeitlicher Beginn der Herz-/Lungen-Wiederbelebung, Vorerkrankungen des Patienten etc.) zwischen 1 - 25 % [10] [11]. Dabei ist zu berücksichtigen, dass 40 - 70 % der überlebenden Patienten ein neurologisches Defizit aufweisen und permanent pflegebedürftig sind [5] [28].

Aber auch beobachtete Herz-/Kreislauf- und Atemstillstände, die sich innerhalb einer Klinik ereignen, gehen mit einer schlechten Prognose einher. Das bisher größte Krankenhaus-Register im Bereich der USA (National Registry of Cardiopulmonary Resuscitation) berichtet von Überlebensraten um 18 % [25]. Diese für viele überraschend niedrige Überlebensrate der Wiederbelebung in Krankenhäusern ist u. a. dadurch zu erklären, dass die Erkrankungen, die zu einem Herz-/Kreislauf- und Atemstillstand führen, häufig komplexer und die Begleiterkrankungen gewichtiger sind als bei prä-hospitalen Notfallsituationen [19] [35]. Ob ein Patient nach akut aufgetretenem innerklinischem Herz-/Kreislauf- oder Atemstillstand überlebt, hängt entscheidend davon ab, ob das Ereignis am Monitor bzw. durch das Personal oder Angehörige erkannt und wahrgenommen wurde oder nicht: die Überlebensrate auf Intensivstationen und Überwachunsstationen ist im Vergleich zur Normalstation deutlich höher (23 % Überlebensrate nach beobachtetem vs. 3 % nach unbeobachtetem Ereignis) [3].

Im prä-hospitalen Notfallmanagement wurden eine Reihe von bedeutenden klinischen Studien durchgeführt und neue Konzepte erprobt, z. B. die Hypothermie [6] [20], das Konzept einer Frühdefibrillation durch Ersthelfer [15] [24], oder die Ausrüstung von Polizei- und Feuerwehrpersonal mit automatisierten externen Defibrillatoren (AED) [7] [38] [33]. Auch wenn streng randomisierte Studien im Rahmen der Notfallmedizin nur schwierig umzusetzen sind, konnten erste prospektive Arbeiten belegen, dass eine Optimierung des prä-hospitalen Notfallmanagements grundsätzlich möglich ist, gemessen an der Überlebensrate oder dem Ausmaß der zerebralen Schädigung nach Wiederbelebung [7] [37].

Weitaus weniger Studien wurden in der Vergangenheit im Bereich der intra-hospitalen Reanimation durchgeführt. Dies ist auch darin begründet, dass das intra-hospitale Notfallmanagement in deutschen Kliniken nicht vereinheitlicht ist und die Zuständigkeiten lokal stark variieren; so bilden einige Kliniken Reanimationsteams, andere nicht. Verschiedene Fachgruppen (Internisten, Chirurgen, Anästhesisten, Kardiologen) beteiligen sich an den Reanimationsteams, es bestehen lokale Besonderheiten, die Notfallabläufe sind häufig nicht klar definiert und strukturiert. Erste Bemühungen, zumindest die „internen” Notfälle in Form eines Registers zu erfassen und wissenschaftlich zu evaluieren, scheitern bislang an der fehlenden einheitlichen Dokumentation.

Aber auch das Notfallmanagement im Krankenhaus lässt sich grundsätzlich konzeptionell verbessern: erste Pilot-Studien berichten nach Etablierung einer Ersthelfer-Laien-Reanimation unter Zuhilfenahme von AEDs über Überlebensraten bei einem beobachteten Herz-/Kreislauf- und Atemstillstand von 30 - 50 % [13] [18] [25] [40]. Die nationalen und internationalen Empfehlungen fordern daher die Organisation der Notfallbehandlung mit der Möglichkeit einer Frühdefibrillation in medizinischen Einrichtungen innerhalb von 3 Minuten [16] [36].

Die Arbeitsgruppe „Innerklinisches Notfallmanagement” setzt sich aus Klinikern zusammen, die in ihren eigenen Kliniken bzw. Abteilungen Vorarbeiten zur konzeptionellen Verbesserung des Notfallsystems geleistet haben. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe entstammen verschiedenen Fachdisziplinen, die Arbeitsgruppe wird ergänzt durch Repräsentanten der Industrie (PhysioControl GmbH). Die Kliniker bündeln in der Arbeitsgruppe ihre bisherigen Erfahrungen und beabsichtigen, Eckpunkte für ein vereinheitlichtes Notfallmanagement zu erstellen. Dabei finden verschiedene Aspekte eine besondere Berücksichtigung. Hierzu gehören die Organisation der Alarmierung, die Einrichtung eines Reanimations- bzw. Notfall-Teams, fachliche Qualifikation, Voraussetzungen für Ersthelfer-Defibrillations-Konzepte, Reanimationsübungen bwz. -schulungen, Dokumentation und wissenschaftliche Auswertung. Ziel ist eine Qualitätsverbesserung der Reanimation im Krankenhaus. Es soll mit dem erstellten Positionspapier eine allgemein zugängliche Diskussionsgrundlage für interessierte Kliniken über sinnvolle Veränderungen derzeitig bestehender Strukturen geschaffen werden.

Die Anerkennung der Arbeitsgruppe in der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie wird angestrebt. Mögliches Fernziel ist die Schaffung eines standardisierten Notfallmanagementsystems, das unter dem Begriff „Heart Safe Hospital” zertifiziert werden kann.

Bei der Diskussion über innerklinische Notfallsysteme sind folgende Punkte zu bedenken:

Der innerklinische Notfall kündigt sich häufig bereits Stunden vorher durch das Auftreten von Warnzeichen an 4 12. Durch adäquates frühzeitiges Handeln und rechtzeitige Überwachung kann das Eintreten des Herz-/ Kreislauf- oder Atemstillstandes beim kritisch kranken Patienten ggf. verhindert werden. Ein Notfallmanagementsystem setzt daher nicht erst zum Zeitpunkt des bereits eingetretenen Notfalls ein 23. Notfälle im Krankenhaus werden häufig durch Klinikmitarbeiter oder Mit-Patienten beobachtet bzw. in der Telemetrie erkannt, so dass bei sofortiger Alarmierung aufgrund der in der Klinik vorhandenen Infrastruktur eine unverzügliche Handlung mit optimaler medizinischer Kompetenz erfolgen kann 32. Die Anzahl der Patienten, die im Krankenhaus aufgrund einer tachykarden Herzrhythmusstörung einen Herz-/Kreislaufstillstand erleiden, ist offensichtlich geringer als im außerklinischen Bereich; bradykarde Rhythmusstörungen und Asystolien scheinen hingegen - u. a. im Rahmen einer terminalen Herzinsuffizienz - häufiger aufzutreten 27. Trotz der geringeren Anzahl von Patienten mit tachykarden Rhythmusstörungen profitieren gerade sie von der unverzüglichen Verfügbarkeit von Defibrillatoren 30. Die Zunahme der medizinischen Therapieoptionen und die demografische Entwicklung führen zu einer Zunahme der Erkrankungsschwere von innerklinisch behandelten Patienten 31.

Die Arbeitsgruppe definierte als Diskussionsgrundlage aufgrund der im folgenden dargelegten Hintergründe 8 Anforderungen an ein innerklinisches Notfallmanagementsystem.

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PD Dr. med. Christoph Hanefeld

St. Josef-Hospital, Herz- und Kreislaufzentrum der Kliniken der Ruhr-Universität Bochum

Gudrunstraße 56

44791 Bochum

Email: christoph.hanefeld@ruhr-uni-bochum.de

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