Dtsch Med Wochenschr 2007; 132(8): 397-398
DOI: 10.1055/s-2007-970347
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Quadrikuspide Aortenklappe: Befund und Management

T. Rausche, S. Zschernitz, M. Lins, R. Simon
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14 February 2007 (online)

Die menschliche Aortenklappe kann, abhängig von der Zahl ihrer Klappentaschen eine Vielzahl von Morphologien aufweisen. Bikuspide Klappen sind keine Seltenheit in echokardiographischem Untersuchungsgut. Der folgende Fall beschreibt nun das Vorliegen einer quadrikuspiden Klappe:

Ein 48-jähriger Patient wurde mit einer unkomplizierten Spondylodiszitis LWK 5/SWK 1 durch Staphylococcus aureus mit der Frage nach einer begleitenden Endokarditis zu einer transösophagealen Echokardiographie vorgestellt. Diese Untersuchung erbrachte einen Normalbefund an Trikuspidal-, Mitral- und Pulmonalklappe. In der sog. kurzen Achse (40 - 50˚ Transducerausrichtung, midösophageale Sondenlage) in Aufsicht auf die Aortenklappe zeigte sich dann eine quadrikuspide Aortenklappe mit vier etwa gleich großen Klappentaschen, wobei die zusätzliche Tasche vermutlich diejenige zwischen der rechts- und der akoronaren Klappentasche darstellt (Abb. [1], Abb. [2]).

Abb. 1 Aortenklappe in der Diastole, Kurze Achse in transösophagealer Anlotung, Pfeil markiert die geschlossene zusätzliche Klappentasche.

Abb. 2 Aortenklappe in der Systole, Kurze Achse in transösophagealer Anlotung,Pfeil markiert die geöffnete zusätzliche Klappentasche.

In der sog. langen Achse in Aufsicht auf Aortenklappe, Bulbus und aszendierende Aorta (130˚) war kein auffälliger Befund zu erheben (Abb. [3]). Die Klappe zeigte sich leichtgradig insuffizient.

Abb. 3 Aortenklappe in der Präsystole, Lange Achse in transösophagealer Anlotung.

Gegenüber der bikuspiden Aortenklappe, die die häufigste Form einer kalzifizierenden Aortenstenose im mittleren Lebensalter darstellt, ist eine Klappe mit vier Anteilen sehr selten.

Zwischen 1862 und 2005 wurden 186 Fälle publiziert. Verschiedene Autoren fanden eine Inzidenz im Sektionsgut von maximal 1 % [4] [9] [10] [11]. Selbstverständlich nimmt die Beschreibung einer solchen Anomalie aufgrund des häufigeren Einsatzes der Echokardiographie in den letzten Jahren zu [2]. Auch wenn verschiedene Theorien über die Entstehung dieser viertaschigen, oder auch der noch selteneren fünftaschigen Klappen existieren, so ist die tatsächliche embryologische Ursache noch nicht definitiv geklärt. Der embryonale Entwicklungsvorgang von Aortenklappe und Koronarostien ist zeitlich nah beieinanderliegend und ungefähr in der 9. Woche abgeschlossen [11] [2]. Hurwitz und Roberts stellten eine Klassifikation mit 7 Morphologien auf (A-G), die auf der unterschiedlichen Größe der zusätzlichen Klappentaschen beruht.

So handelt es sich bei dem oben beschriebenen Fall um den Typ A mit vier gleich großen Taschen. Ein Typ B bestünde aus drei großen und einer kleinen Klappentasche, Typ C aus 2 großen und zwei kleinen Taschen usw. bis zum Typ G aus 4 unterschiedlich großen Anteilen des Klappenapparates [4]. Die häufigste Inzidenz haben die Typen A und B [11] [12].

Die Typ A-Klappen führen seltener zu einer zentralen Aorteninsuffizienz (AI) und aufgrund der gleichmäßigeren Strömungsbedingungen scheint hier auch seltener der Angriffspunkt für eine Klappenendokarditis zu sein. Generell sprechen verschiedene Autoren eine Empfehlung zur regelhaften Endokarditisprophylaxe aus. Ebenso wird bei einmal entdeckter Klappenanomalie eine regelmäßige echokardiographische Verlaufskontrolle empfohlen. Häufig wird eine Echokardiographie aufgrund eines Klappeninsuffizienzgeräusches bei der Auskultation veranlasst [7].

Eine Aortenstenose tritt deutlich seltener auf (isoliert nie), als eine AI, erklärbar aus der Asymmetrie, insbesondere bei kleineren zusätzlichen Klappentaschen [3] [9]. Das mittlere Lebensalter bei notwendig gewordenem Klappenersatz bei einer Insuffizienz liegt zwischen 50 und 60 Jahren [11]. Obgleich hier ein angeborener Defekt vorliegt, tritt die Insuffizienz fast nie im Kindesalter auf [9]. Diagnostisches Mittel der Wahl ist die 2-D- Echokardiographie, bei eingeschränkten Schallbedingungen die transösophageale Echokardiographie [2], wobei auch Fälle beschrieben sind, bei denen echokardiographisch die Größe der zusätzlichen Klappentaschen anders eingeschätzt wurde, als bei der späteren Operation evident wurde [1].

Assoziationen mit ventrikulären Septumdefekten, Subaortenstenosen, Pulmonalklappenstenosen (den sog. „Trunkus-Anomalien”) und hypertrophen Kardiomyopathien sind beschrieben [5] [11] [12], ebenso Koronaranomalien, wie z. B. Verlagerungen der Ostien [8]. Auch sind Fälle von gefensterten zusätzlichen Taschenklappen aufgetreten. In Einzelfällen kann es zu einer Verlegung eines Koronarostiums durch eine kleine zusätzliche Tasche kommen, welches klinisch als Myokardischämie imponieren kann. Dieses kann u. U. auch schon im Kindesalter einen Aortenklappenersatz erforderlich machen [6]. Rekonstruierende Techniken scheinen nach den vorliegenden Erfahrungen keine optimalen Therapiemethoden zu sein, da es sehr häufig zu erneuten Insuffizienzen kommt [12].

Literatur

  • 1 Barbosa M M, Motta M S. Quadricuspid aortic valve and aortic regurgitation diagnosed by Doppler echocardiography: report of two cases and review of the literature.  J Am Soc Echocardiogr. 1991;  4 69-74
  • 2 Erena C, Breithardt O A, Franke A, Flachskamp F A. Quadrikuspide Aortenklappe: Diagnose durch multiplane transösophageale Echokardiographie.  Z Kardiol. 1996;  85 889-892
  • 3 Feldman B J, Khandheria B K, Warnes C A, Seward J B, Taylor C L, Tajik A J. Incidence, description and functional assessment of isolated quadricuspid aortic valves.  Am J Cardiol. 1990;  65 937-938
  • 4 Hurwitz L A, Roberts W C. Quadricuspid semilunar valve.  Am J Cardiol. 1973;  31 623-626
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  • 7 Recupero A, Pugliatti P, Rizzo F, Arrigo F, Coglitore S. Quadricuspid aortic valve: A rare cause of aortic insufficiency diagnosed by Doppler echocardiography. Report of two cases and review of the literature.  Ital Heart J. 2005;  6 927-930
  • 8 Robicsek F, Sanger P W, Daugherty H K, Montgomery C C. Congenital quadricuspid aortic valve with displacement of the left coronary orifice.  Am J Cardiol. 1969;  23 288-290
  • 9 Sangalli F, Formica F, Avalli L, Paolini G. Quadricuspid aortic valve as a cause of severe aortic regurgitation.  Ital Heart J. 2005;  6 157-159
  • 10 Simonds J P. Congenital malformations of the aortic and pulmonary valves.  Am J Med Sci. 1923;  166 584-595
  • 11 Timperley J, Milner R, Marshall A J, Gilbert T J. Quadricuspid aortic valves.  Clin Cardiol. 2002;  25 548-552
  • 12 Yotsumoto G, Iguro Y, Kinjo T, Matsumoto H, Masuda H, Sakata R. Congenital quadricuspid aortic valve: report of nine surgical cases.  ANN Thorac Cardiovasc Surg. 2003;  9 - 2 134-137

Dr. med. T. Rausche
S. Zschernitz
Dr. med. M. Lins

Klinik f. Kardiologie des UKSH, Direktor: Prof. Dr. med. R. Simon, Campus Kiel

Schittenhelmstraße 12

24109 Kiel

Email: rausche@cardio.uni-kiel.de

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