Dtsch Med Wochenschr 2006; 131(49): 2795-2796
DOI: 10.1055/s-2006-957188
Korrespondenz | Correspondence
Leserbrief
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Interdisziplinäre Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der extrazerebralen Amyloidosen

Zum Beitrag aus DMW, Supplement 2/2006R. P Linke
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Publication Date:
29 November 2006 (online)

Das von den Autoren genannte Ziel von interdisziplinären Leitlinien [5] ist wegen der Vergleichbarkeit zu anderen klinisch tätigen Gruppen auf dem Gebiet der Amyloidosen sehr zu begrüßen. Auch ist die Offenheit zur weiteren Komplettierung dieser Übersicht, auf die die Autoren besonders eingehen, anerkennenswert. Um dies zu unterstützen, erlaube ich mir einige Fragen und Ergänzungen, die in künftige Fassungen der Leitlinien eingehen könnten.

A) Nach Angaben der Autoren basiert diese Zusammenfassung auf einer umfassenden Literaturrecherche, auf Expertengesprächen und vor allem auf einem Konsensus, wie es die Autoren nennen. Zur weiteren Fundierung dieses Konsensus erscheinen mir folgende Fragen noch wichtig:

1. Auf welche Weise ist der Konsensus herbeigeführt worden? 2. Wie kam es zur Themenselektion strittiger Punkte? 3. Welche internationalen Experten und Entscheidungsträger haben welche noch strittigen Themen diskutiert? 4. Welche Wertung hat sich bei der Konsensfindung ergeben?

Diese Frage erfolgt im Hinblick auf die Einordnung in die Konsenskategorien verlässlich, noch strittig oder derzeit nicht lösbar, da von diesem Verfahren die Güte der Ergebnisse abhängt. Diese Frage ist dringlich, weil das Wort Konsensus einen gewissen minimalen Standard der Konsensfindung voraussetzt, wenn er tragfähig sein soll, und dieses Vorgehen wird im Artikel nicht deutlich.

B) Weshalb wurden bereits publizierte Guidelines nicht eingeschlossen, z. B. Ref. [1]? Daran hätten die Leser die Möglichkeit, selbst ermessen zu können, wo diese Zusammenfassung im Gefolge internationaler Bemühungen steht.

C) Weshalb geben die Autoren die Empfehlung, dass nur Pathologen die Diagnostik der Amyloidosen durchführen sollten?

Denn die noch andauernde Entwicklung der Diagnostik der Amyloide ist in der Vergangenheit so erfolgreich gewesen, gerade weil sie interdisziplinär und international weiterentwickelt wurde. Ihre größten Erfolge wurden in den letzten Dekaden in der Immunologie, der Proteinchemie und der molekularen Genetik errungen. Da diese Bemühungen noch nicht abgeschlossen sind, würde die genannte Empfehlung eine Einengung der derzeit laufenden wissenschaftlichen Bemühungen um den weiteren Fortschritt bedeuten. Sowohl die immunhistochemische als auch die chemische Klassifizierung der Amyloidosen sind noch im Fluss. Da diese zwei führenden Methoden noch nicht voll etabliert und die meisten Institute für Pathologie derzeit damit überfordert sind, wäre es eher ratsam, die Klassifizierung der Amyloidosen durch die derzeit führenden Institute durchführen zu lassen. Eine Alternative ist unter E) zu finden.

D) Weshalb wurden weder die Schwierigkeiten der Diagnostik der Amyloide noch die internationalen Bemühungen, diese zu überwinden, für den Leser klar dargestellt?

Es muss an die technischen Schwierigkeiten der Durchführung, an die bekannte Unempfindlichkeit der Kongorotfärbung und die sich daraus ergebenden bereits dokumentierten Fehldiagnosen verschiedener Arbeitsgruppen gedacht werden. Diese publizierten Ergebnisse zeigen auf, dass die Diagnostik der Amyloidosen nicht trivial ist. Das gleiche gilt für die chemische und die immunhistochemische Klassifizierung. Ergänzend sind Arbeiten angeführt, in denen Bemühungen um die Verbesserung der Amyloiddiagnostik der letzten Dekaden eingehend diskutiert werden [2] [3].

E) Weshalb wurde ein publizierter Vorschlag eines der Koautoren der hier von mir hier kommentierten Übersicht, Herr Dr. H. Michels [4], zur Qualitätsverbesserung der Amyloiddiagnostik nicht in Ihren Artikel aufgenommen?

Der Vorschlag lautet, dass aufgrund von Ergebnissen mangelnder Qualität der Routinediagnostik nur diejenigen Institute Kompetenzzentren für die Diagnostik der Amyloidosen werden sollten, die nach einer qualitätssichernden Prüfung die Amyloiddiagnostik nachweislich beherrschen. Wer diese Prüfung durchführen könnte, wird auch erwähnt: „These [expert] centers should be established and approved by the International Society on Amyloidosis”. Mir scheint, dass diese Qualitätsprüfung auch von einschlägigen nationalen Gesellschaften ausgehen könnte, welche hierzulande die Deutsche Gesellschaft für Amyloidkrankheiten e. V. darstellt. Da diese Übersicht ein guter Anfang ist, weshalb nicht zügig vorangehen im Bemühen um eine Amyloiddiagnostik höchster Qualität für möglichst viele Institute?

F) Ein Wort zur Darstellung der Geschichte der deutschen Amyloidforschung (publiziert übrigens auch in [6] [5]): Herr Prof. Dr. W. Thoenes hat die Gründung der Gesellschaft 1993 nicht mehr erlebt, da er leider bereits 1992 verstorben ist. Er war bei der Gründung des Amyloidforums 1978 durch Herrn Prof. Dr. E. Gruys und durch mich nicht anwesend. Er hat jedoch die Entwicklung des Amyloidforums tatkräftig unterstützt. So hat er meinem Wunsch entsprochen, die aktuelle Amyloidforschung durch Integration des Amyloidforums in die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie wieder in der Pathologie heimisch zu machen. Auch dank seiner Mithilfe bei der Durchführung der Amyloidforen wurde diese Veranstaltung ebenso wie die aus dem Amyloidforum hervorgegangene Gesellschaft e.V. damals zu einer mitteleuropäischen Institution mit internationaler Bedeutung.

Literatur

  • 1 Guidelines of the AL amyloidosis working group . Compiled on behalf of the British Commitee for Standards in Hematology.  United Kingdom Myeloma Forum. 2004;  125 681-700
  • 2 Linke R P, Oos R, Wiegel N M, Nathrath W B J. Classification of amyloidosis: misdiagnosing by way of incomplete immunohistochemistry and how to prevent it.  Acta Histochem. 2006;  108 197-208
  • 3 Linke R P. Congo red staining of amyloid. Improvements and practical guide for a more precise diagnosis of amyloid and the different amyloidoses. (M.Z. Atassi, ed.); Chapter 11.1 Springer In: „Protein Misfolding, aggregation and conformational diseases (V.N. Uversky and A.L. Fink, eds.), Protein Reviews 2006 4: 239-276
  • 4 Michels H, Linke R P. Clinical benefits of diagnosing incipient AA-amyloidosis in pediatric rheumatoid diseases as estimated from a retrospective study.  Amyloid Int J Exp Clin Invest. 1998;  5 2000-2007
  • 5 Röcken C. et al . Interdisziplinäre Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der extrazerebralen Amyloidosen.  Dtsch Med Wochenschr. 2006;  131 S43-S66
  • 6 Linke R P, Altland K, Ernst J, Gerhard L, Michels H, Saeger W, Willig F. Practical advice in diagnosis and treatment of systemic amyloidosis.  Dtsch Ärztebl. 1998;  95 2626-2636
  • 7 Linke R P. The amyloid forum. Its origin and tenth meeting.  Clin Neuropathol. 1997;  16 49-52

Prof. Dr. med. Reinhold P. Linke

Medizinische Immunologie, Referenzzentrum für Amyloidkrankheiten, amYmed,

Am Klopferspitz 19

82152 Martinsried

Email: linke@amymed.de

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