Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(38): 2158
DOI: 10.1055/s-2005-916359
Pro & Contra
Hämatologie/Onkologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neoadjuvante Therapie beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom - Pro

Neoadjuvant treatment of non small cell lung cancer - proW. Eberhardt1
  • 1Poliklinik, Innere Klinik (Tumorforschung), Westdeutsches Tumorzentrum Essen
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eingereicht: 20.6.2005

akzeptiert: 23.6.2005

Publication Date:
20 September 2005 (online)

In den letzten zwei Jahren konnte für das primär operable nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC, Stadien IB-IIIA) die Notwendigkeit systemischer Therapie bestätigt werden. Bisher gibt es Evidenz allerdings nur für moderne, platinhaltige Chemotherapie. Alle Studien haben Chemotherapie postoperativ - also adjuvant - appliziert. Das Prinzip ist klar: Da beim NSCLC auch in frühen Stadien nach Operation schon hohe systemische Rezidivrisiken vorliegen, kann effektive Chemotherapie durch Reduktion systemischer Rezidive außerhalb des Gehirns die Langzeitprognose signifikant bessern. Vier von fünf Studien konnten Erhöhungen der 5-Jahres-Überlebensrate von 5 % bis 15 % zeigen und dies dürfte auch eine geplante Metaanalyse abschließend bestätigen. Damit zählt das NSCLC zu der Gruppe solider Tumoren - wie Mamma-, Kolon- und Ovarialkarzinom - bei denen Chemotherapie substantiellen Benefit zeigt und als Standard akzeptiert ist.

Ein fundamentaler Unterschied in Bezug auf den optimalen Applikationszeitpunkt der Chemotherapie liegt beim operablen NSCLC, verglichen mit anderen Tumoren, in der Patientenauswahl: 1. Patienten mit NSCLC sind meist älter ( >50 Jahre ); 2. fast alle Patienten haben signifikante pulmonale und kardio-vaskuläre Risikofaktoren (sog. Komorbiditäten: z. B. Emphysem, COLD, KHK) basierend auf der gemeinsamen Noxe „Zigarettenrauch”; 3. die operativen Eingriffe beim NSCLC sind Interventionen am „vitalen Organ” Lunge mit konsekutiver Reduktion der Funktionsreserve nach Resektionsverfahren (z. B. Pneumonektomien); 4. praktisch alle Chemotherapien beinhalten Restrisiken der Entwicklung von Pneumonien und damit weiterer Organschädigung; 5. einzelne Patienten haben bei Diagnose eine signifikante Tumorlast, konsekutive Tumorsymptome und dadurch erhöhte Begleitrisiken zur primären OP.

Überträgt man die Erfahrungen mit anderen Tumoren, kann man spekulieren, dass der prinzipielle Zeitpunkt der Chemotherapie keinen entscheidenden Einfluss auf ihre Wirksamkeit haben dürfte: postoperativ oder präoperativ ändert nichts an der Effektivität. Während klare Evidenz für adjuvante Chemotherapie vorliegt, stehen größere bzw. randomisierte Studien für neoadjuvante Chemotherapie beim NSCLC noch aus. Allerdings gibt es bereits erste Phase-II- bzw. randomisierte Phase-II-Studien, die die prinzipielle Machbarkeit des neoadjuvanten Vorgehens bestätigen [1] [2]: 1. präoperative Applikation ist mit hoher Dosisdichte, Dosis-Intensität und Compliance durchführbar; 2. Toxizitäten sowohl in der Induktion als auch perioperativ sind akzeptabel und nicht erhöht verglichen mit postoperativer Gabe. Klarheit dürfte nur randomisierte Prüfung schaffen: neoadjuvante Chemotherapie gefolgt von OP versus OP gefolgt von adjuvanter Chemotherapie. Aktuell gibt es Überlegungen des NCI (USA), eine große randomisierte Studie mit klarem „Non-inferiority”-Design zu initiieren. Eine kleinere spanische Studie hat aufgrund der relativ geringen Patientenzahl keine vergleichbare Aussagekraft. Mögliche Vorteile der neoadjuvanten Chemotherapie inklusive der Frage, ob „downsizing” und eventuell auch „downstaging” von T- und N-Stadium für individuelle Patienten realistisch sind müssen danach detailliert analysiert werden.

Weder für adjuvante noch neoadjuvante Chemotherapie ist aber klar: Welche Patienten profitieren individuell wirklich von Chemotherapie? Diese Frage wird sich vielleicht erst durch genomische oder proteomische Analysen der Tumoren in prospektiven Studien beantworten lassen.

Autorenerklärung: Der Autor erklärt, dass er keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma besitzt, deren Produkt in diesem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

Literatur

  • 1 Eberhardt W. et al . Operable stage IIIA NSCLC: Prospectively randomized multicenter German trial of surgery and postoperative radiotherapy versus „trimodality treatment” - Analysis of surgical results and toxicity.  J Cancer Res Clin Oncol. 2004;  130 (Suppl 1) S72
  • 2 Pisters K. et al . A phase III trial of surgery alone or surgery plus preoperative paclitaxel/carboplatin chemotherapy in early stage non-small-cell lung cancer: Preliminary results.  J Clin Oncol. 2005;  23 LBA 7012

Dr. med. Wilfried Eberhardt

Leitender Oberarzt der Poliklinik, Innere Klinik (Tumorforschung), Westdeutsches Tumorzentrum Essen, Klinikum der Universität Duisburg-Essen

Hufelandstraße 55

45122 Essen

Phone: 0201-723 3131

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