Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(42): 2261-2262
DOI: 10.1055/s-2004-831876
Arztrecht in der Praxis

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Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2004H.-J Rieger
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Publication Date:
14 October 2004 (online)

Problem

Die Beweislast gibt Auskunft darüber, zu Lasten welcher Partei es geht, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache nicht bewiesen werden kann, welche Seite also das Risiko der Beweislosigkeit trägt. Die Verteilung der Beweislast ist im Haftungsrechtsstreit häufig Prozess entscheidend. Grundsätzlich gelten die allgemeinen Regeln der Beweislast auch im Arzthaftpflichtprozess. Das heißt, der Patient, der dem Arzt einen Behandlungsfehler anlastet, hat den Nachweis zu führen, dass die Behandlung nicht dem medizinischen Standard entspricht, dadurch ein Gesundheitsschaden verursacht wurde und dieser Schaden bei Anwendung der gebotenen Therapie vermieden worden wäre. Die Beweislast des Patienten erstreckt sich somit auf das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, den Eintritt eines Gesundheitsschadens und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden. Weder der Misserfolg der ärztlichen Behandlung allein rechtfertigt den Schluss auf einen Behandlungsfehler, noch kann allein aus dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers auf dessen Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden geschlossen werden. Dies wird in Patientenkreisen nicht selten verkannt. Gelingt dem Patienten der Nachweis auch nur eines der genannten haftungsbegründenden Tatbestandsmerkmale nicht, wird die Klage abgewiesen.

Als Ausnahme von dieser allgemeinen Beweislastregel hat die Rechtsprechung bestimmte Fallgruppen herausgearbeitet, bei denen dem Patienten unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit” Beweiserleichterungen zugestanden werden. Die in der Praxis wichtigste Fallgruppe stellt der grobe Behandlungsfehler dar, das heißt ein Fehlverhalten, das „aus objektiver ärztlicher Sicht bei Anlegung des für einen Arzt geltenden Ausbildungs- und Wissensmaßstabes nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint, weil ein solcher Fehler dem behandelnden Arzt … schlechterdings nicht unterlaufen darf” (BGH, Neue jur. Wschr. 51 [1998], S. 814). Mit einem solchen Fall befasst sich ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27.04.2004 - VI ZR 34/03.

Rechtsanwalt

Dr. jur. H.-J. Rieger

Zeppelinstraße 2

76185 Karlsruhe

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