Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(27): 1527-1528
DOI: 10.1055/s-2004-826900
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Fehldiagnose „Asthma bronchiale“ bei Mediastinaltumor im Kindesalter - Erwiderung

Further Information

Publication History

Publication Date:
21 July 2004 (online)

Wir sind mit Herrn Kollegen Dr. Schute einer Meinung, dass eine sorgfältige Anamnese und eine ebenso sorgfältige Ganzkörperuntersuchung vor jeder technischen Untersuchung stehen sollte. Die Intention unserer Arbeit [1] war unter anderem aufzuzeigen, dass es Grenzfälle gibt, in denen apparative Untersuchungen (z. B. Röntgen-Thoraxaufnahme, Lungenfunktionsuntersuchung) für die Diagnosestellung wichtig sind. Zu den Anmerkungen im Einzelnen:

Zu Fall 1 schreibt Herr Kollege Schute „mit großer Wahrscheinlichkeit sind einige der folgenden Zeichen zu erwarten“:

a) eine äußerlich auffällige Begleitanämie

Bei unserer Patientin betrug der Hb 14,8 g/dl. Eine normochrome Anämie mit einem Hb von < 10 g/dl ist bei etwa 80 % der Kinder mit einer akuten Leukämie zu erwarten. Bei 20 % der Kinder besteht also keine ausgeprägte Anämie und bei 12 % der Kinder ist der Hb sogar > 11,0 g/dl. Eine Anämie mit einem Hb < 7 g/dl liegt nur bei 43 % der Kinder mit Erstmanifestation einer akuten lymphatischen Leukämie vor [2] [3].

b) allgemeines Schwächegefühl

Bei unserer Patientin bestand kein „allgemeines Schwächegefühl“. Ein allgemeines Schwächegefühl bzw. ein Leistungsknick kann in Assoziation oder als Folge der Anämie bei akuter lymphatischer Leukämie vorkommen. Genaue Zahlen zur Häufigkeit fanden wir in der Literatur nicht. Unserer Ansicht nach ist das sehr unspezifische Symptom „allgemeines Schwächegefühl“ nicht zur Differenzierung zwischen Asthma und Leukämie geeignet, da es unspezifisch ist und bei beiden Erkrankungen im Kindesalter auftreten kann.

c) eine Vergrößerung der Lymphknoten

Bei unserer Patientin waren keine vergrößerten Lymphknoten nachweisbar. Eine Vergrößerung der Lymphknoten ist bei 37 % der Kinder mit Erstmanifestation einer akuten lymphatischen Leukämie nicht nachweisbar. [4] [5]. Niethammer und Klingebiel geben eine Rate von Lymphknotenschwellungen von lediglich 50 % an, und schreiben (S. 1257):„... Eine prominente Lymphadenopathie ist im Gegensatz zur landläufigen Meinung (lymphatische Leukämie = Lymphknoten) eher nicht ausgeprägt“.... [2].

d) eine tastbare Lebervergrößerung

Bei unserer Patientin war die Leber nicht vergrößert (klinische und sonographische Untersuchung). Eine tastbare Lebervergrößerung ist bei 32-39 % der Kinder mit Erstmanifestation einer akuten lymphatischen Leukämie nicht nachweisbar [3-5].

e) ein tastbarer Milztumor

Bei unserer Patientin war die Milz nicht vergrößert (klinische und sonographische Untersuchung). Ein tastbarer Milztumor ist bei 37-43 % der Kinder mit Erstmanifestation einer akuten lymphatischen Leukämie nicht nachweisbar [3-5].

Zu Fall 2 schreibt Herr Kollege Schute: „die tastbaren harten zervikalen Lymphknoten hätten natürlich schon früher auffallen und zur differentialdiagnostischen Abklärung führen müssen“. Die Lymphknoten waren in unserer Klinik bei der Aufnahmeuntersuchung nach 10 Wochen Krankengeschichte tastbar. Die Vorstellung erfolgte durch den zuweisenden Kollegen unter anderem wegen neu aufgetretener zervikaler Lymphknoten, die zu der Diagnose „Asthma bronchiale“ eben nicht passten.

Zu Fall 3 schreibt Herr Kollege Schute, dass der Befund im Röntgen-Bild es „unglaubwürdig“ mache, dass Perkussion und Auskultation unauffällig waren. Tatsächlich waren die Befunde bei beiden Untersuchungstechniken in Ruhe unauffällig. In der Krankenakte ist die klinische Untersuchung durch drei unabhängige Untersucher (Fachärzte für Kinderheilkunde und Jugendmedizin) dokumentiert.

Die genannten Zahlen und Untersuchungsergebnisse und auch die von uns in der Arbeit exemplarisch dargestellten Kasuistiken zeigen, dass „klassische“ Symptome eben auch bei sorgfältiger Untersuchung nicht immer nachweisbar sind, und es daher sinnvoll ist, nach sorgfältiger Abwägung weitere Untersuchungen (in unseren Fällen Lungenfunktion und Röntgen-Thorax-Aufnahme) durchzuführen.

Den von Herrn Kollegen Dr. Schute verwendeten Begriff „körperlich bedingte Erschwernis der Untersuchung“ im Hinblick auf Größe und Gewicht eines Kindes kennen wir als Pädiater bei der klinischen Untersuchung nur aus abrechnungstechnischen Gründen, nicht jedoch als Begründung für eine unzureichende Befunderhebung.

Literatur

  • 1 Ankermann T, Claviez A, Suttorp M. Fehldiagnose „Asthma bronchiale“ bei Mediastinaltumor im Kindesalter.  Dtsch Med Wochenschr. 2004;  129 613-616
  • 2 Henze G. Leukämien im Kindesalter. Springer Heidelberg In: Speer Ch, Gahr M (Hrsg.) Pädiatrie 2001: 715
  • 3 Niethammer D, Klingebiel T. Leukämien. 2. Auflage Springer Heidelberg In: Lentze MJ, Schaub J, Schulte FJ, Spranger J (Hrsg.). Pädiatrie Grundlagen und Praxis 2003: 1255-1263
  • 4 Henze G. Leukämien. 5. Auflage Deutscher Ärzteverlag Köln In Gutjahr P (Hrsg.). Krebs bei Kindern und Jugendlichen 2004: 305
  • 5 Miller D R. Hematoligic malignancies: leukemia and lymphoma,. 6th edition Mosby St. Louis In: Miller DR and Baehner RL (eds.) Blood diseases of infancy and childhood 1990: 604-721

Dr. med. Tobias Ankermann
Dr. med. A. Claviez
Prof. Dr. med. M. Suttorp

Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

Schwanenweg 20

24105 Kiel

Email: ankermann@pediatrics.uni-kiel.de

    >