Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(10): 514
DOI: 10.1055/s-2003-37628
Leserbriefe
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Primärvention des plötzlichen Herztodes - und die Angst vor der Wahrheit

Zum Beitrag aus DMW 41/2002, S. 2113
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Publication Date:
29 April 2004 (online)

Klein beklagt in seinem Editorial [1] die Zurückhaltung deutscher Ärzte bei der Anwendung von implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) bei Patienten mit Herzinfarkt und reduzierter Ejektionsfraktion (≤ 30 %) und bezieht sich dabei auf die positiven Ergebnisse von MADIT-II (Multicenter Automatic Defibrillator Implantation Trial II) [2].

Er schreibt: „Die Gesamtletalität wurde durch die ICD-Therapie um 31 % ..... gesenkt.“ Er erwähnt allerdings nicht, dass es sich bei den 31 % lediglich um die nicht aussagekräftige relative Risikoreduktion handelt. Der tatsächliche Nutzen der Ereignisreduktion beträgt nur 5,6 % (konventionelle Therapie 19,8 %, ICD 14,2 %). Daraus errechnet sich ein NNT(number needed to treat)-Wert von 18. Mit anderen Worten, im Vergleich mit einer konventionellen Therapie hat durch einen ICD nur jeder 18. Patient einen Nutzen hinsichtlich der Prognose quoad vitam.

In der Originalarbeit ist außerdem zu lesen, dass ICD-Patienten häufiger wegen erneuter Herzinsuffizienz hospitalisiert werden mussten (19,9 %) als konventionell behandelte (14,9 %). Daraus resultiert eine Ereigniserhöhung von 5 % und konsekutiv ein NNH(number needed to harm)-Wert von 20! Das relativiert den NNT-Wert von 18 ganz erheblich. In der Terminologie des Editorials würde das einem ICD-Malus von 25 % ( = relative Risikoerhöhung) entsprechen!

Hinzu kommt, dass selbst aus der Originalarbeit nicht zu erkennen ist, ob die konventionelle Therapie der rekrutierten Patienten optimal war. Der Hinweis, dass etwa 70 % der Patienten ACE-Hemmer erhalten haben, ist relativ nichtssagend, wenn keine Dosisangaben erfolgen. Wir wissen aus anderen großen Studien, dass Captopril in der Regel erheblich unterdosiert wird. Acetylsalicylsäure (Aspirin) hat offenbar überhaupt kein Patient bekommen, was bei Herzinfarktpatienten schon sehr verwundert. Sollte die konventionelle Therapie also nicht optimal gewesen sein, dann ist selbst das marginal positive Ergebnis der gesamten Studie MADIT-II zu hinterfragen.

Literatur

  • 1 Klein H. Primärvention des plötzlichen Herztodes - und die Angst vor der Wahrheit.  Dtsch Med Wochenschr. 2002;  127 2113
  • 2 Moss A J. et al . Prophylactic implantation of a defibrillator in patients with myocardial infarction and reduced ejection fraction.  N Engl J Med. 2002;  346 877-883

Autor

MR Prof. em. Dr. Frank P. Meyer

Magdeburger Straße 29

39167 Groß Rodensleben

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