Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(30): 865
DOI: 10.1055/s-2001-16014
Fragen aus der Praxis
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Amaurosis fugax

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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Frage: Ein 30-jähriger Mann (Raucher, eine Packung Zigaretten pro Tag seit 15 Jahren) hat seit etwa 7 Jahren jeweils einmal jährlich eine Amaurosis fugax. Die Erblindung dauerte immer ca. 1-2 min und trat immer am linken Auge auf. Da es so selten vorkam, hat der Patient kein Arzt aufgesucht. In diesem Jahr trat Amaurosis fugax in nahezu monatlichen Abständen auf. Die Untersuchung der Netzhautgefäße war unauffällig. Die neurologische Untersuchung sowie das EEG waren unauffällig.

Echokardiographie, transösophageale Echokardiographie, Doppler-Sonographie der Karotiden und der anderen Hals-Gefäße waren unauffällig. Die Diagnostik wurde dann abgebrochen. Nach Literaturangaben wird bei ca. 20 % der Amaurosis fugax eine unklare Genese zur Kenntnis genommen. Aber:

Warum verkürzen sich die Abstände der Amaurosis fugax und warum immer am linken Auge?

Antwort: Geschildert wird der Fall eines 30-jährigen Patienten mit rezidivierender immer linksseitig auftretender Amaurosis fugax seit 7 Jahren. Die Intervalle treten in immer kürzeren Abständen auf (zuletzt monatlich), andere Beschwerden werden nicht genannt, als Risikofaktor wird Rauchen angegeben. Bisher wurden neurologische (EEG) und kardiologische (EKG, transösophageale Echokardiographie, Dopplersonographie der Karotiden) Diagnostik veranlasst, die genannten Untersuchungen waren ohne pathologischen Befund.

Ursache einer Amaurosis fugax ist ein (mikro)embolischer oder spastischer Verschluss der A. centralis retinae mit nachfolgender retinaler Ischämie. Die Interpretation als Vasospasmus ist als Anschlussdiagnose zu betrachten. Häufigste Ursache sind Veränderungen der extrakranialen A. carotis interna (57-67 %). Patienten mit Amaurosis fugax und atheromatösen Veränderungen der A. carotis interna haben ein jährliches Schlaganfallrisiko von 2 % [2] . Das immer linksseitige Auftreten der Amaurosis fugax im oben beschriebenen Fall spricht eher für ein Problem, das in der arteriellen Strombahn jenseits des Aortenbogens lokalisiert ist und damit eher gegen ein kardiales Problem bzw. eine Viskositätsstörung. Trotzdem sollte - nicht zuletzt wegen des Alters des Patienten und den kürzer werdenden Intervallen - neben den bereits veranlassten Untersuchungen eine umfangreiche Diagnostik erfolgen, bei der alle bekannten Risiken abgeklärt werden. Einzelheiten sind der nachfolgenden Auflistung zu entnehmen, aus der sich auch die Differenzialdiagnosen ergeben:

Empfohlene weiterführende Diagnostik:

ophthalmologische Untersuchung (retinale Veränderungen? Gefäßstatus? Gesichtsfeld? Drusenpapille? morphologische Anomalie der Papille? Engwinkelglaukom? Pseudoinflammatorische Uveitis? Fluoreszenzangiographie mit Frage der AV-Passagezeit, Ophthalmodynamometrie mit Frage des systolischen und diastolischen Druckes der A. centralis retinae im Seitenvergleich, okuläre Plethysmographie) Fettstoffwechseluntersuchung (Cholesterinerhöhung? HDL/LDL) Blutgerinnung (Hyperkoagulolabilität? erhöhte Blutviskosität? Protein C-Mangel? Protein S-Mangel?) internistische Diagnostik (orthostatische Dysregulation? Langzeit-EKG mit Frage nach Arrhythmien, Anämie? Arteriitis? okkulte Vaskulitis? rheumatische Grunderkrankung ev. mit Herzklappenbeteiligung? [Lupus erythematodes, Polyarteriitis nodosa, Dermatomyositis], Polyzythämie? Thrombozythämie? Hämo-globinopathie? Medikamentenanamnese!) Angiographie der A. carotis interna, z. B. als wenig belastende NMR-Angiographie

Bei jüngeren Patienten sind kardiale Grunderkrankungen eher die Ausnahme. Häufig liegt eine »retinale Migräne« vor, die nach der Amaurosis fugax mit einem ipsilateralen Halbseitenkopfschmerz einhergehen kann [1] [3]. Bei der »retinalen Migräne« werden die Intervalle zwischen den Attacken im Laufe der Jahre oft kürzer. Im Gesichtsfeld lassen sich oft Nervenfaserbündelausfälle nachweisen. Eine »retinale Migräne« ist im vorliegenden Fall die wahrscheinlichste Differenzialdiagnose, alle anderen oben erwähnten Ursachen sollten jedoch ausgeschlossen werden.

Mit Hilfe der Fluoreszenzangiographie lässt sich manchmal bei jüngeren Patienten, vor allem Männern, eine fokale Arteritis nachweisen [4].

Literatur

  • 1 Neuro-Ophthalmology. Glaser JS Second Edition. J.B. Lippincott Company, Philadelphia 1990
  • 2 Hurwitz B J, Heyman A, Wilkinson W E. et al . Comparison of amaurosis fugax and transient cerebral ischemia: A prospective clinical and arteriographic study.  Ann Neurol. 1985;  18 698
  • 3 Brown G C, Magargal L E, Shields J A. et al . Retinal arterial obstruction in children and young adults.  Ophthalmology. 1981;  18 88
  • 4 Gass J DM, Tiedeman J, Thomas M A. Idiopathic recurrent branch retinal artrial occlusions.  Ophthalmology. 1986;  91 1148

Dr. K Hartmann

Orthoptik und Neuroophthalmologie, Universitätsklinik der RWTH

Pauwelsstraße 30

52057 Aachen

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