Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(37): 1063
DOI: 10.1055/s-2000-7360
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die ganze Breite der Kardiologie

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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Die Erfolge einer Evidenz basierten Medizin sind besonders in der Kardiologie unübersehbar. Die neuesten Studien zeigen eine deutliche Lebensverlängerung bei korrekt behandelten Patienten mit einer Vielzahl von kardiologischen Erkrankungen. Der Nutzen einer Änderung der Risikofaktoren und einer Evidenz-basierten Therapie nach Herzinfarkt wird durch die jüngst veröffentlichten Ergebnisse des weltweiten MONICA-Projektes untermauert. Da das Durchschnittsalter unserer Bevölkerung aber weiterhin im Steigen begriffen ist, nimmt die Zahl der ambulant und stationär behandelten Patienten insbesondere in den höheren Altersstufen noch zu - bei sinkender Verweildauer. In Nordrhein-Westfalen sind die stationären kardiologischen Fälle je 1000 Einwohner von 6,7 (1993) über 8,5 (1996) auf 10 (1998) angestiegen. Eine Abflachung der Kurve ist nicht zu erwarten. Ein Großteil dieser Patienten geht auf die chronische Herzinsuffizienz zurück, die häufigste Entlassungsdiagnose internistischer Patienten überhaupt. Aber auch die koronare Herzerkrankung, komplexe Rhythmusstörungen (insbesondere das Vorhofflimmern und aneurysmatische Aufweitungen der Aorta nehmen zu. Unter den stationär behandelten internistischen Patienten werden auch im nächsten Jahrzehnt die kardiologischen Fälle den größten Anteil ausmachen.

Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich gerechtfertigt, erneut ein Themen-Schwerpunktheft Kardiologie zusammenzustellen. Dieses Schwerpunktheft zur Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zeigt die ganze Breite unseres Faches. Von der molekularen Kardiologie des Brugada-Syndroms (siehe Editorial Beuckelmann, S. 1064) über die neuesten Entwicklungen der »harmonischen Bildgebung« in der transthorakalen Echokardiographie (siehe Beitrag Schimpf et al., S: 1065) sind mehrere hochinteressante Kasuistiken bei verschiedenen kardiovaskulären Erkrankungen ebenso in diesem Heft enthalten wie eine Analyse der linksventrikulären diastolischen Funktion bei Schwangeren (siehe Beitrag  Schannwell et al., S. 1069).

Dankenswerterweise hat Herr Kollege Breuer (S. 1085) die Literatur zusammengestellt zur Frage, wann man nach akutem Myokardinfarkt eine Ergometrie durchführen sollte. Wieder einmal zeigt sich, daß wir möglicherweise bisher zu vorsichtig waren, wenn wir nicht vor jeder Krankenhausentlassung nach Myokardinfarkt eine sorgfältige Ischämiediagnostik durchgeführt haben. Die submaximale Belastung zwischen dem vierten und sechsten Tag nach Myokardinfarkt oder symptomlimitiert am 10. bis 14. Tag nach unkompliziertem Myokardinfarkt ist noch nicht überall Usus.

Die in letzter Zeit wieder kontrovers diskutierte Östrogenersatztherapie wird in der Übersicht von Lengfelder (S. 1090) in Hinsicht auf eine Verhinderung der koronaren Herzerkrankung diskutiert. Nach der neuesten Datenlage kann diese generelle Hormonersatztherapie nicht bei allen Frauen zur primären und sekundären Prophylaxe der KHK empfohlen werden. Weiterhin kontrovers wird von Bauer-Krylov et al. (S. 1095) die Infektionsthese des Myokardinfarktes dargestellt. Die kausale Beziehung zwischen Infektion und Myokardinfarkt fehlt immer noch.

Man kann sich ja heute vieles aus dem Internet holen. Die spektakuläre und aktuelle Nachricht steht dort meist zuerst. Viele Journale wären heute schon elektronisch denkbar und böten abrufbare neue kardiologische Informationen. Mit diesem Heft begibt sich auch der Georg Thieme Verlag ins Neuland: Besonders wichtige Kasuistiken werden elektronisch abrufbar zur Verfügung gestellt (Sie können sie aufrufen unter http://www.thieme-connect.de oder http://www.thieme-connect.com). Man wird sehen, ob wir in 10 Jahren noch unsere altvertraute DMW mit der Post zugeschickt bekommen und abends darin blättern, oder ob wir mindestens einmal wöchentlich neugierig vor dem Bildschirm sitzen werden oder ob - was am wahrscheinlichsten ist - wir beides tun.

Tempora mutantur!

Wir sind gespannt auf Ihre Reaktion.

Prof. Dr. Günter Breithardt, Herausgeber

Prof. Dr. Erland Erdmann, Herausgeber

Prof. Dr. Günter Breithardt

Medizinische Klinik und Poliklinik

- Innere Medizin

Westfälische Wilhelms-Universität

Albert-Schweitzer-Str. 33

48149 Münster

Prof. Dr. Erland Erdmann

Klinik III für Innere Medizin

Universität zu Köln

Joseph-Stelzmann-Str. 9

50924 Köln

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