Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(37): 1098
DOI: 10.1055/s-2000-7355-2
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erwiderung

Further Information

Publication History

Publication Date:
28 April 2004 (online)

Der Leserbrief von Schulz und Braun gibt Gelegenheit zur Präzisierung und Ergänzung meines Beitrages. Die Umsetzung publizierter Kriterien zur Überweisung bei Selbstmedikation dürfte - wie insgesamt die Information durch Apotheker - manchmal ungenügend sein, worauf Medien und Konsumentenorganisation in den letzten Jahren mehrfach aufmerksam machten [2]. Eine kürzlich veröffentlichte allgemeinmedizinische Untersuchung aus Düsseldorf mit simulierten Patienten (Person mit Spannungs-Kopfschmerzen; Kleinkind mit Durchfall) hat zwar eine vergleichsweise kompetente Beratung bei Selbstmedikation durch Apotheker festgestellt [4]: In 56 % bzw. 67 % rieten die Apotheker zu einem Arztbesuch. Parallel dazu befragte Allgemeinärzte sahen aber in beiden Fällen häufiger die Dringlichkeit eines Arztbesuches gegeben - insbesondere im Falle der Diarrhoe.

Um die Variabilität in der Auslegung von Kriterien gering zu halten, wünschen sich Bond und Bradley [1]etailliertere und flexible Handlungsleitlinien für verschiedene Beratungsanlässe in Apotheken (»clinical treatment guidelines«). Diese müssten auch den Umgang mit »uneinsichtigen« Kunden einschließen, die - trotz Indikation - einen Arztbesuch ablehnen und ausschließlich ein Medikament in der Apotheke wünschen.

Auf ein weiteres Problem macht eine britische Untersuchung aufmerksam: Kunden kaufen jedes 4. Präparat zur Selbstmedikation für ein Familienmitglied, einen Bekannten oder Nachbarn [3]. Diese »proxy consulters« verfügen auf Nachfrage oft gerade nicht über notwendige Informationen, damit der Apotheker eine angemessene Behandlungsentscheidung treffen oder einen Arztbesuch empfehlen kann. Da auch ökonomische Interessen im Spiel sind[2], wird häufig wohl dennoch ein Medikament für den unbekannten Dritten verkauft.

Die im Leserbrief erwähnten »Informationsbögen-Arzt/Apotheker« treffen sich übrigens mit der Empfehlung eines »two-way referral system«, mit dem die Autoren der erwähnten britischen Studie [3] die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker intensivieren möchten.

Trotz aller publizierter Kriterien: Es bleibt Aufgabe zukünftiger Studien, die Qualität der Beratung im Falle der Selbstmedikation kritisch zu begleiten.

Literatur

  • 1 Bond C M, Bradley C. Over the counter drugs. The interface between the community pharmacist and patients.  BMJ. 1996;  312 758-760
  • 2 Gysling E. Selbstmedikation.  pharma-kritik. 1998;  20 65-68
  • 3 Hassell K, Noyce P R, Rogers A, Harris A, Wilkinson J. A pathway to the GP: The pharmaceutical »consultation« as the first port of call in primary health care.  Fam Pract. 1997;  14 498-502
  • 4 Stelzer J, Hemming B, Abholz H -H. Medizinische Beratung in Apotheken im Vergleich zu allgemeinmedizinischen Empfehlungen: ein standardisierter Patient mit zwei Fallgeschichten.  Z Allgemeinmed. 2000;  76 89-93

Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Himmel

Abteilung Allgemeinmedizin Georg-August-Universität

Humboldtallee 38

37073 Göttingen

Email: whimmel@gwdg.de

    >