Dtsch Med Wochenschr 2014; 139(08): 396
DOI: 10.1055/s-0033-1360080
Korrespondenz | Correspondence
Erwiderung
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Pharmakotherapie von Schlafstörungen bei älteren Menschen – Erwiderung

Pharmacotherapy of sleep disorders in elderly patients
J. Schröder
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Publication Date:
11 February 2014 (online)

Vielen Dank für den Leserbrief und Ihre darin geschilderten Erfahrungen aus der Praxis. Ich stimme Ihnen zu, dass eine längerfristige Behandlung chronischer Schlafstörungen mit Antipsychotika wie Melperon im Alter nicht zu empfehlen ist. Diese Aussage finden Sie bereits in meinem Beitrag „Pharmakotherapie von Schlafstörungen bei älteren Menschen“ im Abschnitt Antipsychotika sowie als Konsequenz für Klinik und Praxis. Der Hinweis, dass für den Einsatz bei älteren Patienten keine Einschränkungen vorliegen (Tab. 1 des Artikels), bezieht sich lediglich auf die Angaben der PRISCUS-Liste. In dieser ist Melperon nicht als potenziell inadäquate Medikation für ältere Patienten gelistet, sondern wird sogar wie Pipamperon als Therapie-Alternative bei Schlafstörungen aufgeführt [3]. Dies beruht vermutlich darauf, dass beide Wirkstoffe eine Zulassung für die Behandlung von Schlafstörungen geriatrischer Patienten besitzen.

Dennoch sollte der Einsatz von Melperon in der Behandlung von Schlafstörungen bei älteren Patienten auch aus meiner Sicht nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Während der Einnahme von Melperon können u. a. extrapyramidale Nebenwirkungen, venöse Thromboembolien, unerwünschte zerebrovaskuläre Ereignisse sowie eine Verlängerung des QT-Intervalls im EKG auftreten. Ihre Einwände hinsichtlich möglicher Überdosierungen bei Leber- oder Niereninsuffizienz bzw. bei Patienten mit CYP2D6-Polymorphismus sind ebenfalls völlig richtig und in der Praxis zu berücksichtigen. Daneben haben die Daten zweier großer Anwendungsstudien gezeigt, dass ältere Menschen mit Demenz-Erkrankungen, die mit konventionellen (typischen) Antipsychotika behandelt wurden, einem leicht erhöhten Mortalitätsrisiko im Vergleich zu nicht mit Antipsychotika Behandelten ausgesetzt sind [2].

Einen Vorteil von Pipamperon gegenüber Melperon kann ich aus pharmazeutischer Sicht allerdings nicht ableiten. Der Nutzen in der Behandlung von Schlafstörungen bei älteren Patienten ist auch für dieses Antipsychotikum nicht ausreichend durch kontrollierte Studien belegt [5]. Nebenwirkungsspektrum und Risiko für Wechselwirkungen sind ebenfalls bei beiden Wirkstoffen vergleichbar. Lediglich bei Leber- oder Nierenfunktionsstörungen ist keine konkrete Dosisanpassung für Pipamperon gefordert. Allerdings wird in der Fachinformation darauf hingewiesen, dass die Datenlage zu den pharmakokinetischen Eigenschaften von Pipamperon lückenhaft ist [1].

In der Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass umfassende Reviews von Expertengruppen und Metaanalysen vor einer unkritische und unkontrollierten Verschreibung von Antipsychotika insbesondere bei Menschen mit Demenz warnen [4]. In der Behandlung älterer Patienten sollten daher möglichst nicht-medikamentöse Behandlungsoptionen eingesetzt werden. Der Einsatz der klassischen Hypnotika und anderer sedierender Pharmaka ist aufgrund eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Profils nur begrenzt möglich (vgl. Konsequenz für Klinik und Praxis des Artikels).

Leserbrief

 
  • Literatur

  • 1 Fachinformation Dipiperon® (Stand: Dezember 2011)
  • 2 Fachinformation Melneurin® (Stand: Januar 2011)
  • 3 Holt S, Schmiedl S, Thurmann PA. Potentially inappropriate medications in the elderly: the PRISCUS list. Deutsches Arzteblatt international 2010; 107: 543-551
  • 4 Mayer G, Fietze I, Fischer J et al. S3-Leitlinie: Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen. Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Somnologie 2009; 13: 4-160
  • 5 Schwarz S, Frölich L, Deuschle M. Pharmakologische Behandlung von Schlafstörungen bei älteren Menschen. Arzneimittel-, Therapie-Kritik & Medizin und Umwelt 2013; 45: 377-390