Dtsch Med Wochenschr 2012; 137(39): 1903
DOI: 10.1055/s-0032-1327190
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ökonomie vor ärztlichem Handeln?

Takes economy precedence over medical action?
J. H. Wirtz
1   Bundesverband Niedergelassener Kardiologen e.V. und Kardiologische Gemeinschaftspraxis Dinslaken
,
N. Doll
2   Sana Herzchirurgie Stuttgart GmbH
,
E. Erdmann
3   Herzzentrum der Universität zu Köln, Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Internistische Intensivmedizin, Uniklinik Köln
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Publication Date:
19 September 2012 (online)

Der Herbst ist da und damit auch die Zeit der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), wie immer gemeinsam mit der Jahrestagung der Arbeitsgruppe Rhythmologie, in diesem Jahr im schönen Hamburg. Als etwas „atypische“ Tagungspräsidenten, ein niedergelassener Kardiologe und ein Herzchirurg, freuen wir uns, ein Heft der renommierten Deutschen Medizinischen Wochenschrift als Gastherausgeber mitgestalten zu können.

Unsere heutige Medizin ist einem stetigen Wandel unterworfen. Nicht nur durch den immensen Wissenszuwachs oder die Erfindung neuerer, effizienterer und schonender Behandlungsmethoden. Nein, auch durch den Wandel im sozioökonomischen und politischen Bereich. Obwohl der Andrang der Studierenden an den Universitäten ungebrochen ist, streben immer weniger junge Kollegen nach dem Studium die Versorgung am Patienten an, wandern in den nichtärztlichen Bereich anderer Berufe ab. Das Bild vom Hausärztemangel ist auch in der Politik schon angekommen. Über die Gründe lässt sich trefflich philosophieren. Der hilfsbereite, selbst aufopfernde Samariter, der zum Nulltarif am besten noch 24 Stunden zur Verfügung steht, stirbt langsam aus. Geregelte Arbeitszeiten, adäquate Bezahlung, Familie und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie rücken zu Recht immer mehr in den Vordergrund. Die Medizin wird immer weiblicher, der Anteil der Frauen steigt ständig, hier ist der Druck zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie immens, Abteilungsleiter in Krankenhäusern und Lehrstuhlinhaber in der universitären Forschung kennen die daraus resultierenden Probleme schon seit Längerem. Auch im niedergelassenen Bereich ändern sich die Strukturen, die Zahl der Einzelpraxen sinkt, die Zahl der medizinischen Versorgungszentren mit geregelten Arbeitszeiten steigt. Ob sich hierdurch das Arzt-Patienten-Verhältnis verbessert, darf guten Gewissens hinterfragt werden. Hinzu kommt der wachsende ökonomische Druck, den der Berufsanfänger noch nicht spürt, der aber immer evidenter wird, je höher man die Karriereleiter emporsteigt. In der Niederlassung durch Regressforderungen schon lange zementiert, müssen nicht nur renditeorientierte, börsengelistete Klinikketten, sondern auch normale Landkrankenhäuser schwarze Zahlen schreiben und schauen auf die Kosten. Ökonomie über ärztliches Handeln? Kann da mancher Arzt noch medizinisch/ethisch im Einzelfall entscheiden?

Aus diesen Gründen haben wir Tagungspräsidenten im Programm der Herbsttagung einige Sitzungen hierauf abgestimmt; vielleicht ein Grund für Sie, nach Hamburg zu fahren. Getreu dem Motto der Herbsttagung nach Praxisnähe, haben wir die Themen in diesem Schwerpunktheft ausgerichtet.

„Herr Doktor, ich habe da von einer neuen Behandlungsmethode meines hohen Blutdrucks gehört.“ Ja, die Patienten sind durch die Presse gut informiert. Die Datenlage zur renalen Denervation wächst zwar ständig, ist aber noch nicht konsistent. Aus diesem Grund sind wir sehr stolz, eine Originalarbeit zu diesem Thema beisteuern zu dürfen, die hoffentlich einige offene Fragen beantwortet.

Über die zwei Falldarstellungen – die nicht alltägliche Kasuistik und das bekannte Mediquiz – wollen wir nicht zu viel verraten. Lassen Sie sich überraschen!

Was ist eigentlich aus dem Koronar-CT zur Beurteilung und Entdeckung von Koronarstenosen geworden? Hier sind die Lager gespalten: Vom glühenden Anwender bis zum totalen Verweigerer lässt sich alles finden. Zwei renommierte Experten werden im Pro & Contra ihre Meinung äußern. Lassen Sie sich überzeugen.

Ein Dauerbrenner ist das Thema Vorhofflimmern. In der Übersichtsarbeit werden nicht nur die kardiologischen Instrumente aufgezeigt, sondern auch die breite Palette der chirurgischen Interventionsmöglichkeiten. Diese vergisst man im Alltag häufig oder drängt sie beiseite, meist zu Unrecht.

Ein zunehmendes Problem sind Fragen unserer Patienten mit Schrittmacher und Defibrillatoren nach ihrer Fahrtüchtigkeit. Die rechtlichen Grundlagen sind überaltert, eine Novellierung steht an, seit Ende 2010 gibt es ein Positionspapier der DGK zu diesem Thema. Leider ist es noch nicht in die Richtlinien übernommen, der Erstautor des Positionspapiers gibt kompetent Hilfestellung.

Überweise ich meinen Patienten nun zu einer Carotis-Stentimplantation oder lasse ich ihn konventionell operieren? Auch diese Entscheidung treffen wir häufig. Entscheidungshilfen hierzu gibt unser Kommentar von kompetenter Seite.

Wir hoffen, dass Sie beim Lesen dieses Hefts viel Freude haben! Wenn Sie mehr zu den hier angerissenen Themen erfahren wollen, vielleicht sehen wir uns in Hamburg? Wir würden uns sehr freuen!

Mit freundlichen kollegialen Grüßen Ihre

Jost Henner Wirtz, Nicolas Doll und Erland Erdmann