Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2012; 17(5): 239-245
DOI: 10.1055/s-0032-1312905
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Was Medizinstudenten vom Gesundheitswesen wissen

What Medical Students Know about their Health Care System
C. O. Jacke
1   Arbeitsgruppe Versorgungsforschung, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Medizinische Fakultät Mannheim/Universität Heidelberg
,
J. Frech
2   Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie, Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
,
T. Eikmann
3   Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen
,
O. Schöffski
4   Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement, Universität Erlangen-Nürnberg
,
H. J. Klose
5   Klinik für Strahlendiagnostik, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg
,
S. Sohn
4   Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement, Universität Erlangen-Nürnberg
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Publication Date:
06 July 2012 (online)

Zusammenfassung

Einleitung: Mit der in 10/2003 in Kraft getretenen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO) für Humanmediziner ist unter anderem ein Querschnittsfach 3 namens „Gesundheitsökonomie, Gesundheitssystem, öffentliche Gesundheitspflege“ eingeführt worden. Das Fach beabsichtigt, grundlegendes Wissen über die Rahmenbedingungen des deutschen Gesundheitswesens zu vermitteln. Unterschiedliche Institute übernehmen dabei den Lehrauftrag. Ziel der Studie ist eine empirische Analyse des Lehr- und Lernerfolgs an 2 mittelhessischen Universitäten.

Methodik: Es liegt ein Vorher-Nachher-Design vor, welches zu Beginn (T0) und am Ende (T1) des Sommersemesters 2008 die Medizinstudenten des 9.–10. Semesters aus den Universitäten Marburg (MR) und Gießen (GI) einschloss. Die Auswahlgesamtheiten betrugen n = 180 in Marburg und n = 148 in Gießen. Der Erlanger Lehr- und Studenten-Monitor zur Gesundheitsökonomie (ELSMoG) erfasste mit 45 Items den Wissensstand zu Arzneimitteln, ambulanter und stationärer Versorgung sowie zur privaten und gesetzlichen Krankenversicherung. Item- und Indexanalysen für gepoolte und universitätsspezifische Auswertungen wurden durchgeführt.

Ergebnisse: Zu den Zeitpunkten T0 und T1 betrugen die Ausschöpfungsquoten 67 % (n = 223) und 87 % (n = 286). Wissenszuwächse können nachgewiesen werden. Wissenslücken im Bereich der privaten Krankenversicherung sowie der ambulanten Versorgung sind auffällig, universitätsspezifische Unterschiede sind nachgewiesen. Ein hoher Anteil von durchschnittlich 23 % der Befragten zieht es vor, auf einzelne Items nicht zu antworten.

Diskussion: Die Studie erreicht hohe Ausschöpfungsquoten und dürfte als repräsentativ für die Medizinstudenten der Universitäten Marburg und Gießen einzustufen sein. Es können erhebliche Wissenszuwächse zum Gesundheitswesen mit der Lehre des Faches Q3 zum Ende des 9.–10. Semesters nachgewiesen werden. Ursache-Wirkungsbeziehungen für den Lern- und Lehrerfolg können jedoch nicht hergestellt werden, zudem bedarf es einer Aktualisierung des Messinstruments für zukünftige Untersuchungen. Die sehr heterogenen Forschungsschwerpunkte der koordinierenden Institute dürften für die variabel ausfallenden Wissenstiefe und -breite verantwortlich sein. Das ist akzeptabel, solange ein Mindestmaß aus dem sehr umfangreichen Gegenstands- und Lernzielkatalog der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) aus dem Jahr 2002 erfüllt bleibt.

Abstract

Aim: In 10/2003, the new approbation regulation (ÄAppO) for physicians became effective and introduced a new cross sectional subject named „health economcis, health care system, public health“. The subject intends to convey basic principles of the regulatory framework of the german health care system. Diverse institutes assumed responsibility for the new lectureship. The aim of the study is to analyze lecture- and learn-achievements and to compare the results of two universities in central Hesse.

Methods: A before-after design was conducted. Measurements were taken at the beginning (T0) and at the end (T1) of the summer semester 2008. Medical students of the 9 – 10th semester from the universities of Marburg (MR) and Gießen (GI) were included. The sample frame was n = 180 in Marburg and n = 148 in Gießen. The questionnaire „Erlanger Lehr- und Studenten-Monitor zur Gesundheitsökonomie (ELSMoG)“ contains 45 Items and measures achieved knowledge related to pharmaceuticals, out- and inpatient care as well as particular items regarding private and statutory health insurances. Item- and index analysis were performed by pooled and university specific assessments.

Results: The response rates for T0 and T1 were 67 % (n = 223) and 87.2 % (n = 286). Substantial increase of knowledge was detected. Salient gaps in knowledge domains of private insurance providers as well as outpatient care were identified. Knowledge differences between universities were identified. A high averaged proportion of 23 % of the students preferred not to answer.

Conclusion: The study deems to be representative for medical students in the 9 – 10th semester of the universities of Marburg and Gießen. Results yield evidence for a substantial increase of knowledge related to the German health care system. Cause and effect relations for the quality of teaching and learning cannot be drawn and the measurement instrument should be actualized for future studies. The heterogeneous research priorities of the numerous institutes may be responsible for the different levels of knowledge and differences between universities. This is acceptable as long as a minimum of the extensive subject catalogue with its learning objectives of the German Society of Social Medicine and Prevention (DGSMP) of the year 2002 remains fulfilled.

 
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