Dtsch Med Wochenschr 1913; 39(12): 542-544
DOI: 10.1055/s-0028-1128256
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur Frage der „Parasyphilis”1)

S. Schoenborn, Medizinalpraktikanten Wilhelm Cuntz
  • Aus der Medizinischen Klinik in Heidelberg. (Direktor: Geheimrat Krehl.)
1) Details und Tabellen vergleiche die Dissertation von W. Cuntz Ueber sogenannte „parasyphilitische” Affektionen innerer Organe Erwachsener. Heidelberg 1912.
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Publication Date:
30 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Die Fourniersche Definition, die ja nie völlig von allen Autoren geteilt wurde, ist heutzutage nicht mehr zu halten. Eine Organaffektion deswegen parasyphilitisch zu nennen, weil sie in klinisch ähnlicher oder gleicher Weise auch auf anderem Boden entstehen kann (Fournier), geht doch nicht mehr an. Die Stütze der klinischen Verwendung dieses Namens waren bisher bei den betreffenden Erkrankungen ihre Nichtheilbarkeit durch Hg und Jod und die Unmöglichkeit eines biologischen Nachweises der Lues. Die letztere ist durch die Wa.R. (auch Zytodiagnose, Nonne-Apelt, Präzipitinausfällung etc.) beseitigt, und die Nichtheilbarkeit durch Hg gewinnt doch ein völlig anderes Aussehen, seitdem wir wissen, wie die Heilung durch Quecksilber bei frischer oder alter Lues überhaupt beschaffen ist. Wie Baginsky für die infantilen Formen rät, „sich von dem unklaren und weitschweifigen Begriff der Parasyphilis loszulösen”, raten auch wir für die Erkrankungen des Erwachsenen dazu. Der Begriff „Parasyphilis” ist vor allem überflüssig geworden. Auch gegenüber einer neuen Auffassung der Parasyphilis von französischer Seite (bei Tabes und Paralyse ist nach Danlos[1)] die ursprünglich stets vorhandene Lues geheilt; die Erkrankung beruht auf der „imprégnation organique” mit Antikörpern) vermögen wir die Notwendigkeit der Beibehaltung des Wortes nicht einzusehen.

Wir glauben, daß es auch in der Neurologie nur eine Frage der Zeit sein wird, Tabes und Paralyse als syphilitische statt als metasyphilitische Erkrankungen des Nervensystems zu bezeichnen.

Nachtrag bei der Korrektur. Schneller, als wir es gedacht hatten, wurde unsere Vermutung hinsichtlich der Paralyse bestätigt. In der Februarsitzung des Aerztlichen Vereins zu Frankfurt a. M. und in der Niederrheinischen Geseilschaft für Natur- und Heilkunde zu Bonn (siehe diese Wochenschrift Nr. li, S. 532) gelangten die Photogramme nach Präparaten Noguchis zur Demonstration, die bei zahlreichen Fällen progressiver Paralyse Spirochäten in der Nähe der Gehirnrinde zeigten. Die Paralyse durfte damit aus der Gruppe „Parasyphilis” ebenfalls zu streichen sein.

1 Diese Wochenschrift 1906, Nr. 19.

1 Diese Wochenschrift 1906, Nr. 19.

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