Dtsch Med Wochenschr 1975; 100(29): 1532-1539
DOI: 10.1055/s-0028-1106417
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Akute Polyneuropathie durch Diphenylhydantoin-Intoxikation

Acute polyneuropathy caused by diphenylhydantoin intoxicationO. Meienberg, O. Bajc
  • Neurologische Station (Leitender Arzt: Dr. A. Meyer) der Medizinischen Klinik, Kantonsspital Luzern (Chefärzte: Prof. Dr. B. Truniger und Privatdozent Dr. F. Nager), und Psychiatrische Klinik Franziskusheim Oberwil/Zug (Chefarzt: Dr. J. Fässler)
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Publication Date:
07 April 2009 (online)

Zusammenfassung

Bei einem 34jährigen Epileptiker, der während mehr als 10 Jahren im Durchschnitt 300 mg Diphenylhydantoin und 200–300 mg Phenobarbital täglich einnahm, trat ein schwerer Status epilepticus auf, der sich nur mit hohen Dosen von Diphenylhydantoin und Phenobarbital intravenös beherrschen ließ. Während dieser Behandlung kam es akut zu einer schweren, vorwiegend motorischen, distal an den Beinen betonten Polyneuropathie, zugleich mit Kleinhirnsymptomen. Die Neuropathie bildete sich im Laufe eines Jahres weitgehend zurück. Die zerebellären Symptome blieben bestehen. Irreversible Kleinhirnschäden durch Diphenylhydantoin wurden wiederholt beschrieben. Akut und subakut auftretende schwere Diphenylhydantoin-Polyneuropathien sind weniger bekannt. Sie scheinen eine gute Rückbildungstendenz nach Absetzen des Medikaments zu haben. Ein antiepileptikabedingter Folsäuremangel als deren Ursache kommt kaum in Betracht. Es bestehen vielmehr Anhaltspunkte für eine direkt toxische Schädigung der peripheren Nerven durch Diphenylhydantoin. Phenobarbital in hohen Dosen hemmt kompetitiv den Abbau von Diphenylhydantoin und hat sehr wahrscheinlich dadurch bei unserem Patienten zur Entstehung der schweren Intoxikation und damit der neurologischen Ausfälle beigetragen.

Summary

In a 34-year-old epileptic male who had been treated for more than ten years with an average of 300 mg diphenylhydantoin and 200–300 mg phenobarbitone daily severe status epilepticus occurred which could only be controlled with high doses of diphenylhydantoin and phenobarbitone intravenously. During this treatment a severe mainly motor polyneuropathy occurred acutely which was more pronounced in the distal parts of the legs, and cerebellar symptoms were noted at the same time. The neuropathy largely regressed during the following year whereas the cerebellar symptoms persisted. There is evidence for direct toxic damage of peripheral nerves due to diphenylhydantoin. Phenobarbitone in high doses inhibits degradation of diphenylhydantoin competitively. In this patient it very likely contributed towards the development of severe intoxication leading to neurological defects.

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