Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(49): 2817
DOI: 10.1055/s-2005-922079
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die obstruktive Schlafapnoe - ein unterschätzter kardiovaskulärer Risikofaktor

Obstructive sleep apnea - an underestimated cardiovascular risk factor B. Sanner1
  • 1Medizinische Klinik, Krankenhaus Bethesda Wuppertal
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Publication Date:
29 November 2005 (online)

Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) ist eine häufige Erkrankung: 17-24 % der erwachsenen Bevölkerung westlicher Industrienationen weisen diese schlafbezogene Atmungsstörung auf, und 2 - 4 % sind am Tage symptomatisch und behandlungsbedürftig. Die wiederholten nächtlichen Apnoen bewirken rezidivierend Hypoxämien, Hyperkapnien, z. T. ausgeprägte intrathorakale Druckschwankungen und wiederholte zentralnervöse Weckreaktionen (sog. Arousals). Diese Pathomechanismen induzieren einen erhöhten nächtlichen Sympathikotonus sowie eine deutliche Störung der autonomen, hämodynamischen, hormonalen und vaskulären Regulation während des Schlafes. Die Thrombozytenfunktion ist gestört und Herzrhythmusstörungen können auftreten.

Mehrere große randomisierte plazebo-kontrollierte Studien der letzten Jahre konnten zeigen, dass es zu einer Beeinflussung des Blutdrucks nicht nur während der Nacht, sondern auch am Tage kommt, so dass sowohl das amerikanische National Institute of Health im JNC 7 Report als auch die Deutsche Hochdruckliga e. V. (Deutsche Hypertonie-Gesellschaft) im Jahre 2003 die OSA als sekundäre Hypertonie-Ursache benannt haben. Aufgrund der hohen Prävalenz stellt sie somit die häufigste beeinflussbare Ursache einer arteriellen Hypertonie dar.

Die OSA hat aber auch negativen Einfluss auf die Entwicklung von pulmonal-arterieller Hypertonie, von zerebro-vaskulären Erkrankungen einschließlich des Schlaganfalls sowie von koronarer Herzerkrankung (KHK) und Herzinfarkt. Patienten mit einer präexistenten KHK sind durch die Koexistenz einer OSA besonders gefährdet. So haben Patienten mit beiden Erkrankungen eine deutlich schlechtere Prognose als solche, die nur eine KHK haben [5]. Mögliche Ursachen für die schlechtere Prognose sind die Triggerung von Arrhythmien, die Akzeleration der präexistenten Atherosklerose, die Verstärkung nächtlicher Ischämien oder die Induktion von Myokardinfarkten über die gleichzeitig gestörte Thrombozytenaggrebilität [6]. In diesem Kontext zu sehen ist die jetzt in diesem Heft publizierte Untersuchung von Junker-Neff et al. (Seite 2816), die aufzeigen konnten, dass bei Patienten mit bislang nicht therapierter OSA eine ausgeprägte zirkadiane Rhythmizität mit einer Häufung von Myokardinfarkten in den Morgenstunden zu dokumentieren ist [3].

In der allgemeinen Bevölkerung ist die Sterblichkeit als Folge eines akuten Myokardinfarktes in den Vormittagsstunden zwischen 6:00 und 12:00 Uhr deutlich erhöht, das niedrigste Risiko besteht während des Schlafes zwischen Mitternacht und 6:00 Uhr [1]. Eine aktuelle Untersuchung konnte aufzeigen, dass Personen mit OSA ein signifikant erhöhtes Risiko eines plötzlichen kardialen Todes während der Schlafzeit zwischen Mitternacht und 6:00 Uhr morgens haben; das relative Risiko im Vergleich zu Nicht-Schlafapnoe-Patienten beträgt 2,57 [2]. 46 % der Patienten, die während dieser Zeitspanne starben, hatten eine OSA.

Die mittlerweile zur Verfügung stehenden Daten lassen den Schluss zu, dass es sich bei der OSA nicht mehr nur um einen Risikoindikator, sondern um einen echten kardiovaskulären Risikofaktor handelt, der auch einem zirkadianen Rhythmus unterliegt. Insbesondere Patienten mit schwerer schlafbezogener Atmungsstörung sind durch kardio-vaskuläre Komplikationen gefährdet. Eine effektive Therapie der Atmungsstörung mit CPAP vermag nicht nur die erhöhte Mortalität dieser Patientengruppe zu senken, sondern auch das kardiovaskuläre Risiko wieder zu normalisieren [4]. Dies unterstreicht die Forderung, schlafbezogene Atmungsstörungen nicht als harmloses Epiphänomen abzutun, sondern ihnen einen Stellenwert in der Evaluation und Therapie von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen einzuräumen.

Literatur

  • 1 Cohen M C, Rohtla K M, Lavery C E, Muller J E, Mittleman M A. Meta-analysis of the morning excess of acute myocardial infarction and sudden cardiac death.  Am J Cardiol. 1997;  79 1512-1516 , [Erratum, Am J Cardiol 1998; 81: 260]
  • 2 Gami A S, Howard D E, Olson E J, Somers V K. Day-night pattern of sudden death in obstructive sleep apnea.  N Engl J Med. 2005;  352 1206-1214
  • 3 Junker-Neff A, Eberle R, Mehilli J, Hollweck R, von Arnim T. Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Schlafapnoesyndrom und der zirkadianen Häufung von Myokardinfarkten in den Morgenstunden?.  Dtsch Med Wochschr. 2005;  130 2816-2820
  • 4 Marin J M, Carrizo S J, Vicente E, Agusti A G. Long-term cardiovascular outcomes in men with obstructive sleep apnoea-hypopnea with or without treatment with continuous positive airway pressure: an observational study.  Lancet. 2005;  365 1046-1053
  • 5 Mooe T, Franklin K A, Holmstrom K, Rabben T, Wiklund U. Sleep-disordered breathing and coronary artery disease: long-term prognosis.  Am J Respir Crit Care Med. 2001;  164 1910-1913
  • 6 Sanner B, Konermann M, Tepel M, Groetz J, Mummenhoff C, Zidek W. Platelet function in patients with obstructive sleep apnoea syndrome.  Eur Respir J. 2000;  16 648-652

Prof. Dr. med. Bernd Sanner

Medizinische Klinik, Krankenhaus Bethesda

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