Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(40): 2282
DOI: 10.1055/s-2005-918564
Leserbriefe

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Eigenverantwortung - Verteilungskriterium im Gesundheitswesen?

Zum Beitrag aus DMW 24/2005K. Toussaint
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Publication Date:
29 September 2005 (online)

Für ihre Übersicht zum Thema „Eigenverantwortung im Gesundheitswesen“ [1] vielen Dank an die Autorin. Einen Aspekt, der aus meiner Sicht ebenfalls zu berücksichtigen ist, möchte ich gerne ergänzen: Die mangelnde Bereitschaft, Geld für Gesundheitsleistungen prospektiv auszugeben, wird damit begründet, dass die Menschen, z. B. aufgrund mangelnder Ausbildung oder Informationen, irrational handeln. Diese besondere Eigenschaft der subjektiven Unterbewertung eines volkswirtschaftlich höherwertigen Gutes nennt man meritorisch. Die These der meritorischen Güter ist meines Erachtens die entscheidende Prämisse für die derzeitige solidarische Organisation unseres Gesundheitswesens, denn sie ist Hauptargument für staatliche Eingriffe in den Gesundheitsmarkt.

Wenn man diese Argumentation zu Ende denkt, so kann eine Eigenverantwortung im Gesundheitswesen nicht primär gefordert und die Nicht-Einhaltung sanktioniert werden, denn die Erkenntnis der fehlenden Eigenverantwortung ist Basis des Solidarsystems. Aus dieser Sicht ist es auch falsch, Gesundheitsleistungen wie Zahnersatz aus der gesetzlichen Krankenversicherung auszugliedern, denn dies muss zwangsläufig zu einer mangelhafteren Zahngesundheit - mit Folgen wie Fehlernährung im Alter - führen.

Nichtsdestotrotz ist es notwendig, die Eigenverantwortung der Patienten zu stärken, was bei flächendeckend greifender Gesundheitsaufklärung volkswirtschaftlich auch wieder Ressourcen freisetzen würde. Falsch wäre, ein gesundheitsschädigendes Verhalten zu tolerieren und zum privaten Problem zu deklarieren.

Als Instrument, die Präventionscompliance zu steigern, böte sich bei Vorsorgeuntersuchungen ein Bonussystem an. Die Verordnung eines Malus bei Rauchen, gefährlichen Sportarten oder Übergewicht läuft aus meiner Sicht den Grundfesten unseres Solidarsystems zuwider.

Literatur

  • 1 Buyx A M. Eigenverantwortung - Verteilungskriterium im Gesundheitswesen?.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 1512-1515

Dr. med. Kai Toussaint

Poppenbüttler Hauptstraße 56b

22399 Hamburg

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