Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(36): 2007
DOI: 10.1055/s-2005-872619
Editorial
Nephrologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Interdisziplinarität der Nephrologie

Interdisciplinarity of nephrologyH. Köhler1
  • 1Klinik für Innere Medizin IV, Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
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Publication Date:
06 September 2005 (online)

Vom 17.-20. September 2005 findet der Kongress für Nephrologie in Saarbrücken statt. Diese gemeinschaftliche Veranstaltung der Gesellschaft für Nephrologie (GfN) und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie (DAGKN) bietet ein Forum für den Grundlagenforscher, den klinischen Wissenschaftler und den Nephrologen in Klinik und Praxis. Schwerpunkte des diesjährigen Kongresses sind die Interdisziplinarität, die Immunologie sowie die Prävention und Früherkennung.

Der inhaltliche Schwerpunkt Interdisziplinarität wurde gewählt, weil die Niere ein beispielhaft „interdisziplinäres“ Organ ist: Die Niere ist ein besonders gut durchblutetes Organ, das von 1/4 des Herzminutenvolumens passiert wird, ein Umstand, der den Nieren ein großes regulatorisches Potential gibt, sie andererseits aber auch Störungen des übrigen Organismus aussetzt. Im Rahmen ihrer exkretorischen Funktion regulieren die Nieren den Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt und steuern somit die Homöostase des Gesamtorganismus. Über ihre endokrine Funktion in Form der Bildung des Erythropoetin, des aktiven Vitamin D und des Renin-Angiotensin-Systems üben sie einen systemischen hormonalen Einfluss aus. Zur Interdisziplinarität trägt außerdem die immunologische Aktivität der Nieren bei. Sie sind sehr anfällig gegenüber systemischen Erkrankungen und ein bevorzugtes Manifestationsorgan von Vaskulitiden und anderen Störungen des Gefäßsystems, wie Bluthochdruck, Arteriosklerose, Diabetes mellitus oder Amyloidose. Zudem kann der niereninsuffiziente Patient sämtliche internistischen und andere Organerkrankungen haben, gelegentlich mehrere gleichzeitig und oft in modifizierter, intensiverer Form. Auch das akute Nierenversagen, meist Folge einer zunehmend invasiven Medizin bei älteren Hochrisikopatienten, trägt zur Interdisziplinarität bei.

Die Prävalenz an Patienten mit terminaler dialyse- oder transplantationspflichtiger Niereninsuffizienz nimmt in der BRD pro Jahr um etwa 5 % zu. In 50 % handelt es sich um Patienten mit Diabetes mellitus, begünstigt durch Übergewicht. Fördernde Faktoren sind der moderne Lebensstil mit Fehlernährung und körperlicher Inaktivität bei übermäßigem Fernseh- und Computerkonsum. Von daher muss ein Schwerpunkt jedes Nephrologenkongresses die Prävention und Früherkennung sein.

Die zunehmende Prävalenz chronischer Nierenerkrankungen mit den daraus erwachsenden gesundheitsökonomischen Problemen macht es erforderlich, dass eine ausreichende Zahl an hochqualifizierten Nephrologen zur Verfügung steht, die im Rahmen der Prävention, Diagnostik und Therapie tätig sind. Somit muss sich ein Nephrologenkongress auch mit gesundheitspolitischen Themen befassen. Die kritisch diskutierte neue Weiterbildungsordnung, die keinen allgemeinen Internisten, sondern nur noch den „Schwerpunktinternisten“ kennt, muss als Chance begriffen und positiv umgesetzt werden:

Der „Internist und Nephrologe“ wird nach der neuen Weiterbildungsordnung in minimal 6 Jahren statt wie bisher in 7 Jahren erworben, ein Umstand, der durch eine Straffung und Strukturierung der Weiterbildung ausgeglichen werden sollte, zumal auch die Nachbarländer mit diesem Zeitrahmen auskommen. Statt wie bisher 2 sind jetzt 3 Jahre im Schwerpunkt zu absolvieren. Dies stärkt den Schwerpunkt und ist für die allgemeine internistische Weiterbildung gerade im Hinblick auf die Nephrologie kein Nachteil, die sich aufgrund ihrer Interdisziplinarität durch einen großen allgemeininternistischen Anteil auszeichnet. Der Schwerpunktinternist verpflichtet kleinere und mittlere Krankenhäuser und auch Universitätskliniken zu mehr Transparenz und Ehrlichkeit. Die Innere Medizin ist in ihrer Breite nicht mehr durch eine Person abzudecken. So werden sich bestimmte Krankenhäuser zusammenschließen müssen, um die Weiterbildung und die Patientenversorgung kompetent zu ermöglichen. Dies erhöht die Qualität der medizinischen Versorgung für den einzelnen Patienten, der künftig hinterfragen wird, ob sein Nierenleiden durch einen Internisten mit Facharztqualifikation behandelt wurde. Die neue Weiterbildungsordnung weist außerdem darauf hin, dass die gesamte Innere Medizin nicht durch 2 - 3 Lehrstühle adäquat vertreten werden kann. Insgesamt wird es entscheidend darauf ankommen, die Weiterbildungszeit klar und verantwortungsvoll zu strukurieren. Es muss unser Ehrgeiz sein, jedem zukünftigen Schwerpunktinternisten die übergreifenden Kenntnisse in der Inneren Medizin zu vermitteln. Dann wird das gemeinsame Band der Inneren Medizin erhalten bleiben und gestärkt werden.

Prof. Dr. Hans Köhler

Direktor der Klinik für Innere Medizin IV, Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Universitätsklinikum des Saarlandes

66421 Homburg/Saar

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