Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(34/35): 1969
DOI: 10.1055/s-2005-872613
Pro & Contra
Gastroenterologie / Chirurgie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Therapie der perianalen Fisteln bei Morbus Crohn: „Früh und radikal operieren”

Surgical therapy of anal fistulae in Crohn’s disease - „early and eradicative“E. C. Jehle1
  • 1Abteilung Allgemein- und Visceralchirurgie, Krankenhaus St. Elisabeth, Ravensburg
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eingereicht: 17.3.2005

akzeptiert: 6.4.2005

Publication Date:
25 August 2005 (online)

Analfisteln sind ein häufiges und keineswegs harmloses Problem bei Morbus Crohn: Bei vielen Patienten überwiegt die anale Symptomatik die abdominellen Symptome, ein symptomatisches Fistelleiden beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich. Das Risiko einer definitiven Stoma-Anlage aufgrund einer nicht beherrschbaren Fistelsymptomatik ist hoch: Nach einer Laufzeit von 20 Jahren liegt es bei 30 - 40 %. Da die Ätiologie des M. Crohn nach wie vor unbekannt ist, gibt es auch für die Analfisteln keine kurative Behandlung.

Ziel der chirurgischen Fisteltherapie ist Symptomfreiheit und Lebensqualität. Die überlieferten Methoden der „radikalen” Fistelchirurgie, nämlich die Fistelspaltung, sind strikt kontraindiziert: Da es sich bei den Analfisteln beim M. Crohn fast ausschließlich um transsphinktäre Fisteln handelt, hat eine Fistelspaltung deletäre, kaum reparable Folgen für die Sphinkterfunktion. Dagegen gibt es eindeutige OP-Indikationen für andere Verfahren: Perianalabszesse sind häufig die erste Manifestation einer Analfistel. Diese Abszesse müssen chirurgisch drainiert werden. Eine antibiotische Therapie ist nicht sinnvoll [1]. Die Fadendrainage („Seton”) stellt eine einfach und effiziente Methode zur Inaktivierung von Fisteln dar. Solche Fäden können als definitive Therapie genutzt und über Monate/Jahre in situ belassen werden; bei Entfernen des Fadens besteht ein hohes Risiko eines symptomatischen Rezidivs. Eine Fadendrainage kann jedoch auch als „Bridging” zu einem plastischen Fistelverschluss dienen [3]. Dieser wird bei inaktivierten Fisteln durchgeführt, meist mittels eines Rektumwandverschiebelappens. Die Rezidivrate nach Fistelverschluss ist nicht unerheblich, insbesondere bei anovaginalen Fisteln [3]. Für die Zeit, in der die Fistel verschlossen ist, erfahren die Patienten jedoch eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität. Bei persistierender Fistelaktivität, die sich mit anderen konservativen und operativen Maßnahmen nicht beeinflussen lässt, oder bei Inkontinenz sollte frühzeitig eine Ileostoma-Anlage erwogen werden [1]. Die Fisteln werden dadurch inaktiviert, die Patienten gewinnen sehr schnell an Lebensqualität. Diese Stomaanlage wird heute meist laparoskopisch durchgeführt. Falls alle anderen chirurgischen und konservativen Behandlungsformen keine Symptomfreiheit bewirken, kann als Ultima ratio eine Proktektomie mit Erhalt des Sphinkterapparates durchgeführt werden [1].

Die chirurgische Fistelbehandlung muss eingebettet sein in ein interdisziplinäres Behandlungskonzept. Ein Algorithmus hierfür wurde in den Leitlinien der DGVS zur Diagnostik und Therapie des M. Crohn 2003 erarbeitet [1]: Einfache sezernierende Fisteln können antibiotisch (Metronidazol, Ciprofloxacin) behandelt werden, allerdings nur über wenige Wochen; bei Persistenz der Symptomatik sollte chirurgisch eine Fadendrainage durchgeführt werden. Sollte dies nicht effektiv sein, muss vor Erweiterung der immunsuppressiven Therapie (Azathioprin, Methotrexat), auf jeden Fall jedoch vor Anwendung von Infliximab die Stomaanlage erwogen werden: Infliximab ist immer nur ein „Bridging”; die „verschlossenen” Fisteln sind - endosographisch nachweisbar - nach wie vor vorhanden [4]; alle unter Infliximab „verschlossenen” Fisteln rezidivierten nach 90 Tagen. Die Infliximab-Therapie ist für den Patienten gefährlich: 6 % äußerst schwere Nebenwirkungen und 1 % Todesfälle in der Behandlungsserie der Mayo-Klinik [2].

Fazit: Analfisteln nicht „früh und radikal operieren”, sondern rechtzeitig, mit klarer Indikationsstellung, mit schonenden Methoden und eingebettet in ein multimodales Konzept.

Literatur

  • 1 Buhr H J, Kroesen A J, Stange E F. Diagnostik und Therapie des M. Crohn - Ergebnisse einer evidenzbasierten Konsensuskonferenz der DGVS. Chirurgie - Fisteln.  Z Gastroenterol. 2003;  41 43-49
  • 2 Colombel J F. et al . The safety profile of infliximab in patients with CrohnŽs disease: the Mayo clinic experience in 500 patients.  Gastroenterology. 2004;  126 19-31
  • 3 Makowiec F, Jehle E C, Becker H D, Starlinger M. Clinical course of transanal advancement flap repair of perianal fistula in patients with CrohnŽs disease.  Br J Surg. 1995;  82 603-606
  • 4 van Bodegraven A A. et al . Endosonographic evidence of persistence of CrohnŽs disease-associated fistulas after infliximab treatment, irrespective of clinical response.  Dis Colon Rectum. 2002;  45 39-46

Prof. Dr. Ekkehard C. Jehle

Abteilung Allgemein- und Visceralchirurgie, Krankenhaus St. Elisabeth, Oberschwabenklinik

Elisabethenstraße 12

88212 Ravensburg

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