Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(23): 1466
DOI: 10.1055/s-2005-870841
Leserbriefe

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Typische Angina-pectoris-Beschwerden ohne koronare Makroangiopathie

Zum Beitrag aus DMW 15/2005L. L. Schute
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Publication Date:
01 June 2005 (online)

Eine gründliche Anamnese führt bekanntlich in rund 85 % zur richtigen Diagnose. In der interessanten Kasuistik von Grönke et al. [1] vermisst man angesichts der 2 Monate vorher erfolgten Gefäßdilatation mit Stentversorgung einer pAVK (periphere, arterielle Verschlusskrankheit), dem „Raucherbein“ mit fast immer vorausgegangenem jahrzehntelangen Nikotinabusus, das auch kaum ohne gleichzeitige KHK (Koronare Herzkrankheit) vorkommt, Angaben zur

familiären Belastung: Diabetes? KHK? zu eigenen Risikofaktoren: Nikotin, Alkohol, Bewegung, maximale Gehstrecke, erektile Dysfunktion? zu den Blutfettwerten: Gesamt-Cholesterin, HDL-, und LDL-Cholesterin, Lp(a)? zum Zuckerstoffwechsel: OGTT (oraler Glukosetoleranztest)? zur Therapie: Allgemeinmaßnahmen, Art, Dosis und Applikationsform der Medikamente („langwirksames Nitrat“) im Rahmen der erfolglosen 6-monatigen Initialtherapie.

Lediglich in der Diskussion liest man leicht erstaunt: „im konkreten Fall ... wurde ausdrücklich auf eine Nikotinabstinenz hingewiesen“.

Schon länger ist bekannt, dass in einem hohen Prozentsatz vulnerable Plaques angiographisch zunächst unverdächtig erscheinender Koronarbezirke häufig Auslöser akuter Myokardinfarkte sind. Trotzdem gelten Koronarverengungen unter 70 % immer noch im Allgemeinen als interventionell nicht therapiepflichtig. Um auch diese, bei Verwendung üblicher Technik bislang unauffälligen, aber pathologisch veränderten Gefäßwandprozesse zu erkennen, wurde die IVUS, die intravaskuläre Ultraschallendoskopie, eingesetzt. Damit lassen sich bei fehlender Lumeneinengung evtl. klinisch relevante, in die Gefäßwand eingelagerte Cholesterinplaques gut erkennen. Leider ist dieses Verfahren für den Routineeinsatz jedoch (noch) zu teuer, da für jede Untersuchung nur einmal verwendbare US-Katheter erforderlich sind. Außerdem ist der Zeitaufwand erheblich größer.

Die Annahme eines „Syndrom X“ mit Mikroangiopathie als Ursache im beschriebenen Falle erscheint somit ohne weitere Angaben nicht hinreichend begründet, zumal diese meist auf Ruhe, Betablocker und Nitrate anspricht [2]. Seit langem ist bekannt, dass eine Mikroangiopathie fast ausschließlich bei Diabetikern (oft mit autonomer Polyneuropathie gekoppelt) und beim Metabolischem Syndrom [3], ihrer „Vorläufererkrankung“, vorkommt, eine Fundusuntersuchung deshalb klar indiziert (gewesen) wäre. Extrem selten wird eine Mikroangiopathie auch bei chronischem Alkoholismus, Schwermetallvergiftung (Blei) und bei der Polyneuropathia carcinomatosa [4] beobachtet.

Literatur

  • 4 Grönke S. et al . Typische Angina-pectoris-Beschwerden ohne koronare Makroangiopathie.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 942-945
  • 1 MSD-Manual. 6. deutsche, entsprechend der 17. amerikanischen Auflage 1999/2000. Urban & Fischer 200, 2015
  • 2 Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. 259. Auflage Walter de Gruyter 2002: 1063, 1337, 1624
  • 3 Roche Lexikon .Medizin. 2. Auflage Urban & Schwarzenberg, München 1984/1987: 1381

Dr. med. Lothar L. Schute

Chefarzt i. R., Internist, Radiologe, Sportmedizin

Südring 56

63500 Seligenstadt

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