Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(16): 1029
DOI: 10.1055/s-2005-866784
Leserbriefe

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Intensivmedizin: Wer darf, wer muss? - Erwiderung

E. Erdmann
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Publication Date:
26 April 2005 (online)

1. Hochleistungsmedizin ist komplex, zeitaufwendig und teuer geworden [1]. Das gilt auch und besonders für die intensivmedizinische Behandlung in den konservativen und chirurgischen Fächern. Wenn Kliniksleitungen neuerdings vorwiegend aus Kostengründen eine Zentralisierung von früher fachspezifischen Intensivstationen betreiben, dann sollte man den potenziellen Nutzen gegenüber den möglichen Nachteilen kritisch abwägen. Natürlich leuchtet es dem Laien ebenso wie dem befangenen eventuellen Leiter einer derartigen zentralen „Großintensivklinik“ ein, dass die Anästhesiologen „geborene“ Intensivmediziner sind, können Sie doch mit dem intubierten und künstlich beatmeten Kranken gut umgehen. Der Fortschritt der Intensivmedizin der letzten Jahre ist aber wesentlich von den entsprechenden Fachkollegen (Neurologen, Kardiologen, Herzchirurgen, etc.) erarbeitet worden, weil deren spezifische, aus ihrem Fach kommenden Kenntnisse oft sogar zum Paradigmenwechsel geführt haben. Noch gibt es keinen Facharzt ausschließlich für Intensivmedizin! Für die ärztliche Behandlung von Intensivpatienten ist der intensivmedizinisch erfahrene Gebietsarzt zuständig, zu dessen Gebiet das zur kritischen Erkrankung führende Grundleiden gehört. Ein „Intensivmediziner“, der verantwortlich sowohl die sofortige Koronaroplastie, als auch die Behandlung komplexer Herzrhythmusstörungen oder die Therapie nach Knochenmarkstransplantation behandeln müsste, wäre auch überfordert. Deshalb sind die Vorstellungen unseres geschätzten Kollegen Börner sehr kritisch zu sehen. Wenn sich aus der Anästhesiologie kommende Intensivmediziner bei jedem oder jedem zweiten Patienten den entsprechenden Facharzt täglich zum Konsil holten, senkte das die Kosten gewiß nicht! Die klinischen Vorstände werden bei ihren aktuellen Zentralisierungsbestrebungen immer willige Mitarbeiter finden, die gerne eine neu geschaffene, zentrale Einheit leiten möchten. Dazu hat Schumpelick [2] wirklich Bemerkenswertes gesagt. Wir meinen, dass nur eine kollegiale Zusammenarbeit die Intensivmedizin weiter voranbringt. Dort, wo hochspezialisierte, fachlich anspruchsvolle Behandlungen (z. B. 24-h-Koronardilatationsbereitschaft) gebraucht werden, müssen diese Ärzte auch die organisatorische Leitung haben.

2. Zur Zuschrift des Kollegen Linde möchten wir hinzufügen, dass die Situation an kleineren Krankenhäusern selbstverständlich eine völlig andere ist als an einer Universitätsklinik bzw. einem Großklinikum der Maximalversorgung. Er als Chefarzt der Anästhesiologie am Evangelischen Krankenhaus Mettmann mit 8 Betten der interdisziplinären Intensivstation für das gesamte Krankenhaus sieht seine Situation unseres Erachtens völlig richtig. Wir in Köln mit 23 internistischen, 9 neurologischen, 15 neurochirurgischen, 13 herzchirurgischen, 13 allgemeinchirurgischen und 11 anästhesiologischen Intensivbetten haben etwas andere Probleme und warnen deshalb vor einer zentralen Intensiv- und Notfallmedizin, also einer Großstation mit 84 Intensivbetten. Die Rechtsprechung könnte in dieser Konstellation einen Organisationsfehler feststellen. „Ein Organisationsverschulden liegt vor, wenn Qualitätsmängel gegen die Pflicht sachgerechter Organisation und Koordination der Behandlungsabläufe nachweisbar sind“ [3].

Literatur

  • 1 Erdmann E, de Vivie E R. Intensivmedizin: Wer darf, wer muss?.  Dtsch Med Wochenschr. 2005;  130 44-45
  • 2 Schumpelick V. Das Konzept des modularen Krankenhauses am Universitätsklinikum Aachen. Fortschritt oder Irrweg?.  Der Chirurg BDC. 2004;  12 M334
  • 3 Krause A, Nierhoff A. Krankenhaushaftung. Deutsche Krankenhaus Verlagsgesellschaft, Düsseldorf in: Bergmann, Kienzle (Hrsg) 2003: 193-197

Prof. Dr. med. Erland Erdmann

Direktor der Klinik III für Innere Medizin, (Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und, Internistische Intensivmedizin)

Joseph-Stelzmann-Straße 9

50924 Köln

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