Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(1/2): 23-24
DOI: 10.1055/s-2005-837369
Pro & Contra

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Internistische Laparoskopie - Contra

Non-operative diagnostic laparoscopy - contraC. Nies1
  • 1Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie, Marienhospital Osnabrück
Further Information

Publication History

eingereicht: 15.11.2004

akzeptiert: 8.12.2004

Publication Date:
23 December 2004 (online)

Den ersten Kontakt mit der diagnostischen Laparoskopie hatte ich während meines Pflegepraktikums Ende der siebziger Jahre. Eine etwa 50 Jahre alte Frau war zur Diagnostik wegen unklarer Schmerzen im rechten Oberbauch stationär aufgenommen worden. Nachdem man zunächst keine befriedigende Erklärung für die Beschwerden finden konnte, entschloss man sich zur diagnostischen Spiegelung der Bauchhöhle. Ich erinnere mich noch gut an die deutlich vergrößerte Gallenblase, deren Wand von vielen großen Konkrementen unregelmäßig vorgewölbt wurde. Die Gallenblase wurde einige Tage später entfernt und die Patientin war anschließend beschwerdefrei.

Sicher war dies auch damals keine besonders gute oder typische Indikation für eine Laparoskopie. Dennoch zeigt das Beispiel, wie groß der diagnostische Zugewinn war, der damals mit dieser Methode erzielt werden konnte - zu einer Zeit, als Sonographie und Computertomographie noch in den Kinderschuhen steckten.

Seitdem hat sich viel verändert. Insbesondere die rasante Entwicklung und Perfektionierung der modernen Schnittbildverfahren hat den Stellenwert der diagnostischen Laparoskopie erheblich verändert. Ein Vielzahl von Fragen, die früher mit Hilfe der Laparoskopie beantwortet wurden, lassen sich heute nicht-invasiv durch die bildgebende Diagnostik klären. Auch der unklare Aszites kann heute durch eine Reihe von laborchemischen und zytologischen Untersuchungen zuverlässig abgeklärt werden [5].

Eine weitere entscheidende Entwicklung, die die „internistische” Laparoskopie zunehmend in den Hintergrund drängte, war die Einführung der minimal-invasiven Operationsverfahren. Im Rahmen von laparoskopischen chirurgischen Eingriffen fällt die diagnostische Bauchhöhlenspiegelung gewissermaßen als Nebenprodukt mit an. Andererseits kann bei verschiedenen Erkrankungen (z. B. Magenkarzinom oder Pankreaskarzinom) der therapieentscheidende diagnostische Schritt (Nachweis oder Ausschluss von kleinen Lebermetastasen bzw. einer Peritonealkarzinose) unmittelbar vor der geplanten Operation - also in gleicher Narkose - erfolgen. Zudem bietet die operative Laparoskopie auch mehr diagnostische Möglichkeiten als die „internistische” Laparoskopie. Über zusätzliche Trokare können Arbeitsinstrumente in die Bauchhöhle eingebracht werden, mit deren Hilfe beispielsweise die Bursa omentalis für eine weitergehende Beurteilung eröffnet werden kann, kleine Lebermetastasen für eine histologische Untersuchung gezielt exzidiert oder Lymphknoten entfernt werden können.

Vor diesem Hintergrund ist es überraschend, dass es - wie Weickert et al. in einer Arbeit in diesem Heft beschreiben - wieder zu einer Zunahme der rein diagnostischen „internistischen” Laparoskopie kommt. Warum ist dies der Fall? Leistet die „internistische” Laparoskopie heute mehr als noch vor einigen Jahren? Als einen der wesentlichen Gründe für diesen neuen Trend führen die Autoren die relativ neue Technik der Mini-Laparoskopie an. Statt mit einem Standard-Laparoskop kann die Untersuchung heute auch mit einem 2-mm-Laparoskop durchgeführt werden. Diese Begründung muss den kritischen Leser etwas verwundern. Über eine ähnliche und zurecht vielfach kritisierte Entwicklung wurde kurz nach Einführung der minimal-invasiven Cholezystektomie berichtet [6]. Seinerzeit wurde in Maryland, wo ein landesweites Operationsregister geführt wird, eine erhebliche Zunahme der Zahl von Cholezystektomien beobachtet. Ohne Zweifel war dies Ausdruck einer Indikationsausweitung. Es wurden offensichtlich Patienten laparoskopisch operiert, für die zur Zeit der ausschließlich konventionellen Gallenblasenentfernung keine Indikation gesehen wurde.

Warum sollten also mehr diagnostische Laparoskopien durchgeführt werden, nur weil statt einer 10 mm-Inzision für das Laparoskop nur noch ein 2  mm langer Schnitt benötigt wird? Die Indikation für eine invasive Maßnahme darf nicht entscheidend von der Eingriffstechnologie bestimmt werden, insbesondere nicht, wenn es um so marginale Unterschiede geht. Leider wird in der Arbeit von Weickert et al. die eigentliche wesentliche Frage zur Beurteilung der Methode nicht gestellt: Welcher diagnostische Zugewinn wurde durch den Einsatz der diagnostischen Laparoskopie erzielt und wie häufig wurde das weitere Management des Patienten durch diese Untersuchung geändert?

Stattdessen beschränkt sich die Arbeit auf die Analyse der Komplikationen. Zweifellos ist die Komplikationsrate ein wichtiger Parameter zur Beurteilung einer ärztlichen Maßnahme. Aber ist es wirklich neu und berichtenswert, dass die diagnostische Laparoskopie insgesamt mit einer relativ geringen Komplikationsrate assoziiert ist und dass die Mini-Laparoskopie zu keinem Anstieg der Komplikationsrate geführt hat? Zudem handelt es sich um eine überwiegend retrospektive Datenerhebung, so dass die Datenqualität sicher nicht optimal ist. Nur für eine kleinere Patientengruppe fand eine prospektive Dokumentation statt. Eine Definition der einzelnen Komplikationen in einem Studienprotokoll wurde offenbar ebenfalls nicht vorgenommen. Eine solche prospektive Definition ist jedoch erforderlich, um Komplikationen umfassend und objektiv unter Vermeidung von Biaseffekten zu erfassen [3].

Zudem ist die Komplikationsrate, über die hier berichtet wird, bei näherer Betrachtung nicht so niedrig und „akzeptabel” wie die Autoren in ihrer Schlussfolgerung konstatieren. Drei Todesfälle bei 675 Untersuchungen entsprechen ungefähr der Mortalität der laparoskopischen Cholezystektomie - ein zweifelhaftes Ergebnis für eine rein diagnostische Maßnahme.

Allerdings traten alle Todesfälle bei Patienten mit einer Leberzirrhose im Stadium Child-Pugh C auf, so dass sich für alle anderen Patienten eine Null-Mortalität ergibt.

Der Risikofaktor „Leberzirrhose im Stadium Child-Pugh C” verdient eine weitergehende Betrachtung. Insgesamt 20 der untersuchten Patienten wiesen diesen Risikofaktor auf, drei von ihnen starben, entsprechend einer Mortalität von 15 % in dieser Subgruppe. Die Schlussfolgerung der Autoren, dass deshalb bei einer Leberzirrhose in diesem Stadium „eine internistische Laparoskopie nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden” sollte, ist für einen Chirurgen, der sicherlich häufiger mit Komplikationen und Todesfällen infolge invasiver Maßnahmen umgehen muss, überraschend. Die Letalitätsrate von 15 % ist mindestens dreimal so hoch wie eine noch akzeptable Letalität nach Whipplescher Operation und eindeutig höher als die Sterblichkeit nach Ösophagektomien. Die richtige Schlussfolgerung aus den vorgelegten Daten müsste daher lauten, dass eine diagnostische Laparoskopie bei einem Patienten mit einer Leberzirrhose im Stadium Child-Pugh C kontraindiziert ist.

Vermutlich ist es für nicht operativ tätige Mediziner nicht so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, welche Bedeutung Voroperationen und die infolgedessen zu erwartenden peritonealen Adhäsionen für nachfolgende Eingriffe haben. Eine Relaparotomie erfordert besondere Sorgfalt, um Darmverletzungen zu vermeiden. Das „blinde” Einstechen einer Veress-Nadel oder eines Trokars in eine Bauchhöhle, in der nach einer Magenresektion mit Verwachsungen zu rechnen ist, erfordert Glück und Gottvertrauen, um eine Komplikation zu vermeiden. Auf beides kann ein Arzt nicht immer bauen, und so wundert es nicht, dass in der Arbeit von Weickert et al. von einer operationspflichtigen Darmverletzung berichtet wird. Verschiedene technische Entwicklungen haben dieser Gefahr Rechnung getragen. So werden die meisten Chirurgen nach einer vorangegangenen BII-Magenresektion die Peritonealhöhle über einen geringfügig längeren Schnitt unter Sicht eröffnen und anschließend einen so genannten blunt-tip-Trokar einführen, mit dem die Bauchdecke abgedichtet wird, so dass anschließend ein Pneumoperitoneum angelegt werden kann [1] [2] [4]. Bei einem Einstich ohne optische Kontrolle würde man die Einstichstelle durch Umsetzen des Laparoskops in einen anderen Trokar kontrollieren, um eine Darmverletzung nicht zu übersehen.

Fazit

Das Motto der nächsten Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Chirurgie lautet „Patientensicherheit - primum nil nocere”. Dieser Grundsatz gilt für jedes ärztliche Handeln, sowohl für die rein technische Durchführung einer Maßnahme als auch für die Entscheidung, den Eingriff zu unterlassen oder ihn durchzuführen. Ohne Zweifel gibt es gute Indikationen für die diagnostische Laparoskopie, aber in jedem Fall sollten Nutzen und Risiko gut gegeneinander abgewogen werden. Wenn technische Weiterentwicklungen mit vernachlässigbaren Vorteilen für den Patienten genutzt werden, um durch die Ausweitung der Indikation für eine invasive Maßnahme verloren geglaubtes Terrain zurück zu gewinnen, ist der Patient vermutlich der Leidtragende.

Literatur

  • 1 Gersin K S, Heniford B T, Arca M J, Ponsky J L. Alternative site entry for laparoscopy in patients with previous abdominal surgery.  J Laparoendosc Adv Surg Tech A. 1998;  8 125-130
  • 2 Gett R M, Joseph M G. A safe technique for the insertion of the Hasson cannula.  Aust N Z J Surg. 2004;  74 797-798
  • 3 Menke H, John K D, Klein A, Lorenz W, Junginger T. Präoperative Risikoeinschätzung mit der ASA-Klassifikation - Eine prospektive Untersuchung zu Morbidität und Letalität in verschiedenen ASA-Klassen bei 2937 Patienten mit allgemeinchirurgischen Operationen.  Chirurg. 1992;  63 1029-1034
  • 4 Patel M, Smart D. Laparoscopic cholecystectomy and previous abdominal surgery: a safe technique.  Aust N Z J Surg. 1996;  66 309-311
  • 5 Paumgartner G, Gerbes A L. Differentialdiagnose und pathophysiologische Grundlagen des Ascites.  Chirurg. 1993;  64 1-6
  • 6 Steiner C A, Bass E B, Talamini M A, Pitt H A, Steinberg E P. Surgical rates and operative mortality for open and laparoscopic cholecystectomy in Maryland.  N Engl J Med. 1994;  218 129-137

Prof. Dr. Christoph Nies

Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie, Marienhospital Osnabrück

Johannisfreiheit 2-4

49074 Osnabrück

Phone: 0541/3264252

Fax: 0541/3264256

Email: christoph.nies@mhos.de

    >