Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(36): 1869-1872
DOI: 10.1055/s-2004-831352
CME

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Schlaganfall - Therapie

Stroke - therapyW. Habscheid1 , P. Winklmaier2
  • 1Medizinische Klinik, Paracelsus-Krankenhaus, Ostfildern
  • 2Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie, Städtische Kliniken Esslingen
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Prof. Dr. med. Wolfgang Habscheid

Medizinische Klinik Paracelsus-Krankenhaus

Hedelfingerstraße 166

73760 Ostfildern

Phone: 0711/4488350

Fax: 0711/44884549

Email: wolfgang.habscheid@t-online.de

Publication History

eingereicht: 2.6.2004

akzeptiert: 22.7.2004

Publication Date:
15 September 2004 (online)

Table of Contents

Die folgende Abhandlung beschränkt sich auf die Darstellung der Therapieprinzipien des ischämischen Insultes, der mit über 80 % die weit überwiegende Mehrzahl der Schlaganfälle ausmacht.

Ziel der Akuttherapie ist es, den klinischen Zustand zu stabilisieren, das neurologische Defizit zu bessern, Komplikationen zu vermeiden sowie Maßnahmen einzuleiten, die den Grad der bleibenden Behinderung minimieren und weitere vaskuläre Ereignisse verhindern.

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Notfallversorgung

Der Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall. Unabhängig von der Durchführung einer Lysetherapie verbessert eine frühzeitige fachgerechte Betreuung die Prognose deutlich. Neben der Optimierung des Notarztwesens ist die Aufklärung der Bevölkerung über Frühsymptome wesentlich, um eine schnelle Krankenhausbehandlung zu erreichen. Vom Notarzt sollte die nächste Klinik angefahren werden, die die Voraussetzungen für die Behandlung von Schlaganfällen erfüllt. Während des Transportes steht die Überwachung der Vitalparameter im Vordergrund. Akut bedrohliche Rhythmusstörungen bedürfen der Behandlung. Die Verabreichung von Sauerstoff wird empfohlen. Ein erhöhter Blutdruck soll nur bei Extremwerten (> 220 mmHg systolisch, > 110 mmHg diastolisch) oder zwingenden Begleitumständen (z. B. Herzinfarkt, Lungenödem) langsam gesenkt werden. Wegen der Gefahr einer Hyperglykämie sollen über einen venösen Zugang keine glukosehaltigen Lösungen verabreicht werden.

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Schlaganfallstation

Die Prognose von Schlaganfallpatienten kann durch Behandlung auf Spezialstationen („Stroke Units”) deutlich verbessert werden. Aufgabe einer Schlaganfallstation ist die rasche Diagnose und Klassifikation des Insultes, die Überwachung und Korrektur der Vitalparameter in der Akutphase, die umgehende Therapieeinleitung, die frühe Erkennung und Behandlung von Komplikationen, die Einleitung einer an der Pathogenese des Insultes orientierten Sekundärprophylaxe, die rasche strukturierte Frühmobilisation und, wenn nötig, die nahtlose Verlegung in eine Rehabilitationseinrichtung.

In einer kollaborativen Datenanalyse wurde belegt, dass auf einer „Stroke Unit” Behandelte eine um 18 % signifikant geringere Letalität aufweisen. Der Endpunkt Tod oder Heimunterbringung wurde um 25 %, das Kriterium Tod oder Abhängigkeit um 29 % seltener erreicht [7]. Folgt man den Daten, so müssen 22 Patienten behandelt werden, um einen Todesfall, 14 um eine Heimunterbringung und 16 um eine Pflegebedürftigkeit zu verhindern.

Der positive Effekt von „Stroke Units” ist nicht durch eine einzelne Behandlungsmaßnahme bedingt, sondern Ergebnis einer Organisationsform, die gewährleistet, dass an einem definierten Ort in der Klinik eine hohe Fachkompetenz für das Krankheitsbild konzentriert ist. Wesentlich ist die Schaffung eines interdisziplinären Teams, bestehend aus Ärzten (Internist, Neurologe, Radiologe), Pflegekräften, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Sprachtherapeuten und Sozialarbeitern. Dieses Team gewährleistet durch sinnvolle Organisation, Spezialisierung und Schulung eine hochqualitative Versorgung auf dem Stand derzeit gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse.


kurzgefasst: Der Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall, der umgehend einer stationären Abklärung und Behandlung bedarf. Die Behandlung auf spezialisierten Stationen („Stroke Units”) verbessert die Prognose.

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Akutbehandlung

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Überwachung der Vitalparameter

Um Komplikationen frühzeitig erkennen zu können, sollen bei jedem Insultpatienten neben der engmaschigen klinischen Beobachtung Blutdruck, EKG, Sauerstoffsättigung und Atmung in den ersten Tagen durch ein Monitorsystem erfasst werden. Blutzucker und Körpertemperatur müssen engmaschig kontrolliert werden.

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Allgemeinmedizinische Behandlung

Wenngleich durch randomisierte Studien bisher nicht belegt, ist aufgrund des Penumbrakonzeptes die konsequente Durchführung allgemeinmedizinischer Maßnahmen von wesentlicher Bedeutung [1].

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Blutdruckmanagement

Zirka 80 % der Schlaganfallpatienten haben zum Zeitpunkt der Aufnahme erhöhte Blutdruckwerte, die nach etwa 10 Tagen spontan auf das vor dem Akutereignis liegende Niveau abfallen. Aussagekräftige Studien zur optimalen Blutdruckeinstellung im Akutstadium des zerebralen Insultes fehlen. Da aufgrund gestörter Autoregulation die Durchblutung im ischämisch geschädigten Hirnareal direkt vom systemischen Blutdruck abhängig ist, wird in den ersten Tagen eine hochnormale Blutdruckeinstellung empfohlen. Eine Drucksenkung ist bei Fehlen anderer Indikationen (z. B. Herzinsuffizienz, Herzinfarkt, Pektangina, hypertensive Enzephalopathie) nur bei Vorliegen von Extremwerten (systolisch > 220 mmHg, diastolisch > 120 mmHg) indiziert. Hierbei ist auf eine langsame Senkung (z. B. Captopril 6,2 - 12,5 mg oral, Urapidil 10 - 50 mg i. v., kein Nifedipin oral) zu achten. Niedrige Blutdruckwerte verschlechtern die Prognose. Eventuell therapierbare, zur Hypotonie führende kardiale Ursachen (Rhythmusstörungen, Herzinsuffizienz) müssen angegangen werden. Bei Exsikkose werden Flüssigkeits- und Kolloidlösungen parenteral substituiert. Gegebenenfalls werden Katecholamine eingesetzt.

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Atemfunktion

Bei ausreichender Sauerstoffzufuhr und Freihaltung der Atemwege ist eine Sauerstoffsättigung zwischen 95 und 100 % bei Normokapnie anzustreben. Die Indikation zur Intubation wird bei bewusstseinsgetrübten Patienten mit erloschenen Schutzreflexen und bei Hyperkapnie (pCO2 > 50 mmHg) unter Würdigung der Prognose und Beachtung der Gefahr der Hypotonie, gestellt.

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Temperatur

Fieber verschlechtert die Prognose von Schlaganfallpatienten. Auch wenn prospektive Studien fehlen und unklar ist, ob die erhöhte Temperatur ursächlich zur Verschlechterung beiträgt oder lediglich ein Prognoseindikator ist, soll sie medikamentös (Paracetamol) oder physikalisch (Wadenwickel) gesenkt werden.

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Blutzucker

Sowohl erhöhte als auch zu niedrige Blutglukosewerte verschlechtern die Prognose. Die Zuckerwerte sollten nicht unter 100 mg/dl absinken und 150 - 200 mg/dl nicht überschreiten. Da unter der Stresssituation des akuten Insultes Hyperglykämien auch bei bisher normoglykämischen Patienten häufig sind, sollten glukosehaltige Infusionen in der Initialphase vermieden werden. Der Blutzucker bedarf in den ersten Tagen routinemäßig einer engen Überwachung und muss gegebenenfalls (> 200 mg/dl) durch Insulingabe gesenkt werden.

Neben den genannten sind weitere Maßnahmen der „Basistherapie” zuzuordnen: Ausgleich von Elektrolyt- und Flüssigkeitsdysbalancen, Thromboseprophylaxe mit unfraktioniertem oder niedermolekularem Heparin und Kompressionsstrümpfe, frühzeitige aktive sowie passive Mobilisation, Therapie von Schluckstörungen, Sprachtherapie und Einhaltung hier nicht näher zu erörternder Pflegestandards.

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Rekanalisierende Therapie

Ziel ist eine möglichst schnelle Wiedereröffnung des verschlossenen Hirngefäßes, um die anfangs noch reversibel geschädigte Penumbraregion des Infarktes vor dem Untergang zu bewahren.

Eine systemische Lysebehandlung mit rt-PA, verabreicht innerhalb eines Zeitfensters von 3 Stunden ist wirksam. Nach den Daten der NINDS-Studie [8] haben behandelte Patienten trotz eines erhöhten Risikos symptomatischer intrazerebraler Blutungen eine 30 % höhere Wahrscheinlichkeit kein oder ein nur minimales neurologisches Defizit davon zu tragen. Die Mortalität wird nicht beeinflusst. Die NNT („number needed to treat”) liegt bei 8,4. Bisher konnte in Studien die Effektivität der Lysetherapie jenseits der 3-Stunden-Grenze nicht überzeugend nachgewiesen werden, so dass das Präparat für das genannte Zeitintervall in Deutschland zugelassen ist. Ob es möglich ist, durch Bestimmung des „tissue at risk” mit dem Diffusions- und Perfusions-MRT das Zeitfenster zu erweitern, ist Gegenstand laufender Untersuchungen.

Neben dem passenden Zeitintervall (unter 3 Stunden) und der klinischen Diagnose eines zerebralen Insultes mit adäquatem neurologischen Defizit (z. B. mittelschweres Hemisphärensyndrom wie Hemiparese, Aphasie, NIHS-Scale < 22 als Maß des Schweregrades), ist der Ausschluss einer Blutung durch CT Basisvoraussetzung für die Einleitung einer Lysebehandlung. Zusätzlich müssen eine Reihe von Kontraindikationen beachtet werden (z. B. fixierte Hypertonie, Zustand nach früherer Hirnblutung usw.), die hier nicht im Detail aufgeführt werden können. Phase IV-Erhebungen belegen die Übertragbarkeit der Studienergebnisse in die Praxis, zeigen aber auch, dass bei Nichteinhaltung der strengen Indikationskriterien (insbesondere des Zeitfensters) die Komplikationsrate deutlich steigt.

Über den Stellenwert und die Risiken einer Lysetherapie berichtet eine im Jahr 2000 durchgeführte Erhebung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlaganfallregister [4].

2,9 % aller und 10,4 % der innerhalb einer 3-Stunden-Grenze eingelieferten Patienten wurden einer systemischen Lysebahndlung unterzogen. In Zentren mit weniger als fünf Lysetherapien pro Jahr lag die Sterblichkeit der behandelten deutlich über der einer schweregradadjustierten Vergleichsgruppe. Auch wenn nach der erfolgten Zulassung der Zugang zur Lysetherapie sich verbessert hat, und durch Optimierung der Behandlungsabläufe das Zeitintervall weiter verkürzt werden kann, belegt die Untersuchung, dass die Lysetherapie wahrscheinlich auch in Zukunft nur bei einer kleinen Zahl von Patienten angewandt werden kann und der Patient nur dann einen Vorteil hat, wenn sie von geübter Hand angewandt wird.

Die intraarterielle lokale Lyse von Verschlüssen der A. cerebri media ist innerhalb eines Zeitfensters von 6 Stunden wirksam. Auch wenn prospektive Studien fehlen, lassen kleinere Falluntersuchungen einen Therapieversuch bei der prognostisch ungünstigen Basilaristhrombose in einem Zeitfenster bis 12 Stunden indiziert erscheinen.

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Frühe Sekundärprävention

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Heparin

Während die Verabreichung niedrig dosierten Heparins zur Thromboseprophylaxe allgemein akzeptiert und mit keinem wesentlichen Blutungsrisiko verbunden ist, ist bei der Anwendung therapeutischer Dosierungen mit einer 2 - 3fach höheren Rate schwerer (insbesondere zerebraler) Haemorrhagien zu rechnen. Studien konnten bisher keinen Effekt therapeutischer Dosierungen auf Frührezidiv, Progress des neurologischen Defizites und Behandlungsergebnis nachweisen [2]. Dies gilt auch für Patienten mit Vorhofflimmern. Wenngleich nicht belegt, so ist eine therapeutische Heparinbehandlung nach vorherigem Ausschluss einer zerebralen Blutung aber bei einer Reihe von Indikationen als Einzelentscheidung vertretbar (Tab. 1).

Tab. 1 Therapeutische Heparintherapie (nicht durch Studien gesichert).

Mögliche Indikationen

  • kardiale Emboliequelle mit hohem Rezidivrisiko (künstliche Herzklappen, frischer Vorderwandinfarkt mit nachgewiesenen Thromben, Mitralstenose mit Vorhofflimmern, Vorhofflimmern mit Thromben oder Spontankontrast im linken Vorhof)

  • Dissektion extrakranieller Zerebralgefäße

  • hochgradige extrakranielle Stenosen bis zur Operation

Kontraindikationen

  • subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie

  • Endokarditis

  • HIT II

  • schwere Hypertonie

  • großes Insultareal

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Plättchenhemmer

ASS in einer Dosierung zwischen 160 und 320 mg führt zu einer geringen Prognoseverbesserung: Innerhalb der ersten Wochen werden bei 1000 behandelten Patienten neun Todesfälle und nicht tödliche Schlaganfallrezidive verhindert. Nach 6 Monaten sind 13 Patienten weniger gestorben oder behindert. Hierfür wird eine etwas größere Rate an symptomatischen Hirnblutungen in Kauf genommen. Da die Therapie im Gegensatz zur Lyse nach Ausschluss einer Blutung fast allen Patienten mit Schlaganfall im Akutstadium zu Gute kommen kann, profitiert eine nicht zu vernachlässigende Absolutzahl von der Behandlung. Über die Wirksamkeit anderer Plättchenhemmer wie Clopidogrel, Dipyridamol und Glykoprotein-IIb/IIIa Rezeptorblocker liegen für die Akutbehandlung des Insultes noch keine definitiven Daten vor.


kurzgefasst: Bei ausgewählten Patienten verbessert eine Lysetherapie, durchgeführt innerhalb eines Zeitfensters von 3 Stunden, die Prognose. Allgemeinmedizinische Maßnahmen sind wesentlicher Bestandteil der Schlaganfalltherapie. ASS in der Akuttherapie verbessert die Prognose. Die Wirksamkeit einer therapeutischen Heparinbehandlung ist nicht belegt.

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Vorsorge und Behandlung von Komplikationen

Schlaganfallpatienten sind durch eine Vielzahl von Komplikationen gefährdet, deren frühzeitige Erkennung und konsequente Therapie für die Prognose entscheidend ist (Tab. [2]).

Tab. 2 Häufige Komplikationen des Schlaganfalls.

zerebral bedingt

  • Krampfanfall

  • Hirndruck

  • sekundäre Einblutung

  • Progredienz, Rezidiv der Ischämie

  • Spastik

  • Depression

situativ bedingt

  • Aspiration, Pneumonie

  • Harnwegsinfekt

  • Katheterinfektion

  • Thrombose, Lungenembolie

  • Malnutrition

  • Stressulkusblutung

  • Dekubitus

  • Blutzuckererhöhung

  • Hypertonie

  • Fieber

  • EKG-Veränderungen, Rhythmusstörungen

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Hirnödem

Bei großen Insulten ist am 2.-5. Tag mit einer Verschlechterung des klinischen Zustandes durch Ausbildung eines Hirnödems zu rechnen. Als therapeutische Maßnahmen werden in Form eines Stufenschemas Lagerung (Oberkörper 30o hoch, Geradestellung des Kopfes zur Verbesserung des venösen Abflusses), Osmotherapie (Glycerol, Mannitol), Intubation mit Hyperventilation (nur vorübergehende Maßnahme, bei längerfristiger Anwendung Risiko von zerebralen Gefäßspasmen) und Barbiturate angewandt. Bei malignem Mediainfarkt ist eine frühzeitige Dekompressionskraniotomie zu überlegen. Die Möglichkeit der Hypothermie wird derzeit in Studien geprüft. Bei ausgedehnten raumfordernden Kleinhirninfarkten ist bei Entwicklung eines Verschlusshydocephalus die Anlage einer Ventrikeldrainage, bei klinischer Verschlechterung mit radiologischen oder elektrophysiologischen Zeichen (SEP, AEP) einer sich entwickelnden Hirnstammkompression eine frühzeitige operative Dekompression durch subokzipitale Kraniektomie indiziert.

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Blutung

In ca. 5 % der Fälle führen sekundäre Blutungen in das Ischämiegebiet zu einer klinischen Verschlechterung. Sie treten gehäuft bei embolischen Insulten, großen Infarktarealen, Fibrinolysetherapie und therapeutischer Heparingabe auf. Die Indikation zur operativen Therapie hängt ab von der klinischen Situation, Größe und Lokalisation der Hämorrhagie.

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Ernährung

Bedingt durch die allgemeine Hinfälligkeit und eine häufig vorhandene Schluckstörung geraten Schlaganfallpatienten häufig in einen Malnutritions- und Exsikkationszustand, der die Prognose deutlich verschlechtert. Dem muss durch eine frühzeitige Schluckdiagnostik und Behandlung, Flüssigkeitstherapie sowie rechtzeitiger Anlage einer nasogastralen oder PEG-Sonde gegengesteuert werden.

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Infektionen

Harnwegsinfekte sind häufig. In ca. 5 % der Fälle ist mit der Entwicklung einer Sepsis zu rechnen. Blasendauerkatheter bei Inkontinenz und Harnretention sollen wegen des erhöhten Infektionsrisiko auf ein Minimum beschränkt werden. Eine Pneumonie entscheidet nicht selten über das Schicksal des Schlaganfallpatienten. Risikofaktoren sind Bettlägerigkeit, Schluckstörung, gestörter Hustenreflex. Durch frühzeitige Sondenernährung, Atemgymnastik, Bronchialtoilette, Mobilisation kann sie häufig verhindert werden. Eine frühe Diagnostik und gezielte antibiotische Behandlung entscheidet über die Prognose.

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Sekundärprophylaxestrategie

Die Einleitung einer an der Ursache des Insultes sich orientierenden Sekundärprophylaxestrategie gehört zur Aufgabe der Schlaganfalltherapie. Hier soll lediglich auf medikamentöse Maßnahmen und die Karotisoperation eingegangen werden.

Eine orale Antikoagulation ist nach Abwägen der Kontraindikationen bei Vorhofflimmern oder anderen kardialen Emboliequellen (Ausnahme Endokarditis) mit einer INR von 2,0 - 3,0 indiziert. Weitere nicht durch Studien abgesicherte Indikationen für eine Kumarintherapie sind Gefäßdissektionen (1/2 Jahr) und embolisierende Plaquebildung im Aortenbogen. Bei kleinen Insulten kann mit der Antikoagulantienbehandlung nach einer Woche bei großen zerebralen Defekten nach ca. 3 Wochen begonnen werden.

Patienten mit einer > 70 %igen Karotisstenose (bezogen auf Durchmesser der A. carotis interna = distaler Stenosegradient) als Ursache einer TIA oder eines „minor stroke” profitieren von einer Operation deutlich: Sechs Patienten müssen operiert werden, um in 5 Jahren ein zerebrales Ereignis oder operativen Todesfall zu verhindern (NNT:„number needed to treat”). Bei 50 - 69 %-Stenose ist der Effekt deutlich geringer (NNT: 13) aber noch nachweisbar [6]. Patienten mit geringerer Stenosebildung haben keinen Nutzen von dem Eingriff. Der Stellenwert einer stentgestützten Dilatation ist Thema laufender Studien.

Alle nicht in die oben genannten Gruppen fallenden Schlaganfallpatienten sollen zur Rezidivprophylaxe einen Thrombozytenfunktionshemmer erhalten. Mit ASS (100 mg) ist eine relative Reduktion der erneuten Insultrate von ca. 15 - 20 % zu erwarten.

Clopidogrel ist primär auf Patienten mit Unverträglichkeit und Unwirksamkeit von ASS zu beschränken. Nachanalysen der CAPRIE-Studie deuten Vorteile gegenüber ASS bei vaskulären Hochrisikopatienten (Diabetes mellitus, Zustand nach Herzinfarkt oder ACVB-Operation, pAVK) an. Als weitere Alternative zur ASS-Monotherapie ist die Kombination mit Dipyridamol (50 mg ASS und 400 mg Dipyridamol pro Tag) zu sehen. Diese erwies sich in einer Vergleichsuntersuchung gegenüber 50 mg ASS als überlegen (Reduktion des relativen Risikos im Vergleich zu Plazebo 37 % vs. 18 % unter ASS alleine) [3]. Die Kombination von ASS und Clopidogrel zeigte in einer kürzlich vorstellten großen Studie (MATCH) keinen Vorteil gegenüber Clopidogrel allein, aber eine deutlich erhöhte Rate von gastrointestinalen und zerebralen Blutungen.

Neben der Therapie mit Antikoagulantien oder Thrombozytenaggregationshemmer spielen in der medikamentösen Rezidivprophylaxe des ischämischen Insultes Antihypertensiva und Statine eine große Rolle.

Kürzlich [5] wurde die Wirksamkeit einer antihypertensiven Therapie mit einer Perindopril-Indapamid-Kombination belegt (relative Risikoreduktion ca. 30 %), die auch bei normotensiven Ausgangswerten nachweisbar war. Ob hierbei ein spezifischer endothelprotektiver Effekt des ACE-Hemmers wesentlich ist, bleibt derzeit unsicher. Ergebnisse großer Lipidstudien an Koronarpatienten oder vaskulären Risikopatienten weisen auf eine rezidivprophylaktische Wirkung einer Statintherapie (ca. 20 %) hin. Da im Gegensatz zur koronaren Herzkrankheit eine Beziehung zwischen Hyperlipidämie und Insultrisiko unsicher ist, werden pleiotrope Effekte der Medikamentengruppe als Wirkmechanismus angenommen. Obwohl Ergebnisse die Fragestellung spezifisch abhandelnder Studien noch fehlen, wird empfohlen, Schlaganfallpatienten ähnlich der Situation bei der koronaren Herzerkrankung, das LDL auf unter 100 mg/dl einzustellen.

Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben, deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

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Literatur

  • 1 Adams H P, Adams R J, Brott T h. et al . Guidelines for the early management of patients with ischemic stroke. A scientific statement from the Stroke Council of the American Stroke Association.  Stroke. 2003;  34 1056-1083
  • 2 Coull B M, Williams L S, Goldstein L B. et al . Anticoagulants and antiplatelet agents in acute ischemic stroke. Report of the Join Stroke Guideline Development Committee of the American Academy of Neurology and the American Stroke Association (a division of the American Heart Association).  Stroke. 2002;  33 1934-1942
  • 3 Diener H C, Cuhna I, Forbes C, Sivenius J, Smets P, Lowenthal A. European Stroke Prevention Study 2. Dipyridamol and acetylsalicylic acid in the secondary prevention of stroke.  J Neurol Sci. 1996;  143 1-13
  • 4 Heuschmann P U, Berger K, Misselwitz B. et al . Frequency of thrombolytic therapy in patients with acute ischemic stroke and the risk of in-hospital mortality. The German Stroke Register Study Group.  Stroke. 2003;  34 1106-1113
  • 5 PROGRESS Collaborative Group . Randomised trial of a perindopril-based blood-pressure-lowering regimen among 6105 individuals with previous stroke or transient ischemic attack.  Lancet. 2001;  358 1033-1041
  • 6 Rothwell P M, Eliasziw M, Gutnikov S A. et al . Analysis of pooled data from the randomised controlled trials of endarteriectomy for symptomatic carotid stenosis.  Lancet. 2003;  361 107
  • 7 Stroke Unit Trialists‘ Collaboration . Collaborative systemic review of the randomised trials of organised inpatient (stroke unit) care after stroke.  Brit Med J. 1997;  314 1151-1159
  • 8 The National Institute of Neurological Disorders and Stroke rt-PA Stroke Study Group . Tissue plasminogen activator for acute ischemic stroke.  New Engl J. 1995;  333 1581-1587

Prof. Dr. med. Wolfgang Habscheid

Medizinische Klinik Paracelsus-Krankenhaus

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Email: wolfgang.habscheid@t-online.de

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Literatur

  • 1 Adams H P, Adams R J, Brott T h. et al . Guidelines for the early management of patients with ischemic stroke. A scientific statement from the Stroke Council of the American Stroke Association.  Stroke. 2003;  34 1056-1083
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  • 7 Stroke Unit Trialists‘ Collaboration . Collaborative systemic review of the randomised trials of organised inpatient (stroke unit) care after stroke.  Brit Med J. 1997;  314 1151-1159
  • 8 The National Institute of Neurological Disorders and Stroke rt-PA Stroke Study Group . Tissue plasminogen activator for acute ischemic stroke.  New Engl J. 1995;  333 1581-1587

Prof. Dr. med. Wolfgang Habscheid

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