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DOI: 10.1055/s-2003-42155
Was bewegt die Gastroenterologie?
Currents in gastroenterologyPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
11. September 2003 (online)

Prof. Dr. W. Fischbach
Die Teilnehmer der 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten vom 17.9.-20.9.2003 in Nürnberg erwartet ein abwechslungsreiches Programm. Es umfasst die Präsentation neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, aktuelle klinische Fortbildung, vorgestellt von eingeladenen Experten aus dem In- und Ausland, aber auch aktuelle gesundheitsökonomische Themen und eine Analyse der Studienlandschaft in Deutschland. Es ist ein Privileg des Präsidenten, über die Darstellung des Faches in seiner ganzen Breite hinaus besondere Schwerpunkte zu setzen.
Die Onkologie nimmt einen immer größeren Stellenwert im klinischen Alltag des Gastroenterologen ein. Hierfür gibt es zahlreiche Gründe. Das kolorektale Karzinom gehört hierzulande zu den häufigsten malignen Tumoren. Dabei eröffnen, mehr als bei fast allen anderen Tumorerkrankungen, Vorsorgeuntersuchungen hervorragende Chancen auf eine Früherkennung oder die Erfassung und Therapie von Präkanzerosen. Das Ösophaguskarzinom und das Pankreaskarzinom gehören zu den Tumoren, die sich durch die höchsten Steigerungsraten in den letzten Jahrzehnten auszeichnen. Auch das Magenkarzinom stellt trotz seiner abnehmenden Inzidenz unverändert eine Herausforderung hinsichtlich Prävention, Früherkennung und Therapie dar. In den letzen Jahren hat sich das Spektrum der diagnostischen Möglichkeiten von gastrointestinalen Tumoren erheblich erweitert. Wir haben die technologischen Innovationen der Endoskopie in unser Repertoire aufgenommen, das ferner durch die Möglichkeiten der Kapselendoskopie, der Schnittbilddiagnostik mit simultaner Erfassung der Hohlorgane (virtuelle Koloskopie; MR mit MR-Sellink oder MRCP; u. a.) und der Gefäßsituation (z. B. MR mit MR-Angio) und der Molekularbiologie bereichert wird. Schließlich eröffnen gut aufeinander abgestimmte multimodale Therapieansätze, die ausgehend von Histologie und Tumorstadium zunehmend auch individuelle Risikofaktoren berücksichtigen, bessere Therapieergebnisse und eine günstigere Prognose. Neoadjuvante Ansätze finden vor allem beim Ösophagus- und Rektumkarzinom vermehrt Anwendung. Dabei sind keineswegs alle Fragen hinsichtlich des Zeitpunktes und der Dauer der Strahlentherapie oder der zum Einsatz kommenden Zytostatika geklärt. In der palliativen Chemotherapie konnten in der jüngsten Vergangenheit durch neue Substanzen wie Irinotecan oder Oxaliplatin und deren Integration in Polychemotherapieschemata bemerkenswerte Fortschritte insbesonders beim kolorektalen Karzinom erzielt werden. Allerdings ist bislang nicht geklärt, ob der initiale Einsatz solcher Kombinationstherapien quoad vitam tatsächlich einer Sequenztherapie überlegen ist. Für das Rektumkarzinom ergibt sich die besondere Frage, ob angesichts der neuen Operationstechniken (totale mesorektale Exzision) überhaupt eine Indikation für (neo)adjuvante Therapieverfahren besteht. Diese Fragen müssen im Rahmen zukünftiger Studien beantwortet werden.”
Die Entwicklung der gastroenterologischen Endoskopie zeichnet sich gegenwärtig durch eine besondere Dynamik aus. Hochauflösende Videoendoskope, Zoomeffekte und Färbetechniken (Chromoendoskopie) erleichtern die Erkennung von gastrointestinalen Tumoren und von Vorläuferläsionen und eröffnen Möglichkeiten hin zu einer mikroskopischen Endoskopie und zu gezielten diagnostischen und therapeutischen Interventionen. Präventive und kurative Endoskopie muss zukünftig von Qualitätskontrollen begleitet werden, die neben diagnostischen und therapeutischen Ergebnissen auch Aufbereitungs- und Hygienemaßnahmen erfassen. Ein Thema für die nächsten Jahre wird die Harmonisierung der unterschiedlichen nationalen Ausbildungssysteme in Europa sein. Fachübergreifende wissenschaftliche Fragestellungen und klinische Herausforderungen erfordern eine noch engere Kooperation von Gastroenterologen und Viszeralchirurgen. Sie wird darüber hinaus durch die Notwendigkeit einer Optimierung der organisatorischen Abläufe vor dem Hintergrund des diagnosebezogenen Fallpauschalenvergütungssystems (DRGŽs) überlebensnotwendig.
Die skizzierten Punkte sind nur ein Ausschnitt aus dem breiten Spektrum, das die Gastroenterologie derzeit bewegt. Andere Themen wie die Ernährung und Ernährungstherapie, die Transplantationsmedizin oder die vielfältigen und immer mehr an Bedeutung gewinnenden sozioökonomischen Aspekte können hier nur angedeutet werden. Die Gastroenterologie bewegt sich! Die Jahrestagung unserer Fachgesellschaft wird dies deutlich machen.
Prof. Dr. med. Wolfgang Fischbach
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten 2003
Medizinische Klinik II, Klinikum Aschaffenburg
Am Hasenkopf
63739 Aschaffenburg
Telefon: 06021/323010
Fax: 06021/323031
eMail: wolfgang.fischbach@klinikum-aschaffenburg.de