Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(27): 1501-1502
DOI: 10.1055/s-2003-40288-2
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Behandlung der Hypercholesterinämie bei Nierentransplantierten - Erwiderung

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Publication Date:
29 April 2004 (online)

Der Kollege Traut wirft die wichtige Frage auf, anhand welcher Kriterien klinische Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit beurteilt werden können. Es ist hierbei allerdings zu beachten, dass zwischen kurativem und präventivem Ansatz unterschieden werden muss. Während für eine kurative Maßnahme erwartet wird, dass ein Großteil der behandelten Patienten durch die Maßnahme geheilt wird, ist es für präventive Maßnahmen typisch, dass nur ein kleiner Teil der Patienten direkt von der Prävention profitiert (sowohl bei medikamentöser als auch bei diagnostischer Prävention). Da das Risiko nahezu aller Erkrankungen, für die heutzutage Präventionsmaßnahmen betrieben werden, weit unter 50 % liegt, erleidet die Mehrzahl der Patienten sowohl mit als auch ohne Prävention keine negativen Folgen - diese Patienten als „Non-Responder“ zu bezeichnen ist zumindest ungewöhnlich.

Die „Number needed to treat“ (NNT) der Prävention mit Statinen ist mit den NNTs anderer medikamentöser Präventionsmaßnahmen vergleichbar. So beträgt bei Gabe eines Thrombozytenaggregationshemmers über 3 Jahre zur Prävention eines Schlaganfalls die NNT 27 [1]. Für die Carotis-Endarterektomie bei über 60 %iger, asymptomatischer Carotis-Stenose zur Prävention eines Schlaganfalls in den nächsten 5 Jahren beträgt die NNT 17 [2], bei Behandlung einer Herzinsuffizienz mittels ß-Blocker über 7 Monate beträgt die NNT 38, um einen tödlichen Ausgang zu vermeiden [3] (weitere Beispiele und eine Anleitung zum sinnvollen Umgang mit NNTs finden sich z. B. in der von uns herausgegebenen deutschen Übersetzung des Lehrbuchs von Sackett et al. [4].

Darüber hinaus wird der Effekt der Statine von Traut ungünstig verzerrt dargestellt. Beispielweise wird bei der LIPID-Studie nur einen Teileffekt, nämlich die Senkung der Todesfälle koronarer Ursache, zitiert (ARR 1,9 %/NNT = 51). Die Senkung der für den Patienten bedeutsameren Gesamtmortalität liegt absolut bei 3,1 % (NNT = 32). Betrachtet man zusätzlich noch die nicht-tödlichen Herzinfarkte und die Schlaganfälle, so profitieren 4,4 % der Patienten direkt von einer Statin-Medikation (NNT = 23).

Nach den Kriterien der Schulmedizin sind die Statine als Prävention unbestreitbar wirksam (signifikant weniger negative Ereignisse in den Behandlungs- als in den Kontrollgruppen).

Ob die Statine als Präventionsmaßnahme kosteneffektiv sind, kann hingegen nur beurteilt werden, wenn man den Kosten der Medikation für alle behandelten Patienten die andernfalls entstehenden Kosten der damit verhinderten Ereignisse gegenüberstellt (Herzkatheter, Intensivaufenthalt, Reha-Maßnahmen etc.). Da durch die Statintherapie auch die Zahl der Todesfälle signifikant gesenkt wird, mündet die Diskussion um die Kosteneffektivität unweigerlich in die Frage, wie viel ein „gerettetes Menschenleben“ am Ende kosten darf. Diese Frage wird bisher in unserem Gesundheitssystem kaum diskutiert.

Nach wissenschaftlichen Kriterien ist der Wirksamkeitsnachweis der Statintherapie überzeugend erbracht und kann auch dann nicht ernsthaft bestritten werden, wenn man Präventionsmaßnahmen aus finanziellen Erwägungen ablehnt.

Literatur

  • 1 Antiplatelet Trialists’ Collaboration . Collaborative overview of randomised trials of antiplatelet therapy-I: prevention of death, myocardial infarction, and stroke by prolonged antiplatelet therapy in various categories of patients.  BMJ. 1994;  308 81-106
  • 2 Executive Committee for the Asymptomatic Carotid Atherosclerosis Study . Endarterectomy for asymptomatic carotid artery stenosis.  JAMA. 1995;  273 1421-1428
  • 3 Lechat P, Packer M, Chalon S. et al . Clinical Effects of β-Adrenergic Blockade in Chronic Heart Failure.  Circulation. 1998;  98 1184-1191
  • 4 Sackett D L, Richardson S, Rosenberg W. et al .Evidenzbasierte Medizin. Kunz R, Fritsche L [Hrsg Dtsch Ausg] Bern, Wien, New York: Zuckschwerdt Verlag 1999

Autor

Dr. Lutz Fritsche

Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie, Charité Campus Mitte

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10098 Berlin