Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(10): 500-502
DOI: 10.1055/s-2003-37623
CME
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Therapie der Hyperthyreose

Therapy of hyperthyroidismP.-M Schumm-Draeger1 , O.-A Müller2
  • 13. Medizinische Abteilung, Endokrinologie, Diabetologie und Angiologie, Städtisches Krankenhaus München-Bogenhausen
  • 22. Medizinische Abteilung, Rotkreuzkrankenhaus München
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Prof. Dr. med. Petra-Maria Schumm-Draeger

Städtisches Krankenhaus München-Bogenhausen, 3. Med. Abteilung Endokrinologie, Diabetologie und Angiologie

Englschalkinger Straße 77

81925 München

Email: Schumm-Draeger@extern.lrz-muenchen.de

Publication History

eingereicht: 20.1.2003

akzeptiert: 24.2.2003

Publication Date:
06 March 2003 (online)

Table of Contents

Zur Therapie der Hyperthyreose stehen drei seit vielen Jahren etablierte Verfahren, die konservative thyreostatische Therapie, die Schilddrüsenoperation sowie die 131-Radiojod-Therapie zur Verfügung. Alternativ ist in individuellen Fällen die lokale Alkoholinstillation autonomer Adenome zu erwägen. Eine eindeutige Indikation zur Therapie der Schilddrüsenautonomie besteht dann, wenn eine subklinische bzw. manifeste Hyperthyreose und klinische Symptome vorliegen. Die Schilddrüsenautonomie bei euthyreoter Stoffwechsellage ohne klinische Symptome kann ohne Therapie beobachtet werden. Individuell ist eine „prophylaktische” Therapie zu diskutieren.

Grundsätzlich ist eine Behandlung der Schilddrüsenautonomie anzustreben, da es keine spontanen Remissionen der Erkrankung gibt. Somit sollen definitive Behandlungsverfahren wie die Operation oder 131-Radiojod-Therapie eingesetzt werden. Eine thyreostatische Therapie sollte bei der Schilddrüsenautonomie nur zur Überbrückung der Zeitspanne bis zu einem definitiven Therapieverfahren eingesetzt werden.

Differentialtherapeutisch sollten Patienten mit sehr großen Strumen, mechanischen Komplikationen oder dem zusätzlichen Nachweis minderspeichernder „kalter“ Schilddrüsenknoten und immer dann wenn ein Malignomverdacht besteht, der Schilddrüsenoperation zugeführt werden. Die Indikation zur 131-Radio-Jod-Therapie ist generell bei unifokaler sowie auch multifokaler Autonomie gegeben, falls nicht die zuvor genannten Befunde eher für eine Schilddrüsenoperation sprechen. Ziel beider Therapieverfahren ist es, die Hyperthyreose bzw. Grenzwerthyperthyreose durch autonome Schilddrüsenbezirke vollständig zu eliminieren und eine stabile euthyreote Stoff-wechsellage zu gewährleisten.

Von wesentlicher Bedeutung für einen anhaltenden Behandlungserfolg ist es, eine suffiziente Strumarezidivprophylaxe mit einer ausreichenden täglichen Jodzufuhr zu gewährleisten. Wie aktuelle Daten zeigen ist die Rezidivprophylaxe noch effektiver durch eine kombinierte Gabe von Jod und Schilddrüsenhormon [5]. Mindestens einmal jährlich - nach Therapie zunächst häufiger - sollten die Schilddrüsenfunktionswerte und vor allem eine sonographische Untersuchung der Schilddrüse in der Nachsorge nach Behandlung der Schilddrüsenautonomie durchgeführt werden.

Therapie im höheren Lebensalter

Im Hinblick auf eine sinnvolle Therapie von Schilddrüsenerkrankungen im höheren Lebensalter ist zusammenzufassen, dass eine hyperthyreote Stoffwechsellage (subklinisch oder manifest) beim älteren Menschen, wenn es keine zwingenden Gründe für eine Schilddrüsenoperation gibt, mit einer 131-Radiojod-Therapie behandelt werden sollte. Verbieten sich diese Behandlungsmaßnahmen, kann beim älteren Menschen mit Schilddrüsenautonomie und Hyperthyreose eine thyreostatische Behandlung zur Stabilisierung der Schilddrüsenfunktion auch längerfristig überlegt werden. Im Hinblick auf die Gefahr einer Jodkontamination (z. B. durch Kontrastmittel im Rahmen von Koronarangiographie, Computertomographie usw., durch antiarrhythmische Therapie mit Amiodaron) ist - wenn möglich - eine sorgfältige Überprüfung der Schilddrüsenfunktion vor derartigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen durchzuführen, um die Exazerbation einer bestehenden Hyperthyreose effektiv zu verhindern. Schwere jodinduzierte Hyperthyreosen sind unter medikamentösen Maßnahmen häufig nicht bzw. nicht schnell genug zu stabilisieren und zumeist nur durch eine frühzeitige, trotz schwerer Hyperthyreose durchgeführte Schilddrüsenoperation in den Griff zu bekommen.

Die besondere Bedeutung auch subklinischer Schilddrüsenfunktionsstörungen für die Befindlichkeit und Risikoabschätzung gerades des älteren häufig multimorbiden Patienten ist von großer Bedeutung. In neuen klinischen Studien bei über 60-jährigen Patienten wurde für die subklinische Hyperthyreose eindeutig nachgewiesen, dass die Mortalität insbesondere durch kardiovaskuläre Erkrankungen signifikant erhöht ist [3]. Folglich müssen subklinische Funktionsstörungen gerade bei älteren Patienten rechtzeitig erkannt und immer behandelt werden.


kurzgefasst: Therapie der Wahl bei Schilddrüsenautonomie ist die definitive Ausschaltung durch eine Radiojod-Therapie oder Schilddrüsenoperation.

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Thyreostatische Therapie

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Morbus Basedow

Die Tatsache, dass bei etwa 50 % der Patienten mit Morbus Basedow eine Remission der Erkrankung nach thyreostatischer Therapie eintritt, ergibt hier im Gegensatz zu Patienten mit Schilddrüsenautonomie eine sinnvolle Indikation zur konservativen Langzeittherapie mit Thyreostatika. Insbesondere besteht diese Indikation zur Behandlung der Hyperthyreose Typ Morbus Basedow bei Erstmanifestation der Erkrankung, vor allem wenn keine bzw. eine nur geringe Schilddrüsenvergrößerung besteht [5].

Die Behandlung der Hyperthyreose Typ Morbus Basedow sollte mit antithyreoidalen Medikamenten der Thionamidgruppe durchgeführt werden, wobei aufgrund klinischer Studienergebnisse heute in Abhängigkeit von der Jodversorgung des individuellen Patienten deutlich niedrigere Dosierungen bei gleichem Therapieerfolg gewählt werden können (Tab. [1]). Während die Dosierung der Initialtherapie z B. für Thiamazol abhängig von der Jodversorgung und dem Schweregrad der Erkrankung zwischen 10 und 40 mg/Tag anzusetzen ist, werden in der Erhaltungstherapie deutlich niedrigere Dosierungen von z. B. 2,5-10 mg Thiamazol/Tag verwendet. Mögliche leichte Nebenwirkungen der thyreostatischen Therapie sind vor allem Hautexantheme, Gelenkbeschwerden sowie Übelkeit. Sehr selten (0,3-0,5%), dennoch sehr sorgfältig zu überwachen (vor allem in den ersten 3 Monaten der Therapie), ist die Leukozytopenie bzw. Agranulozytose als schwerste Nebenwirkung der Behandlung. Vor allem in Hinblick auf das Nebenwirkungsrisiko der thyreostatischen Medikamente sind möglichst niedrige Dosierungen der Initial- und Erhaltungstherapie anzustreben.

Tab. 1 Medikamentöse Therapie der Hyperthyreose Typ Morbus Basedow.

Thiamazol

Carbimazol

Propylthiouracil

Initialdosis

(mg/Tag)

10 - 40

20 - 60

150 - 300

Langzeittherapie

(mg/Tag)

2,5 - 10

5 - 15

50 - 200

  • Initialdosierung von Thiamazol in Abhängigkeit von Jodversorgung und Erkrankungszeichen

    • Starker Jodmangel und/oder leichte Erkrankungszeichen: 10 mg/Tag

    • Mäßiger Jodmangel oder stärkere Erkrankungszeichen: 20 mg/Tag

    • Höhere Jodversorgung (> 100 µg/Tag), ausgeprägtes Krankheitsbild: 20-40 mg/Tag

    • Jodkontamination, ausgeprägtes Krankheitsbild: 40 mg/Tag

Bei einer thyreostatischen Langzeittherapie sind hohe Thyreostatikadosierungen initial und in der Erhaltungsphase nicht geeignet, die Remissionsquote noch weiter zu verbessern.

In umfangreichen prospektiven klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass für eine möglichst hohe Remissionsquote eine thyreostatische Langzeittherapie von 12 Monaten durchgeführt werden muss. Therapiezeiten, die kürzer als 6 Monate sind, werden von deutlich höheren Rezidivquoten gefolgt. Grundsätzlich kann die thyreostatische Langzeittherapie als Monotherapie mit einem Thyreostatikum in einer möglichst niedrigen, noch zur Erhaltung der Euthyreose ausreichenden Dosierung durchgeführt werden.


kurzgefasst: Bei der Erstmanifestation einer Autoimmun-Hyperthyreose ist eine thyreostatische Langzeittherapie immer dann indiziert, wenn keine zwingende Indikation zur frühzeitigen Operation besteht.

Sollte nach einer thyreostatischen Langzeittherapie ein Rezidiv der Erkrankung auftreten, ist nach einer kurzzeitigen thyreostatischen Vorbehandlung die Operation oder eine Radiojod-Therapie als endgültige Lösung anzustreben. Die Radiojod-Therapie ist bei gesicherter Indikation eine Therapieform ohne oder mit vernachlässigbaren Nebenwirkungen. Weil diese Therapie in der Bundesrepublik aus Strahlenschutzgründen immer noch - im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern - einen stationären Aufenthalt erfordert, wird sie im Vergleich zu anderen Ländern relativ selten durchgeführt. Ein vermehrtes Auftreten maligner Strumen nach Radiojod-Therapie ist nicht beobachtet worden.

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Schwangerschaft und Laktationsperiode

Eine Monotherapie mit Thyreostatika - möglichst niedrig dosiert - ist dann zwingend, wenn eine Hyperthyreose in der Schwangerschaft behandlungsbedürftig ist, da nur Thyreostatika, nicht aber Schilddrüsenhormone die Plazentarschranke passieren können. Von großer Bedeutung ist es, dass bei Patientinnen mit einer Hyperthyreose Morbus Basedow in der Gravidität die TSH-Rezeptor-Antikörper ebenfalls die Plazentarschranke passieren und eine Hyperthyreose des ungeborenen bzw. neugeborenen Kindes induzieren können. Sorgfältige Kontrollen in enger interdisziplinärer Kooperation durch den internistischen Endokrinologen, Gynäkologen und Pädiater sind während und nach der Entbindung wichtig. Da die Schwangerschaft selbst eine hemmende Wirkung auf den Autoimmunprozess ausübt, kann sich eine vorübergehende Remission der Erkrankung einstellen. Allerdings sind Rezidive der Hyperthyreose Typ Morbus Basedow in der Postpartalphase häufig und erfordern sorgfältige Kontrollen. Hinweise für eine teratogene Wirkung der Thyreostatika existieren nicht, hingegen führt eine nichtbehandelte Hyperthyreose zu einer erhöhten Missbildungs- und Abortrate.

Eine durch hohe HCG-Konzentrationen induzierte Hyperthyreose in der Frühschwangerschaft ist nur dann behandlungsbedürftig, wenn eine ausgeprägte klinische Symptomatik, d. h. eine schwere Verlaufsform der Hyperthyreose besteht. Es ist dann auch immer eine nur vorübergehende thyreostatische Therapie notwendig.

Eine thyreostatische Therapie kann und sollte während der Laktationsperiode fortgeführt werden. Da geringe Mengen der Thyreostatika in die Milch übertreten, ist auf eine möglichst niedrige, gerade ausreichende Thyreostatikadosis zu achten. Bei adäquater Handhabung sind Effekte der Thyreostatika auf die kindliche Schilddrüse zu vermeiden. Über die Milch werden ca. 0,3 - 0,8 % der eingenommenen Medikamentendosis abgegeben. Während der thyreostatischen Therapie der laktierenden Frau sind die Schilddrüsenhormonkonzentrationen des Säuglings zu kontrollieren, insofern es zu einem TSH-Anstieg oder fT4-Abfall beim Säugling kommt, muss die thyreostatische Therapie in ihrer Dosis reduziert werden. Als unbedenklich einzustufen sind Thyreostatikadosen wie z. B. 15 - 20 mg Thiamazol oder 150 mg Propylthiouracil (PTU).


kurzgefasst: In der Gravidität darf eine Hyperthyreose nicht mit einer Kombinationstherapie (Thyreostatika plus Schilddrüsenhormon) behandelt werden.

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Vorhersage einer Remission des Morbus Basedow

Nach einjähriger thyreostatischer Langzeittherapie ist von einer Rezidivquote der Hyperthyreose Typ Morbus Basedow von etwa 50% der Patienten auszugehen. Zuverlässige Vorhersagekriterien für die Remission sind gegenwärtig nicht verfügbar. In zahlreichen retrospektiven und prospektiven Studien wurden verschiedene Indizes wie Strumagröße, Suppressionstest, Serum-TSH-Spiegel und vor allem die Bestimmung der TSH-Rezeptor-Autoantikörpertiter untersucht. Zusammenfassend konnte klar gezeigt werden, dass positive oder negative TSH-Rezeptor-Antikörpertiter nicht geeignet sind, ein Rezidiv der Hyperthyreose Typ Morbus Basedow beim individuellen Patienten vorherzusagen. Allerdings erhöht die Persistenz von TSH-Rezeptor-Antikörpern nach thyreostatischer Langzeittherapie insgesamt das Rezidivrisiko. Die Strumagröße korreliert gut mit der Rezidivhäufigkeit.

Kontrollierte prospektive Studien im Jodmangelgebiet Europas haben gezeigt, dass im Hinblick auf eine bessere Remissionsquote nach thyreostatischer Therapie der Hyperthyreose Morbus Basedow die Kombinationsbehandlung mit Thyreostatika und Schilddrüsenhormon keine Vorteile für den Krankheitsverlauf bietet [4], im Gegensatz zu den Publikationen aus Japan [1].

Es bleibt abzuwarten, inwieweit neue Bestimmungsmethoden für TSH-Rezeptor-Antikörper, die auf der Expression des rekombinanten humanen TSH-Rezeptors beruhen und eine funktionelle Charakterisierung der Antikörper erlauben, zukünftig nach thyreostatischer Langzeittherapie eine individuelle Vorhersage des Patienten mit Morbus Basedow ermöglichen.

Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben, deren Produkt in dem Beitrag eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

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Literatur

  • 1 Hashizume K, Ichikawa K, Sakurai A, Suzuki S, Takeda T, Kobayashi M, Miyamoto T, Ara M, Nagasawa T. Administration of thyroxine in treated GravesŽDisease. Effects on the level of antibodies to thyroid-stimulating receptors and on the risk of recurrence of hyperthyroidism.  N Engl J Med. 1991;  324 947-953
  • 2 Parle J V, Maisonneuve P, Sheppard M C, Boyle P, Franklyn J A. Prediction of all-cause and cardiovascular mortality in elderly people from one low serum thyrotropin result: a 10-year cohort study.  Lancet. 2001;  358 861-865
  • 3 Quadbeck B, Hörmann R, Janssen O E, Mann K. Medikamentöse Behandlung der Immunhyperthyreose (Typ Morbus Basedow): Patientenselektion, Langzeitverlauf und Rezidivprophylaxe.  Internist. 2003;  im Druck
  • 4 Schumm-Draeger P -M. Hyperthyreose Typ Morbus Basedow - Medikamentöse Therapie.  ZaeFQ. 1999;  93 41-45
  • 5 Schumm-Draeger P -M, Caspar-Bell G, Weitz B, Encke A, Usadel K H. Optimierte post-operative Struma-Rezidivprophylaxe mit Schilddrüsenhormon und Jodid.  Internist. 2003;  im Druck

Prof. Dr. med. Petra-Maria Schumm-Draeger

Städtisches Krankenhaus München-Bogenhausen, 3. Med. Abteilung Endokrinologie, Diabetologie und Angiologie

Englschalkinger Straße 77

81925 München

Email: Schumm-Draeger@extern.lrz-muenchen.de

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Literatur

  • 1 Hashizume K, Ichikawa K, Sakurai A, Suzuki S, Takeda T, Kobayashi M, Miyamoto T, Ara M, Nagasawa T. Administration of thyroxine in treated GravesŽDisease. Effects on the level of antibodies to thyroid-stimulating receptors and on the risk of recurrence of hyperthyroidism.  N Engl J Med. 1991;  324 947-953
  • 2 Parle J V, Maisonneuve P, Sheppard M C, Boyle P, Franklyn J A. Prediction of all-cause and cardiovascular mortality in elderly people from one low serum thyrotropin result: a 10-year cohort study.  Lancet. 2001;  358 861-865
  • 3 Quadbeck B, Hörmann R, Janssen O E, Mann K. Medikamentöse Behandlung der Immunhyperthyreose (Typ Morbus Basedow): Patientenselektion, Langzeitverlauf und Rezidivprophylaxe.  Internist. 2003;  im Druck
  • 4 Schumm-Draeger P -M. Hyperthyreose Typ Morbus Basedow - Medikamentöse Therapie.  ZaeFQ. 1999;  93 41-45
  • 5 Schumm-Draeger P -M, Caspar-Bell G, Weitz B, Encke A, Usadel K H. Optimierte post-operative Struma-Rezidivprophylaxe mit Schilddrüsenhormon und Jodid.  Internist. 2003;  im Druck

Prof. Dr. med. Petra-Maria Schumm-Draeger

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