Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(1/2): 32
DOI: 10.1055/s-2001-9902
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Jodarme Diät?

Further Information

Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Frage: Gibt es eine Indikation für eine jodarme Diät?

Antwort: Deutschland ist in weiten Teilen ein Jodmangelgebiet. Bei etwa jedem zweiten Jugendlichen und Erwachsenen besteht eine jodmangelbedingte Schilddrüsenvergrößerung. Jodmangel ist die Hauptursache für vermeidbare intellektuelle, neurologische und Entwicklungsstörungen in der Fetalzeit und den ersten Lebensjahren [4]. Die zunehmende Verbreitung von jodiertem Speisesalz sowie die supplementäre Jodprophylaxe für Schwangerschaft und Stillzeit stellen daher wichtige präventivmedizinische Maßnahmen dar.

Nicht selten wird von Patienten oder medizinischen Laien nachgefragt, ob jodiertes Speisesalz oder eine Jodprophylaxe nicht auch zu Allergien („Jodallergie”) und Akne („Jodakne”) führen können oder, ob bei bestehender Schilddrüsendysfunktion oder bei Dermatitis Jod zu einer Verschlechterung der Erkrankung führt.

„Jodallergie” beschreibt in der Regel eine unerwünschte Reaktion auf intravaskulär oder seltener peroral appliziertes jodhaltiges Röntgenkontrastmittel. Die unerwünschte Arzneimittelreaktion ist dabei aber nicht auf den Jodanteil zurückzuführen. Der Begriff „Jod-allergie” ist daher nicht zutreffend, präziser sollte von Kontrastmittelunverträglichkeit und -allergie gesprochen werden. Eine Gefährdung hiervon betroffener Patienten durch jodiertes Speisesalz oder eine Jodidtherapie ist ausgeschlossen.

Zu einer durch Jod ausgelösten Akne oder einem Iododerm kann es nach Aufnahme größerer Mengen an Jod kommen. Hierfür ist entweder eine einmalige Exposition mit hoher Dosis, wie sie z. B. bei einer intravenösen Röntgenkontrastmitteluntersuchung entsteht (pro 100 ml 10-40 g Jod, das allerdings komplexgebunden ist) oder eine chronische erhöhte Jodaufnahme von > 2 mg/Tag notwendig. Die empfohlenen Tagesdosen von 180-200 g sind in dieser Hinsicht unbedenklich.

Bei den Hauterkrankungen wird derzeit lediglich für die Dermatitis herpetiformis Duhring eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Halogeniden, vor allem Kaliumjodid, angenommen [1]. Schon der Gebrauch jodhaltigen Kochsalzes oder der Verzehr von Seefischen soll zu einer Exazerbation dieser seltenen Erkrankung führen können.

Bei bestehender Schilddrüsendysfunktion sind abhängig von der zugrundeliegenden Erkrankung unterschiedliche jodinduzierte Veränderungen möglich. Die Prävalenz der zur Hypothyreose führenden chronischen Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto) ist mit dem Ausmaß der Jodzufuhr korreliert. Nach Beginn einer Jodsupplementation in Jodmangelgebieten steigt die Prävalenz der Marker einer chronischen Autoimmunthyreoiditis (lymphozytäre Infiltration, Schilddrüsenautoantikörper) deutlich an [3]. Ob hierdurch der natürliche Verlauf der chronischen autoimmunthyreoiditis hin zur Hypothyreose beschleunigt wird, ist auch nach neueren Untersuchungen der Effekte einer niedrigdosierten Jodidtherapie bei Hashimoto-Thyreoiditis ungeklärt [2]. Andererseits führt eine Jodsupplementation in Jodmangelgebieten auch zum Anstieg der jodinduzierten Hyperthyreosen, in erster Linie durch Manifestation einer Schilddrüsen-Autnomie bei lange bestehender multinodulärer Jodmangelstruma, seltener durch Manifestation eines durch den Jodmangel bislang kompensierten Morbus Basedow [6].

Die diätetische Aufnahme von Jod könnte in Deutschland bei konsequenter Verwendung jodierten Speisesalzes (Jodidgehalt 15-25 g/g) durch Lebensmittelhersteller und Haushalte eine tägliche zusätzliche Jodzufuhr von etwa 100 g/d erreichen. Hierdurch kann, wie die Beispiele anderer Länder zeigen, eine drastische Reduktion der durch Jodmangel bedingten Schilddrüsenerkrankungen erzielt werden. Eine passager gering erhöhte Inzidenz von Schilddrüsendysfunktionen durch jodiertes Speisesalz wird mittelfristig durch die überwiegenden Vorteile einer ausreichenden Jodversorgung bei weitem übertroffen [5]. Ob eine jodarme Diät bei bestehender Schilddrüsendysfunktion Vorteile erbringt, ist unwahrscheinlich und bislang nie Gegenstand einer Untersuchung gewesen.

Literatur

  • 1 Dermatitis Herpetiformis. Braun-Falco O, Plessig G, Wolf HH Springer Dermatologie und Venerologie Berlin; 1996 4. Auflage: 644-647
  • 2 Braverman L E. Adequate iodine intake - the good far outweights the bad.  Europ J Endocrinol. 1998;  139 14-15
  • 3 Dayan C M, Daniels G H. Chronic autoimmune thyroiditis.  NEJM. 1996;  335 99-107 (2)
  • 4 Mabertly G F. Iodine deficienca disorders: Contemporary scientific issues.  J Nutr. 1994;  124 1473S-1478S
  • 5 Scriba P, Gärtner R. Risiken der Jodprophylaxe.  Dtsch med Wschr. 2000;  125 671-675
  • 6 Stanbury J B, Ermans A E, Bourdoux P, Todd C, Oken E, Tonglet R, Vidor G, Braverman L E, Medeiros-Neto G. Iodine-induced hyperthyroidism: Occurrence and epidemiology.  Thyroid. 1998;  8 83-100 (1)

Dr. E. Purucker

Medizinische Klinik III des Univesitätsklinikums der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule

Pauwelsstraße 30

52074 Aachen