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DOI: 10.1055/s-2001-17887
Fortschritte in der Chirurgie - ohne Fortschritt in der Medizintechnik ?
Publication History
Publication Date:
18 October 2001 (online)

Der Kommentar des angesehenen Chirurgen und Wissenschaftsgutachters M. Rothmund, Marburg, in der DMW [13] zielt auf die Leistungen des deutschen Gesundheitswesens in Bezug auf die eingesetzten Mittel und kommt zu der Feststellung, dass Besseres geleistet werden könnte, ohne dabei mehr Geld auszugeben. Der Fortschritt wäre mehr mit dem Kopf als mit z. B. innovativer Medizintechnik zu erreichen. Hierbei seien die Ärzte das Problem, weil sie als Anwender bzw. Anbieter neuer Technologien die Verfahren falsch einschätzten und ihren Einsatz unkritisch betrieben. Schon 1981 stellte JB McKinley [8] fest, dass solch ungeprüfte Innovationen mit deren Verwerfung enden müsse.
Tatsächlich wird die Medizin in Zukunft geprägt werden von der Limitierung finanzieller Resourcen bei einem Überangebot komplementärer Diagnostik und Therapie. Diese marktwirtschaftliche Situation kann aber nicht mit einfachem Setzen von Prioritäten (z. B. mehr Kopf, weniger Apparate) beantwortet werden, da sonst Initiativen für Weiterentwicklungen gehemmt würden. Dabei bleibt auch unberücksichtigt, vom wem welche Kriterien festgelegt werden. Übereinstimmungen mit dem Kommentar besteht bezüglich der fortlaufenden Weiterbildung aller Kolleginnen und Kollegen. Sie sollte hilfreich sein, wenn es um die Aufgabe geht, Patienten ärztlich angemessen und optimal durch eine Vielfalt konkurrierender und komplementärer Empfehlungen zu navigieren.
Rothmund begrüßt die minimal invasive Chirurgie und die interventionelle Therapie von Gefäßerkrankungen als eindrücklichen Fortschritt, obwohl deren komplexe Bewertung nach entsprechenden Kriterien noch nicht abgeschlossen ist. Als zentrales Objekt für fehlgeleitete medizintechnische Neuerungen geißelt der Kommentator dann die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), offenbar auch motiviert durch ein Editorial des Sloan-Kettering-Chirurgen MF Brennan [1], das daher genauer analysiert werden darf und muss.
Die PET (ein Gemeinschaftsprojekt von Ärzten, Physikern, Radiochemikern und Pharmazeuten) ist in den 70erJahren entwickelt, in den 80er-Jahren komplettiert, in den 90er-Jahren von der Geräteindus-trie klinikfähig weiterentwickelt und von Nuklearmedizinern für den Einsatz an Patienten adaptiert worden. Rothmund bezieht sich in seinem Kommentar ausschliesslich auf den Einsatz des Tracers 18-Fluor-Deoxyglukose bei onkologischen Fragestellungen, also nur auf einen PET-Tracer für nur eine klinische Indikation, die allerdings derzeit im Vordergrund steht. Dieser statische »Glukose-Ganzkörper(PET)-Scan« ist ein eher unkompliziertes nuklearmedizinisches Verfahren, vergleichbar mit den überaus bewährten »Skelett-« oder »Iod-Ganzkörper-Scans«, nur genauer. Unterschiedlich sind die Herstellung des Radiodiagnostikums in speziellen PET-Zentren - nicht durch die Pharmaindustrie - und die PET-Messtechnik. Die PET-Gerätepreise haben in letzter Zeit deutlich nachgegeben, sie liegen z. T. schon im Bereich der Röntgen-Computertomographie(CT)einrichtungen und somit unter der Kernspintomographie (KST). Ein Vorteil der Glukose-PET ist die physikalisch und physiologisch einwandfreie Quantifizierung der Glukosespeicherung im Herd/Tumor und damit die Bestimmung eines Parameters (z. B. »standardized uptake value«: SUV), der die visuelle Befundung und damit die Bewertung des PET-Ganzkörper-Scans erweitert und vervollständigt.
Ihre Berechtigung schöpft die »Glukose-PET in der Onkologie« aus der klinischen Forschung der letzten Dekade nach erfolgreicher und konsekutiver Absolvierung von vier Schritten, nämlich
Herdvergleich mit CT und KST, metabolisches Staging und Grading von Tumoren, Therapiekontrolle, Rezidivdiagnostik, Verlauf, und Erarbeitung von Prognoseparametern.
Alleine bis 1998 lagen schon für sieben Tumorgruppen Prognose-Parameter via Quantifizierung der regionalen Glukosespeicherung (SUV-Wert) vor. Bis heute sind die wesentlichen Tumore nach a-d zu klassifizieren mit begründeten Ausnahmen, u. a. Prostata-Karzinom, Pankreas-Karzinom bei Hyperglykämie oder begleitender Pankreatitis, primäres Leberzell-Karzinom, Gliom I-III (WHO), neuroendokrine Tumore und Karzinome des Harntraktes. Der Konsensus mit Onkologen und Strahlentherapeuten, basierend auf Publikationen und sog. Evidenz-basierter Medizin, wurde 1996 erstmals hergestellt [11] und wird seither konsequent fortgeschrieben [3] [12] .
Die Folge dieser Ergebnisse war ein in der diagnostisch orientierten Medizin bahnbrechender nächster, fünfter, Schritt durch die klinischen Glukose-PET-Arbeitsgruppen, nämlich die Erstellung von
e. Kosten-Nutzen-Analysen
für diese spezielle PET-Methode. Neben dem Einfluss nationaler Strukturen der Kostenerstattung sind die Regeln für die Erfassung dieser Parameter recht komplex: QALY (Quality-adjusted-life-in years) und ICER (incremental-cost-effectiveness-ratio) Betrachtungen unterliegen eigenen Gesetzen, spezieller Mathematik und Gruppenvergleichen. Der Gewinn von »nur« Lebenstagen durch eine Methode darf dabei nicht am Einzelfall sondern muss an der Gesamtheit der betroffenen Patienten und der damit eingesparten Kosten gemessen (multipliziert) werden [4] [7] [9]. Dies ist MF Brennan [1] offenbar entgangen. Auch dürfte die kürzlich erfolgte Aufnahme der Glukose-PET - als »biological imaging« - in den Erstattungskatalog der HCFA (Health Care Financing Administration) der USA für sechs onkologische Indikationen nicht ohne Benutzung des Kopfes getroffen worden sein. Hierfür wurden aus 643 Publikationen die Befunde von mehr als 24 000 mit Glukose-PET untersuchten Patienten akzeptiert.
Schon seit einiger Zeit fordern britische Onkologen eine Weiterentwicklung der PET-Techniken - als der primären Methode des »molecular imaging« - über die statische 18-FDG-PET hinaus zur Bestimmung von In-vivo Pharmakokinetik, Wirkungsweise und Erfassung medikamentenspezifischer Pharmakodynamik mit dem Ziel einer individualiserten Krebstherapie. Hierfür werden die Onkologen sogar zur aktiven Mitarbeit bis hin zur Projekt-Führerschaft aufgerufen [10].
Eigentlich verhält sich auch Brennan [1] in diesem Sinne, wenn er die Federführung der Chirurgen bei der Bewertung der PET-Technologie »in terms of patient outcome (and subsequently cost) in a randomized fashion«, hier speziell beim metastasierenden kolorektalen Karzinom fordert. Richtig ist, dass immer noch zuwenige prospektive Daten vorliegen [1] [16]. Aber welcher Förderer finanziert eine solch aufwändige und spezielle zweiarmige Studie? Deshalb mussten Aussagen über Metaanalysen und interdisziplinäre, datenbasierte Konsensus-Konferenzen gesucht und kritisch validiert werden [3] [11] [12] .
Brennan verlangt für diese großen validierenden Zukunftsstudien den Einsatz der modernsten CT-Geräte und verwirft vorhandene Vergleiche von Glukose-PET mit CTs der laufenden Routinegeneration [1]. So kann man freilich auch Kosten treiben: Man bezeichnet die vorhandene Vergleichsmethode als nicht state-of-the-art - obwohl zahlreiche Patienten täglich damit weltweit untersucht werden - und fordert ihre technische Verbesserung. Und dann konsequenterweise: Wo sind für neue CT- oder KST-Entwicklungen vor ihrem klinischen Einsatz Prognosestudien oder gar Kosten-Nutzen-Analysen vorgelegt worden? Für Glukose-PET wurden diese Daten jedenfalls für einige wesentliche Indikationen ermittelt [4] [7] [9] [16] . Wir erlauben uns auch den Hinweis darauf, dass sich onkologische Chirurgen finden lassen, die diesen klinisch/prognostischen/Kosten-Nutzen analysierten Stellenwert von Glukose-PET mittragen [2] [5] [6] [14] [15] [16] [17] - und das nicht nur mit ihren Händen.
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Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin
der Universität Münster
Albert-Schweizer-Str. 33
48129 Münster
Email: schober.otmar@uni-muenster.de
Univ. Prof. Dr. med. R. Osieka
Medizinische Klinik IV (Hämatologie
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Pauwelsstraße 30
52057 Aachen
Email: rainhardt.osieka@post.rwth-aachen.de