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DOI: 10.1055/s-2001-13810-3
Erwiderung 2
Publication History
Publication Date:
28 April 2004 (online)

In unserer Studie [5] wurde Felodipin untersucht, ein Kalziumantagonist aus der Gruppe der Dihydropyridine, der zur Behandlung des Bluthochdrucks zugelassen ist. Zur gleichen Gruppe gehört Nimodipin, das als Antidementivum, aber nicht zur Behandlung des Bluthochdrucks zugelassen ist. Ziel unserer Untersuchung war es, die kognitive Leistungsveränderung neben der Blutdrucksenkung im Vergleich zu einer Diuretikakombination zu untersuchen.
Wegen der im Vergleich zu Nimodipin überlegenen Wirkung auf Hirngefäße [9] halten wir die nachgewiesene Wirkung von Felodipin auf die kognitive Leistungsfähigkeit bei Patienten mit Hypertonie für plausibel. Daher wirken Meyers Zweifel an den kognitiven Effekten von Felodipin überraschend. Seine Argumente stützen sich im Wesentlichen auf die negativen Ergebnisse einer Studie [6] mit Nifedipin, Diltiazem und Verapamil.
Diese Arbeit weist mehrere schwere methodische Mängel auf, auf die teils Trenkwalder schon eingegangen ist. So greift sie aus einer umfangreicheren Studie im Nachhinein Teilgruppen heraus, deren Medikation tatsächlich mit unterschiedlichen Symptomkonstellationen assoziiert war (»Baseline« bei Kalziumantagonisten signifikant mehr kardiale Symptome, höherer Nitratgebrauch; antihypertensiv halb so lange vorbehandelt wie die Patienten der ß-Blocker-Gruppe [Baseline 70 Monate] usw.). Alle diese Größen können den Verlauf der kognitiven Leistungseinbußen vor und nach dem Einschluss in die Studie wesentlich bestimmen. Doch der Verlauf vorher, einer der entscheidendsten Prädiktoren für die weitere Entwicklung der kognitiven Leistungen während des Untersuchungszeitraumes, wurde nicht kontrolliert. Hinzu kommen methodische Mängel, die mit dem verwendeten psychometrischen Test zusammenhängen: Ausgangs-IQ oder wenigstens Bildungsniveau nicht kontrolliert; die angewandten Kriterien für kognitiven Abfall, (10 Punkte) sind Willkür: Weder ist das erforderliche Datenniveau erreicht (Rang- statt Intervallskala) noch bedeuten diese Differenzen bei unterschiedlichen Schweregraden das Gleiche [3]. So sind keine verbindlichen Ergebnisse zu erwarten.
Der in dieser Studie [6] teils in Kombination verwendete Kalziumantagonist aus der Gruppe der Dihydropyridine ist Nifedipin (n = 23!). Er lässt nach Scribiane [8] im Vergleich zu den antidementiv verwendeten Kalziumantagonisten keine besonderen kognitiven Einflüsse erwarten, weil er die Blut-Hirn-Schranke nur ungenügend überschreitet. Die weiteren Kalziumantagonisten jener Studie (Diltiazem, Verapamil) sind Non-Dihydropyridine, denen ohnehin keine positiven Einflüsse auf die kognitive Leistungsfähigkeit unterstellt werden. Kalziumantagonisten sind also nach ihren Einflüssen auf die kognitive Leistungsfähigkeit zu differenzieren.
In unserer Studie waren von den 60 geplanten Patienten nur 31 in die Per-protocol-Analyse gelangt, im Wesentlichen, weil ein Untersuchungszentrum gänzlich herausgenommen wurde, nachdem der Monitor bei Stichproben von Protokollen herausfand, dass dazu keine Patienten vorhanden, die Daten also fingiert waren.
Da Erkenntnisse über die Wirklichkeit zu gewinnen sind, wir uns in Übereinstimmung mit GCP befinden und wir uns auch den Patienten gegenüber, die an der Studie teilgenommen haben, in der Pflicht fühlen, halten wir es für ethisch vertretbarer, die gewonnenen Daten einer öffentlichen Interpretation zugänglich zu machen und nicht, wie von Meyer gefordert, auf eine Auswertung und Publikation zu verzichten.
Wir nahmen alle Beteiligten an der Untersuchung, die nach den Vancouver-Regeln [2] Hinreichendes zur Arbeit beigetragen haben, in die Liste für Autoren auf, wie im konkreten Fall einen Aventis-Mitarbeiter. Dadurch werden Interessen offen gelegt und besser einschätzbar.
Das von Meyer behauptete erhöhte Risiko an kardiovaskulären Ereignissen durch die Applikation lang wirksamer Kalziumantagonisten wie Felodipin bedarf wegen der Bedeutsamkeit einer weiteren Diskussion. Anders als von ihm zitiert beziehen sich die in der Metaanalyse von Furberg genannten Daten (mittlerweile publiziert in 7) in unzulässiger Weise auf kurz- wie langwirksame sowie auf verschiedene Klassen von Kalziumantagonisten. Außerdem waren etliche der eingeschlossenen Studien keine ausgewiesenen Endpunktstudien, und es bestand bezüglich der Gesamtmortalität in der Furbergschen Metaanalyse kein Unterschied zu den anderen Behandlungsschemata.
Wesentlich aufschlussreichere Informationen enthält die randomisierte, prospektive STOP Hypertension-2-Studie [4]. Hier wurden Kalziumantagonisten vom Dihydropyridin-Typ (Felodipin und Isradipin) im Vergleich zu Diuretika, ß-Blocker und ACE-Inhibitoren bezüglich der Gesamtmortalität (primäre Zielgröße!) an 6614 Patienten geprüft. Es zeigte sich für Kalziumantagonisten weder im Vergleich zu ACE-Inhibitoren noch zu anderen Präparaten ein Unterschied. Bestätigt wird dieses Resultat von einer kürzlich erschienenen Meta-Analyse, die die eingeschlossenen Studien nach Klasse und Wirkdauer von Kalziumantagonisten differenziert [1].
Besonders unter Bezug auf den Kontext, in dem die Studie durchgeführt wurde, halten wir die nachgewiesene Wirkung von Felodipin auf die kognitive Leistungsfähigkeit bei Patienten mit Hypertonie nach wie vor für nicht zufällig und für klinisch relevant, letzteres, weil sich, mit den Normen verglichen, die Zielgröße (Kurzspeicherkapazität) um eine halbe Standardabweichung erhöhte und weil eine derartige Veränderung zudem von Angehörigen und Bekannten des Patienten im Alltag bemerkt wird. Wir werden auch weiterhin so viele der Bedingungen aufdecken, unter denen eine Arbeit entsteht, wie in einer Publikation möglich ist. Diese Transparenz erlaubt dem Leser, die veröffentlichten Ergebnisse eigenständig und unabhängig zu interpretieren.
Literatur
- 1 Blood Pressure Lowering Treatment Trialists Collaboration . Effects of ACE inhibitors, calcium antagonists, and other blood-pressure-lowering drugs. Lancet. 2000; 356 1955-1964
- 2 Creutzfeldt W, Gerok W. Vancouver-Regeln 1997 zur Einreichung von Manuskripten bei biomedizinischen Zeitschriften. Thieme: Stuttgart In Creutzfeldt W, Gerok W, Hrsg. Medizinische Publizistik - Probleme und Zukunft 1997: S 75-91
- 3 Gräßel E. Zur Anwendung psychopathometrischer Verfahren in der Demenzdiagnostik am Beispiel des Vergleichs zwischen dem Mini-Mental State und dem Testsystem MWT/KAI. Z Gerontol. 1993; 26 268-274
- 4 Hansson L, Lindholm L H, Ekbom T, Dahlöf B, Lanke J, Scherstén B, Wester P -O, Hedner T. Randomised trial of old and new antihypertensive drugs in elderly patients. Lancet. 1999; 354 1751-1756
- 5 Lehrl S, Gräßel E, Eicke C. Wirkung von Felodipin bei hypertonen Patienten mit leichten Hirnleistungsstörungen in einer randomisierten Doppelblindstudie. Dtsch Med Wschr. 2000; 125 1350-1355
- 6 Maxwell C J, Hogan D B, Ebly E M. Calcium-channel blockers and cognitive function in elderly people. Can Med Ass J. 1999; 161 501-506
- 7 Pahor M, Psaty B M, Cavazzini C. et al . Health outcomes associated with calcium antagonists compared with other first-line antihypertensive therapies: A meta-analysis of randomised controlled trials. Lancet. 2000; 356 1949-1954
- 8 Scribiane A. Pharmacology Overview: Nimodipine in CNS-Indications. Springer-Verlag: Berlin-Heidelberg In: Scribiane A., Teasdale GM, Tettenborn D, Young W Eds. Nimodipine - Pharmacological and Clinical Results in Cerebral Ischemia 1991: S 1-7
- 9 Thoren P, Westling H, Skarphedinsson J O. Effect on the calcium antagonists felodipin and nimodipine on cortical blood flow in the spontaneously hypertensive rats. J Hypertens. 1989; 7 S153-S158
Dr. Siegfried Lehrl
PD Dr. Elmar Gräßel
Klinik f. Psychiatrie u. Psychotherapie Universität Erlangen-Nürnberg
Schwabachanlage 6
91054 Erlangen
Phone: 09131/8534142
Dr. Christoph Eicke
Aventis Pharma
Königsteiner Straße 10
65812 Bad Soden am Taunus