Dtsch Med Wochenschr 2017; 142(12): 925-926
DOI: 10.1055/s-0043-112223
Facharztfragen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

58-jähriger Mann mit Luftnot

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Publication Date:
21 June 2017 (online)

Ein 58-jähriger Mann klagt über Luftnot, die seit Monaten besteht. Dabei etwas trockener Reizhusten, kein Auswurf, kein Nikotinabusus. Auskultatorisch hören Sie ein deutliches feines Knisterrascheln, basal betont. Woran denken Sie?
Antwort

An eine interstitielle Lungenerkrankung, eine pulmonale Stauung, auch an eine beidseitige Pneumonie.

Kommentar

Auskultationsbefund feine Rasselgeräusche und Knisterrascheln:

  • interstitielle Lungenerkrankungen

  • Lungenfibrose

  • Pneumonie

  • Lungenödem

Sie veranlassen ein Röntgenbild. Der Radiologe beschreibt eine deutliche retikulonoduläre Zeichnungsvermehrung beidseits. Das Herz ist nicht vergrößert, Stauungszeichen bestehen nicht. Was liegt am ehesten vor?
Antwort

Eine interstitielle Lungenerkrankung.

Kommentar

Radiologische Veränderungen bei interstitieller Lungenerkrankung:

  • milchglasartiges Bild

  • retikuläre Zeichnungsvermehrung

  • noduläre Zeichnungsvermehrung

  • später Wabenmuster

Wie gehen Sie jetzt weiter vor?
Antwort

Zunächst Untermauerung der Diagnose und Bestimmung der pulmonalen Funktionseinschränkung, dann Suche nach der Ätiologie.

Kommentar

Diagnostische Ziele bei V. a. interstitielle Lungenerkrankung:

  • Sicherung der Diagnose und Einschätzung des Schweregrads

  • ätiologische Abklärung

Wie bestimmen Sie das Ausmaß der pulmonalen Funktionseinschränkung?
Antwort

Durch eine Lungenfunktionsprüfung einschließlich Bestimmung der Diffusionskapazität (DLCO).

Kommentar

Lungenfunktionseinschränkung bei interstitieller Lungenerkrankung:

  • restriktive Ventilationsstörung, VC erniedrigt

  • DLCO erniedrigt

  • pO2 erniedrigt bei Belastung, später auch in Ruhe

Cave

Radiologischer Befund und Lungenfunktionsstörung korrelieren schlecht miteinander.

Sie sprachen von der ätiologischen Abklärung. Wie gut sind Ihre Chancen, eine Ursache zu finden?
Antwort

Etwa 50:50.

Kommentar

Ätiologie interstitieller Lungenerkrankungen:

  • bekannte Ursache: 50 %

  • unbekannte Ursache: 50 % (Idiopathische interstitielle Lungenerkrankung)

Merke

Die Hälfte der interstitiellen Lungenerkrankungen ist idiopathisch.

Wie beginnen Sie jetzt mit der ätiologischen Abklärung?
Antwort

Am wichtigsten ist zunächst die Anamnese. Mich interessiert die Exposition gegenüber anorganischen und organischen Stäuben, Rauch, Dämpfen, dann die Medikamentenanamnese und insbesondere die Frage nach Systemerkrankungen.

Kommentar

Anamnese bei interstitiellen Lungenerkrankungen:

  • Exposition gegenüber organischen Stäuben

  • Exposition gegenüber anorganischen Stäuben

  • Medikamentenanamnese

  • Systemerkrankungen

  • kardiale Vorerkrankungen

Was meinen Sie mit Exposition gegenüber organischen und anorganischen Stäuben?
Antwort

Ein Teil der interstitiellen Lungenerkrankungen wird durch inhalative Noxen ausgelöst, insbesondere durch anorganische Stäube – die Pneumokoniosen –, dann auch durch organische Stäube mit daraus resultierender Immunreaktion – die exogen allergische Alveolitis.

Kommentar

Interstitielle Lungenerkrankungen durch inhalative Noxen:

  • anorganische Stäube: Pneumokoniosen

  • organische Stäube: exogen allergische Alveolitis

  • Gase, Dämpfe

Welche Medikamente interessieren Sie?
Antwort

Eigentlich die komplette Medikamentenanamnese. Zu den Medikamenten, die bekanntermaßen Lungenfibrosen auslösen können, gehören Zytostatika und Amiodaron.

Kommentar

Medikamente, die eine Lungenfibrose auslösen können:

  • Bleomycin

  • Busulfan

  • Cyclophosphamid

  • Methotrexat

  • Azathioprin

  • Sulfonamide, Amiodaron

Welche Systemerkrankungen können mit einer Lungenfibrose einhergehen?
Antwort

Kollagenosen, Vaskulitiden, die rheumatoide Arthritis.

Kommentar

Interstitielle Lungenerkrankungen bei Systemerkrankungen:

  • Kollagenosen: SLE, Sklerodermie, Sjögren-Syndrom

  • Vaskulitiden: Wegener-Granulomatose

  • rheumatoide Arthritis

  • Sarkoidose

  • Amyloidose

Können Sie uns noch einmal zusammenfassen, welche Ursachen bei einer interstitiellen Lungenerkrankung berücksichtigt werden müssen?
Antwort

Idiopathische interstitielle Lungenerkrankung und interstitielle Lungenerkrankung durch bekannte Auslöser: inhalative Noxen, nicht-inhalative Noxen, Infektionen, ionisierende Strahlen, Kreislauferkrankungen, Systemerkrankungen.

Kommentar

Ursachen interstitieller Lungenerkrankungen:

  • idiopathisch

  • inhalative Noxen

  • nicht-inhalative Noxen

  • ionisierende Strahlen

  • Stauungslunge

  • ARDS

  • Systemerkrankung

  • Lymphangiosis carcinomatosa

Welche infektiösen Ursachen berücksichtigen Sie bei Ihren differenzialdiagnostischen Überlegungen?
Antwort

Die Tbc, die Legionellen, die Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie, auch virale Infekte.

Kommentar

Infektionen, die zum Bild der interstitiellen Lungenerkrankung führen können:

  • Bakterien:

    • Mykobakterien

    • Legionellen

  • Viren:

    • Influenzaviren

    • Parainfluenzaviren

    • CMV

  • Protozoen:

    • Pneumocystis carinii

  • Pilze

Wir kommen auf den 58-jährigen Mann von vorhin zurück. Es stellt sich bei der Anamnese heraus, dass er Vögel züchtet. Woran denken Sie?
Antwort

An eine exogen allergische Alveolitis.

Kommentar

Exogen allergische Alveolitis:

  • Immunreaktion:

    • Typ III und IV auf organische Stäube

  • Antigene:

    • Tiere (Vogelstaub, Vogelkot)

    • Pflanzen, Pilze (Schimmel)

    • Bakterien

    • Chemikalien

  • Oft Berufskrankheit:

    • Farmerlunge

    • Vogelzüchterlunge

    • Befeuchterlunge

Wie sieht denn die typische Anamnese bei dieser Erkrankung aus?
Antwort

Akut: trockener Husten, Atemnot, Fieber, Krankheitsgefühl, einige Stunden nach Antigenexposition. Chronisch: langsamer, u. U. schleichender Verlauf mit Dyspnoe und Reizhusten.

Kommentar

Anamnese bei exogen allergischer Alveolitis:

  • Akut (3 – 8 h nach Antigenexposition):

    • Husten, Atemnot

    • Schüttelfrost, Frösteln

    • Fieber

    • Krankheitsgefühl

  • Chronisch (bei geringer Antigenexposition):

    • langsam progrediente Dyspnoe

    • Husten

Wie gehen Sie weiter vor?
Antwort

Wenn der Mann Vogelzüchter ist und eine interstitielle Lungenerkrankung hat, ist die Diagnose einer exogenen allergischen Alveolitis schon ziemlich wahrscheinlich. Ich versuche, sie jetzt zu sichern, insbesondere durch die genaue Anamneseerhebung und die Suche nach spezifischen IgG-Antikörpern im Serum.

Kommentar

Diagnostisches Vorgehen bei V. a. exogen allergische Alveolitis:

  • Anamnese

  • Lungenfunktionsprüfung

  • Röntgen

  • Labor: spezifische IgG-Antikörper

  • Allergenkarenz

  • weitere Untersuchungen nur bei unklaren Befunden

Was meinen Sie mit „weitere Untersuchungen bei unklaren Befunden“?
Antwort

Antigen-Provokationstest, BAL, Lungenbiopsie.

Kommentar

Spezielle Diagnostik bei unklaren Befunden bei exogen allergischer Alveolitis:

  • Antigen-Provokationstest

  • BAL

  • Biopsie

Meinen Sie, dass das oft nötig ist?
Antwort

Nein, meistens lässt sich die Diagnose einfacher sichern.

Kommentar

Die Diagnose der exogen allergischen Alveolitis ist relativ wahrscheinlich, wenn folgende Kriterien vorliegen:

  • typische Anamnese mit Symptomen bei Allergenexposition

  • restriktive Ventilationsstörung

  • interstitielle Zeichnungsvermehrung im Röntgenbild

  • Nachweis antigenspezifischer IgG-Antikörper

Nach: Berthold Block,

Facharztprüfung Innere Medizin,

3000 kommentierte

Prüfungsfragen.

5., vollständig überarbeitete Auflage 2017

ISBN 9783131359551