Gesundheitswesen 2019; 81(02): 128-136
DOI: 10.1055/s-0043-111234
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Bedeutung des Migrationshintergrunds für die Gesundheit. Ergebnisse der österreichischen Gesundheitsbefragung (ATHIS 2014)

The Impact of Migration Background on Health: Results of the Austrian Health Interview Survey (ATHIS 2014)
Anja Waxenegger
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
,
Hannes Mayerl
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
,
Éva Rásky
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
,
Erwin Stolz
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
,
Wolfgang Freidl
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
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Publication Date:
12 July 2017 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund Die bisherige Forschung zeigt, dass MigrantInnen in vielen Bereichen über eine schlechtere Gesundheit verfügen als Menschen ohne Migrationshintergrund. Ob sich das schlechtere gesundheitliche Abschneiden von MigrantInnen vorwiegend auf deren sozioökonomischen Status (SES) – der im Durchschnitt niedriger ausfällt als jener der nicht-migrantischen Bevölkerung – zurückführen lässt, ist bisher noch unzureichend geklärt. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, welche Bedeutung das Vorhandensein eines Migrationshintergrunds für verschiedene gesundheitliche Aspekte besitzt, wenn SES und gesundheitsbezogenes Verhalten berücksichtigt werden.

Methode Mit den Daten der aktuellen österreichischen Gesundheitsbefragung (ATHIS 2014) wurden altersadjustierte und nach Geschlecht stratifizierte lineare Regressionsanalysen der Variablen physische Lebensqualität, psychische Lebensqualität, subjektive Gesundheit, Body-Mass-Index (BMI), Kopf-/muskuloskelettale Schmerzen sowie Herz-Kreislauf (HKL)-Erkrankung/Diabetes durchgeführt (n=15748).

Ergebnisse Die in der altersadjustierten Analyse festgestellten Unterschiede zwischen Männern und Frauen mit Migrationshintergrund und Männern und Frauen ohne Migrationshintergrund werden nach Berücksichtigung des SES und des gesundheitsbezogenen Verhaltens überwiegend kleiner. Die größte Erklärungskraft besitzt ein Migrationshintergrund für MigrantInnen aus Herkunftsländern mit einem im Vergleich zu Österreich niedrigeren ungleichheitsadjustierten Human Development Index (IHDI).

Schlussfolgerung Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass gesundheitliche Differenzen zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen ohne Migrationshintergrund zwar nicht vollständig, jedoch zu einem großen Teil durch den SES und das gesundheitsbezogene Verhalten erklärbar sind. Allerdings scheinen für die Gesundheit von MigrantInnen aus Herkunftsländern mit einem im Vergleich zu Österreich niedrigeren Lebensstandard und einer vergleichsweise schwächer ausgeprägten Verteilungsgerechtigkeit weitere Faktoren eine Rolle zu spielen. Gesundheitliche Unterschiede zu Personen ohne Migrationshintergrund lassen sich bei dieser MigrantInnengruppe in vielen Bereichen nicht allein auf Unterschiede im SES und im gesundheitsbezogenen Verhalten zurückführen.

Abstract

Objectives Previous research has shown migrants to have a poorer health status than those without a migration background in many respects. So far, it is not completely clear whether the poorer health results of migrants are mainly the cause of their socioeconomic status (SES), which on average is lower than the SES of people without a migration background. The present study explores the question whether the fact of having a migration background has an impact on health, even though SES and health-related behavior are taken into account.

Methods Based on data from the current Austrian Health Interview Survey (ATHIS 2014) multiple linear regression models, adjusted for age and stratified by gender, were conducted. The dependent variables were physical quality of life, psychological quality ofZ life, self-perceived health, body-mass-index (BMI), headaches/musculoskeletal pain, and diabetes/cardiovascular diseases (n=15,748).

Results We found differences in health between men and women with migration background and men and women without migration background. After adjusting for age, SES and health-related behavior, almost all of the revealed differences got smaller. The strongest link between migrant status and health status was detected for migrants from countries with a lower Inequality-adjusted Human Development Index (IHDI) in comparison to Austria.

Conclusion The results lead to the conclusion that although SES and health-related behavior do not fully explain health differences between people with migration background and those without, they can explain the differences to a large extent. However, for the health status of migrants who stem from countries with a lower standard of living and a weaker distributive justice in comparison to Austria, further factors might play a role. With respect to this group of migrants, differences in health compared to non-migrants are not solely attributable to SES and health-related behavior.