Zusammenfassung
Migranten sind eine zahlenmäßig bedeutsame Gruppe mit spezifischen Krankheitsrisiken
und Gesundheitschancen. Ein Survey, der repräsentativ für die Bevölkerung in Deutschland
sein möchte, sollte diese Gruppe entsprechend ihrem Anteil einbinden. Migranten sind
jedoch schwieriger an Gesundheitsuntersuchungen zu beteiligen als Nicht-Migranten.
Der telefonische Gesundheitssurvey 2003 (GSTel03) liefert erste Erfahrungen zum Teilnahmeverhalten
von Migranten an bundesweiten telefongestützten Gesundheitsuntersuchungen. Unterschieden
werden können mit dem Erhebungsinstrument des Telefonsurveys drei Migrantengruppen:
Personen mit einer nichtdeutschen Staatsangehörigkeit (Ausländer), eingebürgerte Migranten
sowie (Spät-)Aussiedler. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit den besonderen Zugangsbedingungen
zu einer telefonischen Gesundheitsbefragung und daraus resultierenden Verzerrungen
in soziodemographischen und gesundheitsbezogenen Merkmalen. Die Analyse basiert auf
einem Vergleich von Daten der Ausländerstichprobe des Telefonsurveys und Daten der
amtlichen Statistik sowie der Mikrozensuserhebung aus dem Jahre 2003. Der Anteil der
Personen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit liegt in der GSTel03-Stichprobe deutlich
unter dem in der Bevölkerung (3,7 % vs. 8,9 %). Während keinerlei auf Geschlecht und
Alter bezogene Verzerrungen zu verzeichnen sind, können signifikante Unterschiede
in anderen soziodemographischen Merkmalen wie Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsdauer,
Arbeitslosenquote und Bildung festgestellt werden. Diese selektive Teilnahme geht
nur mit einer moderaten Verzerrung der untersuchten Gesundheitsdaten einher. Dabei
lässt sich kein eindeutiger Trend ausmachen, ob der Gesundheitszustand zu positiv
oder zu negativ abgebildet wird. Die Ergebnisse machen die Notwendigkeit solcher Bias-Analysen
und ihrer Berücksichtigung bei der Interpretation der Ergebnisse deutlich und unterstreichen
einmal mehr, dass besondere Bemühungen erforderlich sind, um Migranten in Studien
einzubinden.
Abstract
Migrants living in Germany are a both large and vulnerable population subgroup. They
are not easily induced to participate in health surveys, Hence, achieving high participation
rates of migrants in health surveys and avoiding selection bias is a difficult task.
In this study, we report on the participation of migrants in the German National Health
Telephone Survey 2003 (GSTel03), the first comprehensive national health survey conducted
by telephone in Germany. Three migrant groups were identified: individuals with non-German
citizenship (foreigners), naturalized migrants, and ethnic German immigrants (Spätaussiedler).
The aim of this study is to evaluate the degree to which the GSTel03 subsample of
foreigners is representative for foreigners living in Germany. We compare the prevalence
of sociodemographic characteristics and selected health indicators of foreigners in
the GNTel03 subsample with prevalences from national statistics and from a large national
household survey (“Mikrozensus 2003”). The proportion of participants with non-German
nationality in the overall GSTel03 sample was significantly lower than the proportion
of foreigners in the residential population in Germany (3.7 % vs. 8.9 %). While there
was no evidence of selection bias with regard to age and sex distribution, we found
significant differences with regard to other factors, including nationality, length
of stay in Germany, unemployment rate and education. The comparison of health indicators
showed only moderate differences between GSTel03 sample and “Mikrozensus” results.
However, these differences did not consistently point to a better or worse health
status in the GSTel03 sample of foreigners and should therefore not be generalised
in respect of other health indicators. Our study emphasises the importance of a continuous
effort to improve migrant participation in health studies and of a thorough analysis
of selection bias when interpreting results.
Schlüsselwörter
Migranten - Repräsentativität - Teilnahmeverhalten - telefonischer Gesundheitssurvey
2003
Key words
Migrants - representativeness - response - telephone surveys
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1 Der Begriff „Beteiligung” impliziert ‚subjektive’ Teilnahmebereitschaft und ‚objektive’
Teilnahmemöglichkeiten gleichermaßen.
Dr. Liane Schenk
Robert Koch-Institut
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