Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(04): 285-288
DOI: 10.1055/s-0041-106694
Fachwissen
Standpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Typ-2-Diabetes – Kriterien für die Wahl des Antidiabetikums

Type 2 diabetes – criteria for the selection of the antidiabetic drug
Baptist Gallwitz
1   Medizinischen Klinik IV, Universitätsklinikum Tübingen
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Korrespondenz

Prof. Dr. med. Baptist Gallwitz
Stellvertretender Direktor
Medizinische Klinik IV
Universitätsklinikum Tübingen
Otfried-Müller-Str. 10
72076 Tübingen
Phone: +49 7071 29 82093   
Fax: +49 7071 29 5004   

Publication History

Publication Date:
17 February 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Die moderne Behandlung des Typ-2-Diabetes verfolgt einen patientenzentrierten Ansatz. Die Festlegung des HbA1c-Zielwerts erfolgt unter Berücksichtigung der individuellen Situation der Betroffenen wie Alter, Krankheitsdauer und Komorbiditäten. Dem Behandler stehen in der stufenweisen Therapie des Typ-2-Diabetes mittlerweile mehrere Optionen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zur Verfügung, die gemäß der nationalen Versorgungsleitlinie nach Lebensstilintervention und Metformin-Basistherapie zum Einsatz kommen können. Studienergebnisse zeigen Unterschiede zwischen den einzelnen Substanzklassen hinsichtlich antihyperglykämischer Wirksamkeit, Hypoglykämierisiko und Effekt auf das Körpergewicht. Auch die Wirkung auf kardiovaskuläre Parameter tritt zunehmend in den Fokus der Arzneimittelwahl. Diese Abwägung von Wirksamkeit und Sicherheit spiegelt sich in der immer gebräuchlicheren Darstellung des kombinierten Endpunktes „Erreichen des Ziel-HbA1c ohne Hypoglykämien und ohne Gewichtszunahme“ in Studien wider. Eine leitliniengerechte, evidenzbasierte Einordnung der zur Verfügung stehenden Therapieoptionen soll der Orientierung im Praxisalltag dienen.


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Abstract

Modern treatment of type 2 diabetes follows a patient-centered approach. Blood glucose targets depend on patients’ individual situation e. g. age, disease duration and comorbidities. Today physicians can choose from several antidiabetics with different modes of action. Based on national guidelines on the step-wise treatment of type 2 diabetes these substances come into consideration after lifestyle intervention and initial pharmacotherapy with metformin proved to be insufficient. Results from clinical trials have in part shown significant differences between distinct drug classes regarding efficacy, risk of hypoglycemia and effect on body weight. Cardiovascular safety is another important aspect to consider. This balance between efficacy and safety is reflected more and more by analyzing a combined endpoint “reaching individual HbA1c-target without hypoglycemia and weight gain”. A guideline- and evidence-based classification of present therapeutic options aims to support orientation in diabetes practice.


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Die moderne Behandlung des Typ-2-Diabetes ist patientenorientiert: Der HbA1c-Zielwert wird individuell festgelegt – abhängig von Alter, Krankheitsdauer und Komorbiditäten des Betroffenen. Zur stufenweisen Therapie stehen mittlerweile mehrere Medikamente mit unterschiedlichen Wirkstoffen zur Verfügung. Eine leitliniengerechte, evidenzbasierte Einordnung der möglichen Therapien soll als Orientierung im Praxisalltag dienen.

Patientenorientiert vorgehen | Die Patientenpopulation bei Typ-2-Diabetes ist sehr heterogen. Deshalb scheint eine Festlegung des HbA1c-Zielkorridors auf der Basis individueller, patientenbezogener Kriterien zielführend zu sein. Für solch ein patientenorientiertes Vorgehen haben sich auch die American Diabetes Association (ADA) und die European Association for the Study of Diabetes (EASD) eingesetzt und 2012 ein Konsensus-Statement veröffentlicht. Dieses wurde 2015 aktualisiert und weiterentwickelt [1].

Die Nationale Versorgungsleitlinie hat den Grundsatz einer patientenorientierten Festlegung des HbA1c-Zielwerts in ihre aktuelle Version aufgenommen.

Ferner fokussiert sie auch darauf, Hypoglykämien und eine therapiebedingte Gewichtszunahme zu vermeiden [2].

Individuelle Behandlungsziele

Nicht zu streng einstellen | Ziel einer Diabetesbehandlung ist die langfristige glykämische Kontrolle. Durch Senkung des HbA1c-Werts lässt sich das Risiko für Hyperglykämie-bedingte Komplikationen (sowohl mikro- als auch makrovaskulärer Art) reduzieren. Allerdings wurden mögliche Nachteile eines allzu intensiven, glucozentrischen Therapieansatzes durch die Ergebnisse der ACCORD-, ADVANCE- und VADT-Studien deutlich: Häufig waren hypoglykämische Episoden die Folge [3]. Die Ergebnisse dieser Studien haben die Therapieziele bei Typ-2-Diabetes differenzierter werden lassen.

Individuelle Therapie erfolgsentscheidend | Typ-2-Diabetes ist eine multifaktorielle Erkrankung und häufig mit unterschiedlichen Komorbiditäten assoziiert. Dies bedeutet, dass Betroffene nicht in gleicher Weise von einem straff vorgegebenen Behandlungskonzept profitieren und der jeweilige Patient im Fokus stehen sollte.

So ist die individuelle Therapiegestaltung erfolgsentscheidend und wirkt sich auch auf die Therapieadhärenz des Patienten aus.

Blutzucker-Zielwert | Die Nationale Versorgungsleitlinie empfiehlt zur Primärprävention von Folgekomplikationen einen HbA1c-Zielkorridor von 6,5–7,5 % [2]. Um den Blutzucker-Zielwert innerhalb dieses Korridors festzulegen, sollten individuelle Aspekte, wie z. B. die Diabetesdauer, berücksichtigt werden ( [ Tab. 1 ]) [1], [2]. Nach individueller Situation des Patienten können auch Zielwerte außerhalb dieses Korridors sinnvoll sein.

Tab. 1 Ansatz zum Hyperglykämie-Management [1]. Teils modifizierbare, teils nicht modifizierbare Faktoren entscheiden darüber, ob das HbA1c eher streng oder eher weniger streng eingestellt werden sollte. Die Übergänge sind fließend.

Faktoren

Modifizierbar?

HbA1c-Einstellung

streng (< 7 %)

 

weniger streng (> 7 %)

Risiken in Zusammenhang mit Hypoglykämien und anderen unerwünschten Wirkungen

nein

niedrig

 

hoch

bekannte Diabetesdauer

nein

neu diagnostiziert

 

lange bestehend

Lebenserwartung

nein

lang

 

kurz

entscheidende Komorbiditäten

nein

fehlend

wenige / mild

schwerwiegend

manifeste Gefäßkomplikationen

nein

fehlend

wenige / mild

schwerwiegend

Patienteneinstellung und Therapieerwartung

potenziell

hohe Motivation / Adhärenz; exzellente Selbstbehandlungskompetenz

 

geringe Motivation / Adhärenz; mangelhafte Selbstbehandlungskompetenz

Ressourcen und Unterstützung

potenziell

leicht verfügbar

 

begrenzt


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Lebensstilintervention und Monotherapie mit Metformin

Änderung der Lebensweise | Der Blutzuckerwert sollte möglichst früh im Krankheitsverlauf eingestellt werden: Die Zeitspanne, die bis zur individuell idealen glykämischen Kontrolle vergeht, kann einen Einfluss auf das sogenannte metabolische Gedächtnis haben. In erster Linie kommt es darauf an, durch Schulung des Patienten eine wirksame Lebensstilintervention bezüglich der Ernährung und der körperlichen Aktivität zu erreichen.

Metformin-Monotherapie | Wurde der individuell festgelegte HbA1c-Zielwert trotz der Lebensstilintervention innerhalb von 3–6 Monaten nicht erreicht, ist Metformin das präferierte Antidiabetikum in der ersten pharmakologischen Therapiestufe ( [ Tab. 2 ]) [1], [2]. Als Monotherapie bewirkt Metformin eine HbA1c-Reduktion von 1–2 %. Ferner erniedrigt es das LDL-Cholesterin und die Triglycerid-Konzentrationen [4]. Die Bewertung neuer Daten zeigt, dass Metformin in reduzierter Dosis nun auch bei Patienten mit Niereninsuffizienz bis zu einer Kreatinin-Clearance von 45 ml / min eingesetzt werden kann [5]. Wird unter Metformin-Monotherapie innerhalb von etwa 3–6 Monaten der individuell festgelegte HbA1c-Zielwert nicht erreicht, sollte ein weiteres Antidiabetikum hinzugenommen werden [1], [2].

Tab. 2 Wirkstoffeigenschaften im indirekten Vergleich. Nur eingeschränkte Vergleichbarkeit auf Basis der vorhandenen Daten [1], [4], [6], [16], [17].

Wirkstoff

Wirksamkeit

(HbA1c-Reduktion)

Hypoglykämierisiko

Auswirkung auf das Körpergewicht

Metformin

++

niedrig

neutral

Sulfonylharnstoff

++

hoch

Glinide

+

moderat

GLP-1-RA

++

niedrig

↓↓

DPP-4-Hemmer

+

niedrig

neutral

α-Glucosidase-Hemmer

+

niedrig

↓↓

SGLT2-Inhibitoren

+

niedrig

↓↓

Alternativen | Ein alternativer pharmakologischer Ansatz zu einer Metformin-Monotherapie ist notwendig, wenn eine Metformin-Unverträglichkeit oder eine Kontraindikation vorliegt (z. B. schwere chronische Erkrankungen mit ausgeprägter Hypoxieneigung oder eine Alkoholkrankheit). Das Antidiabetikum sollte man unter Berücksichtigung der jeweiligen Wirkstoffeigenschaften und der individuellen patientenspezifischen Faktoren wählen.

Da es jedoch gegenwärtig an langfristigen vergleichenden Studien mit klinisch relevanten Endpunkten zur Wirksamkeit der einzelnen Antidiabetika mangelt, können keine einheitlichen Empfehlungen zur Wahl des geeignetsten Wirkstoffes ausgesprochen werden.

Im Folgenden werden daher die zur Verfügung stehenden Optionen anhand wichtiger Behandlungskriterien eingeordnet. Auf eine Erörterung von Pioglitazon und der α-Glucosidase-Inhibitoren wird hinsichtlich ihrer geringen Bedeutung in der Therapielandschaft in diesem Zusammenhang verzichtet.


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Glukoseunabhängige insulinotrope Substanzen

Sulfonylharnstoffe und Glinide | Diese Wirkstoffe stimulieren die Insulinsekretion glukoseunabhängig. In Placebo-kontrollierten Studien bewirkten Sulfonylharnstoffe eine durchschnittliche HbA1c-Reduktion von – 0,8 % [6]. Die Wirkung der Glinide war mit 0,7 % etwas geringer [6]. Unterschiede zwischen beiden Substanzklassen zeigen sich auch in der Pharmakokinetik. So ist die Halbwertszeit der Glinide kürzer als die der Sulfonylharnstoffe, weshalb Glinide öfter am Tag mahlzeitenbezogen eingenommen werden müssen.

Da Sulfonylharnstoffe und Glinide glukoseunabhängig wirken, d. h. ohne physiologische Limitation, sind sie mit einem vergleichsweise hohen Hypoglykämierisiko assoziiert (durchschnittliches relatives Risiko in Placebo-kontrollierten Studien: 2,63 bzw. 7,92) [6].

Gewichtszunahme | Die Ergebnisse Placebo-kontrollierter, klinischer Studien haben zudem gezeigt, dass der Einsatz beider Substanzen häufig mit einer Zunahme des Körpergewichts verbunden ist (2,0 kg unter Sulfonylharnstoffen bzw. 0,9 kg unter Gliniden) [6]. In der UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) 33 wurde unter Sulfonylharnstoffen im Vergleich zu einer konventionellen Therapie (Ernährungsumstellung) Präparatabhängig eine signifikante durchschnittliche Zunahme des Körpergewichts um bis zu 2,6 kg beobachtet [7]. Der Einfluss von Sulfonylharnstoffen und Gliniden auf kardiovaskuläre Parameter ist bislang nicht eindeutig geklärt.


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Glukoseabhängige insulinotrope Substanzen

Inkretinbasierte Medikamente | Glucagon-Like-Peptide-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) und Dipeptidyl-Peptidase (DPP)-4-Inhibitoren bilden die Gruppe der inkretinbasierten Medikamente, deren insulinotrope Wirkung vom Blutzuckerspiegel abhängig ist. Placebo-kontrollierte, klinische Studien haben gezeigt, dass die HbA1c-Reduktion unter GLP-1-RA durchschnittlich – 1,0 %, und unter DPP-4-Inhibitoren durchschnittlich – 0,8 % beträgt [6]. GLP-1-RA und DPP-4-Hemmer sind mit einem vergleichsweise geringen Hypoglykämierisiko assoziiert (relatives Risiko gegenüber Placebo: 0,94 bzw. 0,67). Durch eine praktisch altersunabhängige Pharmakokinetik und Verträglichkeit erzielen GLP-1-RA wie Liraglutid auch im Risikokollektiv der älteren Diabetespatienten eine effektive glykämische Kontrolle [8].

GLP-1-RA: Reduktion des Körpergewichts | Sowohl das natürliche GLP-1 als auch GLP-1-RA besitzen zusätzlich extrapankreatische Effekte:

  • So zeigte eine direkte 26-wöchige Vergleichsstudie, dass die GLP-1-RA Exenatide (Retard-Form) und Liraglutid eine dosisabhängige Reduktion des Körpergewichts um bis zu 2,7 kg bzw. 3,6 kg bewirkten (p = 0,0005) [9].

  • Unter Dulaglutid wurde im gleichen Zeitraum eine Reduktion des Körpergewichts um 2,9 kg beobachtet (im Vergleich zu 3,6 kg unter Liraglutid; p = 0,011) [10].

  • Auch Lixisenatid und Albiglutid erwiesen sich im Rahmen direkter Vergleichsstudien mit Liraglutid als gewichtsreduzierend (– 1,6 kg nach 28 Tagen bzw. – 0,6 kg nach 32 Wochen) [11], [12].

Allerdings war dieser Effekt unter dem Komparator Liraglutid jeweils signifikant stärker (– 2,4 kg, p < 0,01 bzw. – 2,2 kg, p < 0,0001) [11], [12].

DPP-4-Inhibitoren: gewichtsneutral | Für die DPP-4-Inhibitoren konnten vergleichbare Effekte bisher nicht beobachtet werden, weshalb sie allgemein als gewichtsneutral angesehen werden. In Placebo-kontrollierten Studien wurde eine durchschnittliche Gewichtsreduktion von 0,1 kg bzw. 1,8 kg für DPP-4-Hemmer bzw. GLP-1-RA beobachtet [6].

Wirkung auf kardiovaskuläre Risikofaktoren | GLP-1-RA haben einen günstigen Effekt auf kardiovaskuläre Risikofaktoren – wie den systolischen Blutdruck und das Lipidprofil [13]. DPP-4-Inhibitoren stellten sich als neutral im Hinblick auf einen primären gemischten kardiovaskulären Endpunkt im Vergleich zur Standardtherapie bzw. Placebo heraus [14], [15].


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Insulinunabhängig wirkende Medikamente

Geringes Risiko für Hypoglykämien | Substanzen, die die physiologische Aktivität des renal exprimierten Sodium / Glukose-Co-Transporters (SGLT)-2 hemmen, verfolgen einen insulinunabhängigen Wirkansatz. In der Monotherapie bewirken sie eine Reduktion des HbA1c-Werts um –0,3 bis –1,0 % [16].

Aufgrund ihres Wirkmechanismus ist das Risiko wirkstoffinduzierter Hypoglykämien sehr gering (0,9 % und 4,3 %) [16].

Die durch SGLT-2-Inhibitoren hervorgerufene vermehrte Glukose-Exkretion war in klinischen Studien zudem mit einer Reduktion des Körpergewichts um bis zu 3 kg assoziiert [17]. Eine Zunahme hypoglykämischer Ereignisse wurde vor allem bei Kombinationstherapien mit Sulfonylharnstoffen beobachtet [16].

Ketoazidosen | Die Ergebnisse einer kürzlich vorgestellten Endpunktstudie zu Empagliflozin zeigten unter anderem eine reduzierte kardiovaskuläre Sterblichkeit bei Patienten mit entsprechender Vorbelastung [23]. Ein Informationsbrief des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte berichtet über Ketoazidosen, die unter einer Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren auftreten. Er verweist insbesondere auf die fehlende Zulassung dieser Substanzgruppe zur Behandlung von Menschen mit Typ-1-Diabetes [18].


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Insulin

Effektive HbA1c-Reduktion | Insulin und Insulinanaloga bilden die Wirkstoffklasse mit der größten klinischen Erfahrung zur Therapie des Typ-2-Diabetes. Sie ist im Vergleich zu anderen Antidiabetika besonders effektiv in Bezug auf die HbA1c-Reduktion und ist häufig notwendig, um langfristig eine normoglykämische Einstellung der Patienten zu erreichen. Es wurde eine HbA1c-Reduktion von bis zu 5 % (in Kombination mit Metformin) beobachtet [19]. Allerdings ist das Risiko hypoglykämischer Ereignisse unter Insulingabe erhöht, kann aber durch den Einsatz kurzwirksamer und / oder langwirksamer Insulinanaloga vermindert werden.

Gewichtszunahme | Ein weiterer Aspekt in der Insulintherapie ist die zum Teil deutliche Körpergewichtszunahme der Patienten. Diese ist vermutlich insbesondere einer verminderten Glukosurie zuzuschreiben.


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Divergenzen in den Leitlinien zur Behandlung des Typ-2-Diabetes

Uneinigkeit bei den Gesellschaften | In die aktuelle deutsche Nationale Versorgungsleitlinie wurde der individuelle Ansatz der Diabetestherapie aufgenommen, wenngleich zwischen den verantwortenden Organisationen (DDG, DGIM, DEGAM, AkdÄ) noch Divergenzen bestehen – vor allem bei der Grundlage der Therapieentscheidung [2]:

  • DEGAM und AkdÄ verfolgen einen Therapiealgorithmus, basierend auf einem eher konservativen Evidenzbegriff. So werden primär nur Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen empfohlen, für die eine entsprechende Evidenz aus Endpunktstudien gegeben ist.

  • Demgegenüber befürworten DDG und DGIM einen flexibleren Einsatz von Antidiabetika, unter Berücksichtigung vor allem des Hypoglykämiepotenzials [22]. Vor- und Nachteile sind aus ihrer Sicht abhängig von der individuellen Situation des Patienten einzuordnen.

Verschiedene Leitlinienempfehlungen | Entsprechend dieser Divergenzen ergeben sich – abgesehen von einer Pharmako-Monotherapie mit Metformin als erste Wahl – unterschiedliche Leitlinienempfehlungen.

  • DEGAM und AkdÄ bevorzugen eine Kombinationstherapie aus Metformin / Humaninsulin oder Metformin / Sulfonylharnstoff, da sie für diese Kombinationen einen Nutzennachweis sehen.

  • DDG und DGIM erachten als wichtige Parameter einer zielführenden Diabetestherapie, das Auftreten hypoglykämischer Episoden und einer Zunahme des Körpergewichts zu verhindern [2]. Daher haben Sulfonylharnstoffe und Insulin hier einen geringeren Stellenwert.

Empfehlungen zu Dreifachkombinationen | Die Divergenz in den Leitlinien zeigt sich auch mit Blick auf eine mögliche Kombination von drei unterschiedlichen Antidiabetika plus Basistherapie, wenn unter einer Zweifachkombination das gewünschte HbA1c-Ziel nicht erreicht werden kann. Aus Sicht der DDG und DGIM liegen Studienergebnisse vor, die eine verbesserte glykämische Kontrolle unter Dreifachkombination andeuten [20], [21]. Sie betonen jedoch, dass aufgrund der schwachen Datenlage eine engmaschige Überwachung des Patienten notwendig ist. Außerdem sollten nur jene Wirkstoffe kombiniert werden, deren Wirkmechanismen sich ergänzen. DEGAM und AkdÄ sehen in den vorliegenden Daten keine ausreichende Evidenz für dieses Vorgehen und raten daher grundsätzlich von einer Dreifachkombination antidiabetischer Wirkstoffe ab und favorisieren damit einen sehr viel früheren Einsatz von Insulin.

Konsequenz für Klinik und Praxis
  • Die individuelle Situation des Patienten hat einen wesentlichen Einfluss auf die Festlegung des HbA1c-Zielwerts. Dabei ist das allgemeine Ziel, die mit Hyperglykämien assoziierten Risikofaktoren zu mindern und Komplikationen zu vermeiden, um so die Morbidität und Mortalität zu reduzieren.

  • Eine frühe Therapieoptimierung ist entscheidend für einen nachhaltigen Behandlungserfolg.

  • Eine Lebensstil-intervenierende Basistherapie und eine Monotherapie mit Metformin bilden nach wie vor die Grundpfeiler im Therapiemanagement des Typ-2-Diabetes.

  • Für die Kombinationstherapie stehen mittlerweile viele verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung. Wichtige Aspekte für die Wahl eines geeigneten Antidiabetikums umfassen seine Wirksamkeit, die Risiken für Hypoglykämien und kardiovaskuläre Ereignisse sowie die Auswirkung auf das Körpergewicht.

  • Eindeutige Empfehlungen können gegenwärtig nicht ausgesprochen werden, da Langzeitstudien mit harten Endpunkten noch fehlen – mit Ausnahme für den SGLT2-Hemmer Empagliflozin in einer Studie. Substanzen, wie die GLP-1-RA, zeigen erste vielversprechende Ergebnisse für eine verbesserte Therapie, wohingegen sich ungünstige Daten zu Sulfonylharnstoffen gemehrt haben.


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Prof. Dr. med. Baptist Gallwitz

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ist Stellv. Direktor der Medizinischen Klinik IV, Universitätsklinikum Tübingen.
baptist.gallwitz@med.uni-tuebingen.de

Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, Vortragstätigkeiten für AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, Bristol Myers Squibb, Berlin-Chemie, Novartis, Novo Nordisk, MSD, Lilly, Roche und Sanofi durchgeführt zu haben. Er war Mitglied in Advisory Boards bei AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, MSD, Novo Nordisk, Lilly und Roche.

Danksagung

Der Autor dankt Dr. Bastian Schmidt (Medical Writing Services) und der Firma Novo Nordisk für die Unterstützung bei der Erstellung des Manuskriptes.

  • Literatur

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  • 22 Landgraf R, Kellerer M, Fach E et al. Praxisempfehlungen DDG / DGIM. Diabetologie 2015; 10 ((Suppl 2)) 140-151
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