Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(13): 974
DOI: 10.1055/s-0041-102660
Dossier
Multiresistente Erreger
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Infektiologie: Wandel ist nicht immer Fortschritt

Mathias W. Pletz
Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena
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Publication Date:
26 June 2015 (online)

“The book of Infectious Diseases can now be closed“. Dieses Zitat des amerikanischen Surgeon General William Stewart von 1967, hat sich als eine grobe Unterschätzung der Evolution herausgestellt. Die Infektiologie ist das internistische Fachgebiet, das einem ständigen Wandel unterliegt. Während in den meisten Disziplinen der Behandlungserfolg von Therapie und Patient abhängt, kommt bei Infektionen eine dritte Einflussgröße – der Erreger – hinzu. Daher bedeutet „Wandel“ in der Infektiologie im Gegensatz zu anderen Fachgebieten nicht immer Fortschritt, denn

  • Resistenzentwicklung [1],

  • neue Erreger und

  • neue immunsuppressive Therapien, die wiederum Infektionen mit Opportunisten nach sich ziehen,

machen die rationale Diagnostik und Therapie von Infektionskrankheiten zu einer stetig wachsenden Herausforderung.

Der erste Dossierbeitrag befasst sich mit dem Management multiresistenter Erreger (MRE). Die Situation bei MRSA hat sich aufgrund einiger neuer Antibiotika entspannt. Dieses neue therapeutische Portfolio ermöglicht mittlerweile eine individualisierte Therapie von MRSA-Infektionen nach Fokus und Ko-Morbidität. Im Gegensatz zu MRSA ist die Situation bei multiresistenten Gramnegativen Erregern (MRGN) besorgniserregend. Diese MRGN breiten sich schneller aus als MRSA – auch außerhalb der Krankenhäuser. Sie haben multiple Resistenzmechanismen. Bislang wurden ca. 1000 verschiedene β-Laktamasen beschrieben, nicht alle davon können durch die Carbapenemase-Inhibitoren gehemmt werden. Diese Substanzklasse ist immer noch in Entwicklung. Daher muss hier auf alte Substanzen und Kombinationen zurückgegriffen werden.

Der zweite Dossierbeitrag behandelt das Management der im klinischen Alltag häufig auftretenden Bakteriämie durch Methicillin-sensible Staphylococcus-aureus-Stämme. Hier scheint die Therapie zunächst banal. Überraschenderweise beträgt die Letalität dieser Infektion auch in deutschen Krankenhäusern bis zu 30 %.

Dies zeigt eindrucksvoll, dass selbst eine am Resistogramm ausgerichtete Antibiotikawahl keinen Therapieerfolg garantiert. Es müssen weitere Erreger- und Patienten-spezifische Faktoren sowie pharmakodynamische und pharmakokinetische Eigenschaften der Antibiotika berücksichtigt werden. Studien zeigen, dass die Besonderheiten der S.-aureus-Bakteriämie häufig nicht bekannt sind. Dies lässt ein Defizit in der Ausbildung vermuten.

In einer aktuellen europaweiten Umfrage zur infektiologischen Ausbildung gaben Medizinstudenten an, sehr gut in der Diagnostik von Infektionskrankheiten geschult zu sein. Gleichzeitig zeigten sie jedoch große Unsicherheiten bei korrekter Auswahl, Dosierung und Deeskalation der Antibiotikatherapie [2]. Insofern hoffen wir, dass dieses Dossier Ihr Interesse findet und dazu beiträgt, das Wissen um eine adäquate Antibiotikatherapie zu erweitern.

 
  • Literatur

  • 1 Brandt C, Makarewicz O, Fischer T et al. The bigger picture: the history of antibiotics and antimicrobial resistance displayed by scientometric data. Int J Antimicrob Agents 2014; 44: 424-430
  • 2 Dyar OJ, Pulcini C, Howard P et al. European medical students: a first multicentre study of knowledge, attitudes and perceptions of antibiotic prescribing and antibiotic resistance. J Antimicrob Chemother 2014; 69: 842-846