Schlüsselwörter
Hämodiafiltration - Hämodialyse - Mortalität - Lebensqualität
Keywords
hemodiafiltration - hemodialysis - mortality - quality of life
Einleitung
Unterschiedliche Grunderkrankungen können zu dauerhaften Funktionseinschränkungen
der Nieren führen – dem chronischen Nierenversagen. Häufigsten Ursachen des chronischen
Nierenversagens in Deutschland sind
Im terminalen Stadium des chronischen Nierenversagens (engl. end stage renal disease,
ESRD) ist eine dauerhafte Nierenersatztherapie (NET) notwendig [6].
Eine unzureichende Nierenfunktion bedeutet eine erhebliche Einschränkung der Lebenserwartung
und in besonderem Maße auch der Lebensqualität. Die klinische Symptomatik reicht hier
von psychischen Störungen über Knochenschmerzen bis hin zu Herzrhythmusstörungen [6]
[15]
[21]. Der tatsächliche Ersatz der Niere mit eingeschränkter Funktion durch eine Spenderniere
erfolgt in einer geringeren Anzahl als theoretisch möglich. Grund hierfür ist in erster
Linie ein Mangel an Spenderorganen [7].
Falls die Nierentransplantation nicht möglich ist, stehen Verfahren der NET zur Verfügung.
In absteigender Häufigkeit sind dies in erster Linie
-
die intermittierende Hämodialyse (HD, basierend auf Diffusion),
-
die intermittierende Hämodiafiltration (HDF, basierend auf Diffusion und Konvektion)
und
-
die ambulante Peritonealdialyse (PD) [8]
[23].
Die apparativen Verfahren HD und HDF sind für einen relativ großen und ähnlichen Kreis
chronisch niereninsuffizienter Patienten als intermittierende NET prinzipiell geeignet
[22]. In sKasten 1 werden die Grundzüge beider Verfahren erläutert.
Die high-flux-HD (hf-HD, s. sKasten 1) ist das derzeit am häufigsten verwendete Verfahren und kann somit als Standardverfahren
betrachtet werden. Es bestehen erhebliche Forschungsbemühungen, die apparative NET
zu optimieren. HDF gilt hierbei seit längerer Zeit als vielversprechende Weiterentwicklung.
Die Evidenzlage hierzu ist insgesamt jedoch uneinheitlich. Das Ziel der vorliegenden
systematischen Übersichtsarbeit war daher zu untersuchen, welchen Einfluss die HDF
im Vergleich zur HD auf das Gesamtüberleben und die Mortalität sowie die Lebensqualität
bei dauerhaft nierenersatzpflichtigen Patienten hat.
Methoden
Für die vorliegende Übersichtsarbeit wurde eine systematische Literatursuche in den
Datenbanken PubMed und EMBASE durchgeführt. Die entsprechenden Suchstrategien sind
in der sTab. 1 aufgeführt. Die öffentlich zugänglichen Studienregister des U.S. National Institute
of Health (ClinicalTrials.gov) und der Weltgesundheitsorganisation (International
Clinical Trials Registry Platform) wurden anhand einer vereinfachten Suchstrategie
durchsucht. Die Referenzlisten erfasster systematischer Übersichtsarbeiten [24]
[25]
[29]
[31] und in die Auswertung aufgenommener Primärstudien wurden genutzt, um weitere relevante
Zitate zu identifizieren. Die in der Literatursuche identifizierten Treffer wurden
anhand von vorbestimmten Einschlusskriterien bewertet (sTab. 2). Die Literatursuche sowie die Bewertung und Synthese der erfassten Evidenz wurden
zwischen September
und Oktober 2013 durchgeführt, die letzte Aktualisierung der Suche erfolgte am 15. Oktober
2013.
Inhalte der eingeschlossenen Primärstudien wurden mittels eines standardisierten Extraktionsformulars
in Anlehnung an Beispiele der Cochrane Collaboration [5] gewonnen. Um das Verzerrungspotenzial der individuellen Studien zu bewerten, wurde
für randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) das von der Cochrane Collaboration
entwickelte Risk of Bias Tool [4] verwendet. Für Beobachtungsstudien kam eine angepasste Checkliste zum Einsatz. Verzerrungen
sind systematische Veränderungen der Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen und
führen dadurch zu geringerer Ergebnissicherheit. Sie sind in der Regel durch das Design
oder die Durchführung der Studie bedingt. Studien, deren Verzerrungspotenzial als
hoch eingestuft wurde, wurden nicht ausgeschlossen, sondern werden entsprechend in
der Diskussion besprochen.
Zwei unabhängige Gutachter überprüften die Recherche-Treffer, bewerteten die Studien
und extrahierten die relevanten Inhalte.
Ergebnisse
Literaturrecherche
Der Prozess der Studiensuche und -selektion wird als Flussdiagramm entsprechend der
PRISMA-Empfehlungen in sAbb. 1 dargestellt [16]. Durch die verschiedenen Schritte wurden insgesamt 14 Studien (15 Publikationen)
identifiziert, die der Forschungsfrage entsprachen. Die Übersicht der Studien wird
mit Angaben zu
in der Tab.
[
1
] präsentiert. Gründe für den Ausschluss von Publikationen in der Volltextanalyse
sind in sTab. 3 aufgeführt.
Tab. 1
Studiencharakteristika
Referenz
|
Studiendesign
|
Verfahren und Patientenzahl
[*]
|
Studien- / Nachbeobachtungsdauer
|
Relevante Endpunkte
|
Ergebnis
|
Finanzierung
|
ESHOL 2013
[14]
|
RCT
|
ol-HDF = 456 hf-HD = 450
|
36 Monate
|
Mortalität (HR)
|
signifikante Steigerung des Gesamtüberlebens unter ol-HDF um 30 %
|
Catalan Society of Nephrology, Fresenius Medical Care, Gambro
|
Türkische HDF-Studie 2012
[18]
|
RCT
|
ol-HDF = 391 hf-HD = 391
|
Minimum: 24 Monate Maximum: 39 Monate
|
Mortalität (HR)
|
kein signifikanter Unterschied in Mortalität
|
European Nephrology and Dialysis Institute, durchgeführt in Fresenius Medical Care
Zentren
|
CONTRAST 2012
[9]
[15]
|
RCT
|
ol-HDF = 358 lf-HD = 356
|
36 Monate
|
Mortalität (HR) und Lebensqualität (KDQOL-SF)
|
keine signifikanten Unterschiede in Mortalität oder Lebensqualität
|
Dutch Kidney Foundation, Fresenius Medical Care, Gambro Lundia und andere
|
Locatelli et.al 2010 [13]
|
RCT
|
HDF = 40 lf-HD = 70
|
24 Monate
|
Mortalität (Überlebenskurve)
|
kein signifikanter Unterschied in Mortalität
|
k. A.
|
Wizemann et al. 2000
[34]
|
RCT
|
HDF = 23 lf-HD = 21
|
24 Monate
|
Mortalität (Zahlenangabe)
|
kein signifikanter Unterschied in Mortalität
|
k. A.
|
Ward et al. 2000
[33]
|
RCT
|
HDF = 24 hf-HD = 21
|
12 Monate
|
Lebensqualität (KDQ)
|
signifikante Verbesserung physischer Symptome
|
k. A.
|
Locatelli et.al 1996
[12]
|
RCT
|
HDF = 50
hf-HD = 51 lf-HD = 54
|
12 Monate, dann verlängert um weitere 12 Monate
|
Mortalität
|
keine Unterschiede in Mortalität
|
k. A.
|
Kantartzi et al. 2013
[10]
|
Crossover
|
ol-HDF / HDF-wb = 48 /44 HD = 48 / 44
|
4 × 3 Monate pro Verfahren
|
Lebensqualität (SF-36)
|
signifikanten Unterschiede in Lebensqualität zw. HD u. ol-HDF / HDF
|
k. A.
|
Schiffl 2007
[27]
|
Crossover
|
ol-HDF = 38 hf-HD = 38
|
2 × 24 Monate pro Verfahren
|
Lebensqualität (KDQ)
|
Nachhaltige Verbesserung physischer Symptome bei ol-HDF
|
k. A.
|
RISCAVID 2008
[20]
|
Kohorte
|
ol-HDF = 129
HDF-wb = 204 HD = 424 (lf = 403, hf = 21)
|
30 Monate
|
Mortalität (RR)
|
signifikante Steigerung der Überlebensrate in HDF
|
Staatlich
|
Bosch et al. 2006
[2]
|
Kohorte
|
unklar
|
maximal 72 Monate
|
Mortalität (SMR)
|
signifikant niedrigere SMR unter HDF im Vergleich zu USRDS-Daten
|
k. A.
|
DOPPS II 2006
[3]
|
Kohorte
|
le-HDF = 156
he-HDF = 97 lf-HD = 1366
hf-HD = 546
|
ungenau, ca. 36 Monate
|
Mortalität (RR) und Lebensqualität (SF-36)
|
signifikante Steigerung der Überlebensrate bei high-efficiency HDF, keine Unterschiede
in der Lebensqualität
|
Amgen, Kirin
|
Knezevic et al. 2012
[11]
|
Querschnitt
|
HDF = 45 hf-HD = 39
lf-HD = 40
|
n / a
|
Lebensqualität (SF-36)
|
signifikante Unterschiede in Lebensqualität zw. HDF und hf-HD / HDF und lf-HD
|
Staatlich
|
Moreno et al. 1996
[17]
|
Querschnitt
|
1013 Patienten
HD = 88 %
HDF = 7 %
|
n / a
|
Lebensqualität (KS, SIP)
|
kein Unterschied in QoL nach Adjustierung
|
P.E.N.S.A – Esteve Stiftung
|
* es werden nur relevante Studienarme aufgeführt
HD: Hämodialyse; HDF: Hämodiafiltration; HDF-wb: HDF with bags; hf-HD: high-flux HD;
HR: Hazard Ratio; KDQ: Kidney Disease Questionnaire; KDQOL-SF: Kidney Disease Quality
of Life Short Form Fragebogen; KS: Karnofsky Scale; lf-HD: low-flux HD; ol-HDF: online
HDF; RCT: randomized controlled trial; SIP: Sickness Impact Profile; SF-12: Short-Form-12
Fragebogen; SF-36: Short-Form-36 Fragebogen; SMR: standardized mortality rate
Charakteristika der in die Bewertung eingeschlossenen Studien
Bei 3 Studien wurde das Verzerrungspotenzial als niedrig eingestuft. Die übrigen eingeschlossenen
Studien wiesen entweder Aspekte auf, die zu einer Verzerrung führen könnten, oder
hatten ein unklares Verzerrungsrisiko. Die sTab. 4 zeigt das Verzerrungspotenzial der eingeschlossenen RCTs gemäß des passenden Instrumentes
der Cochrane Collaboration [4].
Die Baseline-Charakteristika des Patientenkollektivs der 3 großen RCTs können der
sTab. 5 entnommen werden. In keiner der 3 Studien wurden signifikante Unterschiede in den
aufgeführten Parametern zwischen dem Interventions- und dem Kontrollarm berichtet.
Sowohl in der CONTRAST- als auch in der türkischen HDF-Studie waren mehr Diabetes-Patienten
im Interventionsarm, während es sich in der ESHOL-Studie umgekehrt verhielt. In letzterer
waren die Patienten im Interventionsarm durchschnittlich um 1,8 Jahre jünger.
Patientenrelevante Endpunkte
Mortalität und Überleben |
Tab.
[
2
] und sTab. 6 und sTab. 7 fassen die Aussagen der eingeschlossenen Studien zu Mortalität und Gesamtüberleben
zusammen. Effektschätzer werden hier so aufgeführt, wie sie in den Publikationen berichtet
werden.
Tab. 2
Ergebnisse Mortalität große RCTs
Studie
|
Vergleich
|
CV
|
SV
|
HR
|
|
|
|
|
|
|
Liter pro Behandlung
|
Berechnung
|
HR
[*]
|
KI-95 %
|
a) p-Wert
|
b) p-Wert Trend Test
|
ESHOL 2013
[14]
|
hf-HD
|
Gesamt
|
|
Unbereinigt
|
0,70
|
0,53–0,92
|
0,01
|
|
< 23,1
|
|
Unbereinigt
|
0,9
|
0,61–1,31
|
|
0,001
|
23,1–25,4
|
|
Unbereinigt
|
0,6
|
0,39–0,90
|
|
> 25,4
|
|
Unbereinigt
|
0,55
|
0,34–0,84
|
|
Türkische HDF-Studie 2012
[18]
|
hf-HD
|
|
Gesamt
|
Unbereinigt
|
0,79
|
0,55–1,14
|
0,21
|
|
|
≤ 17,4
|
Unbereinigt
|
0,99
|
0,64–1,53
|
0,54
|
|
Model 1
|
1,17
|
0,73–1,88
|
0,36
|
|
Model 2
|
1,1
|
0,68 –1,76
|
0,69
|
|
|
> 17,4
|
Unbereinigt
|
0,54
|
0,33–0,88
|
0,01
|
|
Model 1
|
0,57
|
0,33–0,96
|
0,04
|
|
Model 2
|
0,54
|
0,31–0,93
|
0,02
|
|
CONTRAST 2012
[9]
|
lf-HD
|
Gesamt
|
|
Unbereinigt
|
0,95
|
0,75–1,20
|
|
|
< 18,17
|
|
Unbereinigt
|
0,95
|
0,66–1,38
|
|
Unbereinigt:
0,010
Model 1:
0,012
Model 2:
0,015
|
|
Model 1
|
0,79
|
0,53–1,14
|
|
|
Model 2
|
0,8
|
0,52–1,24
|
|
18,18–21,95
|
|
Unbereinigt
|
0,83
|
0,57–1,22
|
|
|
Model 1
|
0,77
|
0,51–1,14
|
|
|
Model 2
|
0,84
|
0,54–1,29
|
|
> 21,95
|
|
Unbereinigt
|
0,62
|
0,41–0,93
|
|
|
Model 1
|
0,65
|
0,42–0,99
|
|
|
Model 2
|
0,61
|
0,38–0,98
|
|
* Für die Vergleichsgruppe (hf-HD bzw. lf-HD) gilt HR = 1,0
p-Werte angegeben wie berichtet, bei freien Feldern wurde kein p-Wert angegeben, statistisch
signifikante Werte durch Fettdruck hervorgehoben; a) Gruppenvergleich; b) Trend; CV:
Convection Volume; HD: Hämodialyse; HDF: Hämodiafiltration; hf-HD: high-flux HD; lf-HD:
low-flux HD; HR: Hazard Ratio; RCT: Randomized Controlled Trial; RR: Relatives Risiko;
SV: Substitutionsvolumen; weitere Informationen zu den statistischen Modellen sind
in sTab. 5 enthalten
Für die Endpunkte Mortalität und Überleben wurden 3 große RCTs identifiziert (Tab.
[
2
]). Diese zeigten heterogene Ergebnisse. In der niederländischen CONTRAST-Studie [9] wurde die HDF mit der lf-HD verglichen. Die beiden anderen RCTs, die ESHOL-Studie
[14] und die türkische HDF-Studie, [18] nutzten die hf-HD als Vergleichsintervention.
Die spanische ESHOL-Studie [14] zeigte ein statistisch signifikant um 30 % geringeres Risiko für Gesamtmortalität
unter Behandlung mit HDF im Vergleich zur Behandlung mit hf-HD (HR 0,70; 95 %-KI [0,53–0,92;]
p = 0,01). CONTRAST (HR 0,95; [0,75–1,20]) und die türkische HDF-Studie (HR 0,79;
[0,55–1,14]) zeigten keinen statistisch signifikanten Vorteil eines der beiden untersuchten
Verfahren bezogen auf die Gesamtmortalität.
In allen 3 Studien zeigten Subgruppenanalysen, dass diejenigen Patienten, bei denen
im Durchschnitt die höchsten Konvektionsvolumina in der HDF erreicht wurden, den höchsten
Überlebensvorteil hatten (Tab.
[
2
], fett hervorgehoben). Auch in der CONTRAST-Studie und in der türkischen HDF-Studie,
in denen sich für die Gesamtheit der Patienten kein signifikanter Unterschied zeigte,
ergaben Subgruppenanalysen eine statistisch signifikant niedrigere Mortalität für
Patienten mit höheren Konvektionsvolumina (HR = 0,62; [0,41–0,93]; HR = 0,54; [0,33–0,88],
jeweils unadjustierte Schätzer für das höchste Volumenstratum).
Zu beachten ist, dass die türkische HDF-Studie das Substitutions- und nicht das Konvektionsvolumen
berichtete, im Gegensatz zu den beiden anderen Studien. Beim Konvektionsvolumen wird
zusätzlich zu dem Volumen der substituierten Flüssigkeit (Substitutionsvolumen) der
Gewichtsverlust des Patienten während der Dialysebehandlung berücksichtigt. In allen
3 Studien wurden die Subgruppenanalysen retrospektiv durchgeführt und müssen daher
aus methodischer Sicht vorsichtig interpretiert werden.
In 3 weiteren RCTs [12]
[13]
[34]mit hohem Verzerrungspotenzial, deutlich kleinerer Teilnehmerzahl und kürzerer Studiendauer
wurden keine signifikanten Unterschiede in der Mortalität zwischen den Interventionsgruppen
berichtet (sTab. 6).
2 größere Beobachtungsstudien, die RISCAVID-Studie [20] und die DOPPS-II-Studie [3], hingegen ergaben eine signifikant geringere Mortalität unter HDF. In der DOPPS-II-Studie
war die geringere Mortalität wiederum abhängig von der Größe des Substitutionsvolumens
(Ergebnisse aller Beobachtungsstudien zusammengefasst in sTab. 7).
Lebensqualität | In 4 Studien mit hohem Verzerrungspotenzial (1 RCT, 2 Studien mit Crossover-Design
und 1 Querschnittstudie) gab es Anhaltspunkte für eine bessere Lebensqualität unter
HDF im Vergleich zur Kontrollintervention [10]
[11]
[27]
[33]. Es zeigten sich insbesondere bessere Werte im Bereich „körperliche Symptome“. Eine
dieser Studien [27] hatte eine Studiendauer von 2 × 24 Monaten, die restlichen 3 Studien nur eine Studiendauer
von 12 Monaten oder weniger.
Die CONTRAST-Studie hatte das geringste Verzerrungspotenzial unter den Studien, die
(auch) die Lebensqualität untersucht haben (sTab. 8). Hier konnte keine signifikante Verbesserung der Lebensqualität im Vergleich zur
Kontrollintervention gezeigt werden. Subgruppenanalysen – unter anderem anhand des
Konvektionsvolumens – konnten hier keinen signifikanten Vorteil der HDF nachweisen.
Auch die relativ große Beobachtungsstudie DOPPS II [3] hat keine bessere Lebensqualität unter HDF im Vergleich zu anderen Interventionen
ergeben. Die Vergleichbarkeit der Studien, die die Lebensqualität untersucht haben,
ist neben dem unterschiedlichen Verzerrungspotenzial auch dadurch eingeschränkt, dass
unterschiedliche Messinstrumente genutzt wurden.
Diskussion
Es wurden 14 Studien in die systematische Übersichtsarbeit eingeschlossen. Hiervon
hatten 3 Studien (alle RCTs) ein niedriges Verzerrungspotenzial. Von diesen 3 RCTs
haben alle den Endpunkt Mortalität ausgewertet, nur eine Studie hat zusätzlich die
Lebensqualität evaluiert.
Die Datenlage für Mortalität stellt sich heterogen dar. Während in der ESHOL-Studie
eine relativ ausgeprägte Verbesserung der Mortalität unter HDF gezeigt wurde (30 %
niedrigeres Risiko im Vergleich zu hf-HD), fanden die anderen beiden RCTs mit niedrigem
Verzerrungspotenzial keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Gesamtgruppen.
Im Vergleich zu den beiden anderen RCTs haben die Patienten in der ESHOL-Studie insgesamt
höhere Konvektionsvolumina erreicht. Dies ist insofern relevant, als dass Subgruppenanalysen
aller drei Studien ergeben haben, dass das Konvektionsvolumen entscheidend für die
Verbesserung der Mortalität ist.
Auffallend ist in dieser Hinsicht, dass in den vorliegenden Studien keine einheitlichen
Definitionen für die unterschiedlichen Interventionen verwendet werden, wodurch die
Vergleichbarkeit zusätzlich eingeschränkt wird. Dies gilt teilweise auch für die Vergleichsintervention
HD, insbesondere aber für die HDF.
In Anbetracht der Tatsache, dass vor allem ein hohes Konvektionsvolumen vorteilhaft
für die Patienten ist, muss also weiterhin eine Abgrenzung der hoch-effizienten oder
hoch-volumigen HDF stattfinden. Hierfür scheinen die Begrifflichkeiten nicht eindeutig
geregelt zu sein, obwohl Definitionen existieren [26]. Auch kann aus den vorliegenden Studien kein Grenzwert für das Konvektionsvolumen
abgeleitet werden, ab welchem ein geringeres Mortalitätsrisiko wahrscheinlich ist,
da sich die Subgruppenanalysen zwischen den 3 großen RCTs in der Gruppeneinteilung
erheblich unterschieden.
Insgesamt ist die vorhandene Evidenz für einen Nutzen der HDF gegenüber HD bezogen
auf Lebensqualität noch heterogener und weniger robust. Studien mit relativ niedrigem
Verzerrungspotenzial zeigten keinen signifikanten Unterschied, auch nicht bei hohen
Konvektionsvolumina. Lediglich kleinere und verzerrungsanfällige Studien deuteten
darauf hin, dass auch in diesem Endpunkt eine Verbesserung unter HDF möglich wäre.
Für die vorliegende Übersichtarbeit wurden nur in Publikationen veröffentlichte Daten
erfasst, auf Autorenanfragen wurde verzichtet. Somit konnten nicht-öffentliche Studienberichte
nicht in die Bewertung miteinbezogen werden. Trotz dieser Einschränkung ist von einer
umfassenden Darstellung der aktuell verfügbaren Evidenz zu HDF und HD auszugehen.
Eine Meta-Analyse erscheint aufgrund der Heterogenität der Studien hinsichtlich
nicht sinnvoll.
Zusammenfassend ist die Datenlage anhand von publizierten Primärstudien zu uneinheitlich
und nicht ausreichend robust, um eindeutige Schlussfolgerungen über den relativen
Einfluss von HDF auf Gesamtüberleben und gesundheitsbezogene Lebensqualität zu ziehen.
Die HDF gilt als sicheres Verfahren [30]. In den vorliegenden Studien wurde allerdings kaum thematisiert, für welche Patientengruppe
die HDF geeignet ist. Nur bei Erreichen hoher Konvektionsvolumina kann in Anbetracht
der vorliegenden Evidenz ein Überlebensvorteil durch HDF vermutet werden. Aufgrund
der vorliegenden Ergebnisse erscheint es wichtig, zu evaluieren, bei welchen Patienten
ausreichend hohe Konvektionsvolumina erreicht werden können. Studien, die diese Fragestellung
beantworten sollen, werden durchgeführt, wobei Ergebnisse noch ausstehen.
Konsequenz für Klinik und Praxis
-
Die Hämodiafiltration bringt keine eindeutige Verbesserung der Gesamtmortalität im
Vergleich zur Hämodialyse.
-
Ein Zusatznutzen könnte aber erreicht werden, wenn während der Behandlung ein hoher
Flüssigkeitsaustausch stattfindet.
-
Es sind daher weitere Daten erforderlich, um das optimale Konvektionsvolumen zu finden
und Patienten zu identifizieren, die von HDF profitieren können.
-
Die Evidenzlage bezüglich Lebensqualität bei Hämodiafiltration ist uneinheitlich und
nicht ausreichend für eine Bewertung.