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Akutes Aortensyndrom Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(02): e27-e27
DOI: 10.1055/s-0041-100588
Schlüsselwörter
akuter Thoraxschmerz - Aortendissektion - Akutes Aortensyndrom
Key Words
chest pain - aortic dissection - aortic syndrome
Das akute Aortensyndrom (AAS) ist zwar seltener, aber nicht weniger bedrohlich als
die beiden anderen wichtigen Ursachen des akuten Thoraxschmerzes. Bei vier von fünf
Patienten mit AAS liegt eine klassische Aortendissektion zugrunde; transmurale Hämatome
oder penetrierende atheromatöse Ulzera kommen ebenfalls vor. Auch in diesen Fällen
gilt es, rasch die Symptome und Befunde richtig einzuordnen und die – meist operative
– Therapie zu initiieren.
Definition
Lebensbedrohliche Erkrankungen | Unter dem AAS versteht man lebensbedrohliche Erkrankungen der Aorta mit ähnlicher
Pathophysiologie. Sie sind anhand der klinischen Symptome meist nicht zu unterscheiden.
Dazu zählen u. a.:
-
klassische Aortendissektion (AD)
-
intramurales Hämatom (IMH)
-
penetrierendes atheromatöses Ulkus (PAU)
-
auch: traumatische (bzw. iatrogene) Verletzungen der Aorta [10], [44].
Einteilungen der AD | Entsprechend der anatomischen Lokalisation sind Einteilungen nach Stanford und DeBakey
üblich, wobei die nach Stanford klinisch häufiger ist.
-
Stanford Typ A: Alle Dissektionen und Läsionen der A. ascendens – unabhängig vom Ursprung
der Aufspaltung der Gefäßwand.
-
Stanford Typ B: Alle AD, die nicht die A. ascendens betreffen [59].
Die Task Force der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat die Leitlinien
zur Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Aorta zuletzt im August 2014 aktualisiert
[10].
Pathophysiologie
Aortendissektion | Die klassische AD macht etwa 80 % des AAS aus. Eine akute AD liegt vor, wenn das initiale
Schmerzereignis innerhalb von 2 Wochen vor Diagnosestellung auftrat [50]. In etwa 60 % ist die A. ascendens betroffen [14].
-
Die klassische AD beginnt mit einem Intima-Einriss und einer Einblutung ins mittlere
Drittel der Tunica media. Weiteres Blut dringt in die übrige Aortenwand.
-
Es kommt zu Inflammation und Auftrennung der Aortenschichten mit Bildung eines wahren
und eines falschen Lumens, das sich sowohl ante- als auch retrograd ausbreiten kann.
Schließlich kann ein erneuter Intimariss dazu führen, dass das falsche an das wahre
Lumen Anschluss findet – auch eine Kompression des wahren Lumens ist möglich. Wenn
dann noch die Adventitia reißt, liegt eine Ruptur vor (▶ [Abb. 1]) [10], [44].
Abb. 1 Pathophysiologie der Aortendissektion.
a Aortendissektion mit Intima- einriss und falschem Lumen.
b Aortendissektion mit Intimaeinriss und Außenwandruptur.
c Aortendissektion mit Intima- einriss und Re-Entry.
Quelle: Schünke M, Schulte E, Schumacher E. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere
Organe. Illustration von K. Wesker, 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2009.
Intramurales Hämatom | Das IMH macht etwa 10–20 % des AAS aus. Pathomorphologisch liegt ein Hämatom in der
Tunica media vor, verursacht durch eine Ruptur der Vasa vasorum [10].
Das IMH ist bildmorphologisch eine halbmondförmige, gelegentlich zirkumferentielle
verdickte Aortenwand – im Gegensatz zur AD ohne direkte Verbindung zum Lumen der Aorta.
Das IMH scheint zudem häufiger mit Perikard-Erguss und periaortalem Hämatom einherzugehen
[24]. Die A. descendens ist in etwa 60 % der Fälle betroffen, bei Lokalisation des IMH
im Bereich der A. ascendens ist wie bei der Typ-A-AD die Mortalität erhöht [14].
Penetrierendes atheromatöses Ulkus | Das PAU ist Folge einer atheromatösen Plaqueruptur mit Penetration durch die Lamina
elastica interna in die Tunica media – in etwa 2–7 % der Fälle ist es Ursache des
AAS. Das PAU tritt vor allem bei Patienten mit ausgeprägten atherosklerotischen Läsionen
und hohem Lebensalter auf. Betroffen sind vorwiegend die mittleren und distalen Anteile
der deszendierenden thorakalen Aorta. In bis zu 40 % der Fälle entwickelt sich im
Verlauf eine IMH, AD oder Aortenruptur [9].
Iatrogene und traumatische Aortendissektion | Eine iatrogene AD nach einem kardiovaskulären Eingriff ist eine eher seltene Komplikation.
In einer Analyse aus dem IRAD-Register von 2002 waren 5 % der AD iatrogen bedingt.
Hier war
Neuere Daten berichten von einer Inzidenz von 0,06 % nach Herzoperationen und 0,01 %
nach kardialen Kathetereingriffen [34]. Dezelerationstraumen im Rahmen von Verkehrsunfällen führen häufig zu Läsionen im
Bereich des Aortenisthmus und gehen mit einer sehr hohen Letalität einher [41]. Bei einer Autopsiestudie von Unfalltoten im Straßenverkehr konnte in annähernd
20 % eine Aortenruptur nachgewiesen werden [38].
Ursache eines akuten Aortensyndroms ist in etwa 80 % eine klassische Aortendissektion,
in 10–20 % ein intramurales Hämatom und in 2–7 % ein penetrierendes atheromatöses
Ulkus.
Epidemiologie und Inzidenz | Beim akuten Thoraxschmerz ist das AAS eher selten; das ACS ist etwa 200-mal häufiger,
die Lungenembolie etwa 3-mal häufiger [1]. Eine große britische Studie beziffert die Inzidenz der AD mit jährlich etwa 6 pro
100 000 Einwohner [28]. Eine große schwedische Studie sieht die jährliche Inzidenz von AD und thorakalen
Aortenaneurysmen bei 16 Fällen (Männer) bzw. 9 Fällen (Frauen) pro 100 000 Einwohner
[46]. Zumal bei den meisten AAS-Fällen eine AD vorliegt, liegt der Fokus im Folgenden
auf dieser am besten untersuchten Subgruppe.
Risikofaktoren für die AD
Risikofaktoren für die AD
Hypertonie und Atherosklerose | Eine AD entwickelt sich mehrheitlich nicht aus einem vorbestehenden Aneurysma [50].
-
Meist liegt eine Degeneration der Tunica media vor, begleitet von einer Apoptose der
glatten Muskulatur, einer Elastinfragmentation und einer Inflammation [51].
-
Hauptrisikofaktor ist die arterielle Hypertonie (72 %), gefolgt von Atherosklerose
(31 %), vorangegangenen Herzoperationen (18 %) und dem Marfan-Syndrom (5 %) [23].
Seltenere Risikofaktoren sind intensive Belastungen (z. B. Gewichtheben) [25] oder Kokain-Konsum [29] (▶ [Tab. 1]). Eine bikuspide Aortenklappe (betrifft 1–2 % der Bevölkerung [60]) geht mit erhöhtem AD-Risiko einher [30]. Frauen sind seltener betroffen (32 %) und bei AD etwa 7 Jahre älter. Die peripartale
AD ist eine Rarität [43].
Tab. 1 Risikofaktoren für die Entstehung einer Aortendissektion (in Anlehnung an [44])
kardiovaskulär
|
-
arterielle Hypertonie
-
Atherosklerose
-
Hyperlipidämie
-
Nikotinabusus
|
Bindegewebserkrankungen
|
-
Marfan-Syndrom
-
Loyes-Dietz-Syndrom
-
Ehlers-Danlos-Syndrom
-
Turner-Syndrom
|
erblich vaskulär
|
-
bikuspide Aortenklappe
-
Aortenisthmusstenose
|
entzündlich / autoimmun
|
-
Riesenzellarteriitis
-
Takayasu-Arteriitis
-
Morbus Behçet
-
Morbus Ormond
|
infektiös
|
|
Dezelerationstrauma
|
-
Verkehrsunfall
-
Sturz aus großer Höhe
|
iatrogen
|
|
Drogenkonsum
|
|
Entzündliche und Autoimmun-Erkrankungen | Vaskulitiden wie die Riesenzell-Arteriitis, die Takayasu-Arteriitis und weitere Erkrankungen
des rheumatologischen Formenkreises können ebenfalls eine Ursache sein [22]. Infektionserkrankungen wie etwa kardiovaskuläre Komplikationen bei tertiärer Syphilis
sind heute eher selten und zu vernachlässigen [49].
Genetische Ursachen | Thorakale Aortenaneurysmata und AD sind häufig bei autosomal-dominant vererbten genetischen
Syndromen, die die Bildung von Proteinen des Binde- und Stützgewebes betreffen [51].
-
Beim Marfan-Syndrom ist die Bildung des extrazellulären Matrixproteins Fibrillin-1 gestört. Durch progrediente
Aortendilatation bis hin zur Ruptur werden Marfan-Patienten unbehandelt im Mittel
etwa 40 Jahre alt [3].
-
Ebenfalls mit erhöhtem AD-Risiko gehen die vaskuläre Form des Ehlers-Danlos-Syndroms (gestörte Synthese des Typ-III -Prokollagenpeptids) [52] und das Loeys-Dietz-Syndrom (Mutationen der TGF-beta Rezeptoren 1/2) [10] einher.
-
Frauen mit Turner-Syndrom (Karyotyp 45, X0) haben relativ zur Normalbevölkerung eine etwa 100-fach erhöhte
AD-Inzidenz [36].
Auch weitere seltene Syndrome und nicht-syndromale Gendefekte können eine AD verursachen
[10].
Hauptrisikofaktoren für eine AD sind arterielle Hypertonie und Atherosklerose. Daher
sind die Behandlung und Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren besonders wichtig
für die Prävention.
Symptome
Starker Schmerz | Typisch sind plötzliche, „reißende“ oder stechend-scharfe Schmerzen (▶ [Tab. 2]). Sie projizieren sich häufig
-
bei betroffener A. ascendens in den vorderen Thorax und
-
bei Dissektionen distal der linken A. subclavia in den Bereich des hinteren Thorax.
-
Dissektionen der A. descendens gehen auch häufiger mit Rücken- oder Bauchschmerzen
einher.
Die Schmerzen können migrieren oder in verschiedene Richtungen ausstrahlen [23]. Auch schmerzlose Verläufe werden beschrieben [47].
Tab. 2 Symptome und Komplikationen des AAS (nach [10]).
Allgemein
|
Nervensystem
|
Thorax
|
Abdomen
|
Schmerz
-
Vernichtungsschmerz, „reißend / stechend-scharf“
-
Projektion in den vorderen / hinteren Thorax, Abdomen
-
Ggf. migrierend
-
Schmerzloser Verlauf möglich
|
Zentral
-
Zerebrale Ischämie
-
Vigilanzstörung
-
Koma
-
Synkope
-
Krampfanfall
Peripher
|
Lunge
Pleura
-
Hämatothorax
-
Pleuraerguss
|
Gastrointestinaltrakt
|
Kreislauf, Blutdruck
-
Hypertension
-
Normotension
-
Hypotension / Schock
-
Tachykardie
|
Extremitäten
-
Sensibilitätstörungen
-
Motorikstörungen
-
Ischämie
-
Pulsdifferenz
|
Herz
|
Niere
-
Niereninsuffizienz
-
Niereninfarkt
|
Puls und RR | Die Patienten können hypertensive Blutdruckwerte haben (> 150 mmHg systolisch; häufiger
Stanford B; IMH). Möglich sind aber auch Normotension (100–149 mmHg systolisch; häufiger
Stanford A) oder seltener Hypotension bzw. Schock (durch Perikardtamponade oder Aortenruptur;
häufiger Stanford A) [23].
Es kann eine Pulsdifferenz im Bereich der Hals- und Extremitätenarterien auftreten
[7]. Je nach Ausprägung der AD sind verschiedene Symptome und Organbeteiligungen möglich.
Kardiovaskuläre und thorakale Manifestationen |Bei der Typ-A-AD liegt häufig eine Aortenklappeninsuffizienz (bis zu 75 %) vor [39], die mit einem kardiogenen Schock einhergehen kann. Etwa 10–15 % der Patienten entwickeln
eine Myokardischämie [10]. Sie kann Folge einer retrograden Dissektion mit Verlegung der Koronarostien oder
eine Fortsetzung der Dissektion in die Koronarien sein. Die rechte Herzkranzarterie
ist gehäuft betroffen [40].
-
Eine Herzbeuteltamponade ist bei knapp 19 % der Patienten mit Typ-A-AD initial vorzufinden,
die Mortalität ist deutlich erhöht [20]. Bei Ausdehnung der Dissektion über die Adventitia kann es zum Hämatothorax kommen
[19].
-
Größere Pleuraergüsse sind durch die hohe Mortalität sehr selten zu finden,
-
kleinere Ergüsse haben 15–20 % der Betroffenen.
Pulmonale Komplikationen (z. B. Kompression der Pulmonalarterien, aortopulmonale Fisteln,
Lungenödem, Ruptur in die Lunge, massive Hämoptysen) sind sehr selten zu diagnostizieren
[10].
Neurologische Symptome | 15–40 % der Patienten haben neurologische Symptome, die zunächst das klinische Bild
bestimmen können und in etwa der Hälfte der Fälle transient auftreten [10]. Das Spektrum umfasst Synkopen, Vigilanzstörungen bis hin zum Koma, Krampfanfälle
sowie zerebrale und spinale Ischämien. Eine Ischämie kann die Motorik und Sensibilität
der Extremitäten beeinträchtigen [7].
Gastrointestinaltrakt und Nieren | Die Mesenterial-Ischämie ist eine eher seltenere Komplikation der AD (etwa 4 % Typ
A [7] vs. 5 % Typ B [57]). Betroffene berichten häufiger über migrierende abdominelle Beschwerden und weisen
häufiger ein Koma, Nierenversagen oder eine Extremitäten- bzw. Rückenmarksischämie
auf, zudem ist die Mortalität deutlich erhöht (63 %) [7]. Gastrointestinale Blutungen durch einen Mesenterial-Infarkt, eine aortoösophageale
Fistel oder eine Ruptur des falschen Lumens in den Dünndarm sind sehr selten zu finden
[10].
Die Symptome einer Aortendissektion können vielfältig sein. Meist ist die Anamnese
mit typischer Schmerz-Symptomatik richtungsweisend!
Diagnostik
Anamnese | Die Anamnese ist bei initialem Verdacht auf eine akute AD besonders bedeutend. Je
nach Klinik, entsprechenden Risikofaktoren und körperlicher Untersuchung müssen rasch
die Weichen für Diagnostik und Therapie gestellt werden. Bildgebende Verfahren sollten
– je nach Verfügbarkeit und Stabilität der Patienten – rasch zum Einsatz kommen. Dabei
sollte man die bildgebende Diagnostik ggf. auch kurzfristig wiederholen, z. B.
Labor | D-Dimere sind bevorzugte Ausschlussmarker,
-
als Cutoff-Wert gilt (ähnlich wie bei der Lungenembolie) ein Wert von 500 ng / mL.
Bei Werten darunter ist eine AD unwahrscheinlich [56].
-
Jedoch können D-Dimere beim IMH auch unauffällig sein [45].
-
Bei verminderter Perfusion der Koronarien können die Herzenzyme erhöht sein [40]. Bis zu ein Viertel der Patienten mit Typ-A-AD hat ein erhöhtes Troponin [4].
Sonstige spezifische Marker zum Ausschluss einer AD sind bisher nicht bekannt.
EKG | Das EKG kann differenzialdiagnostisch bei der Abgrenzung vom Myokardinfarkt helfen
[27]. Da bei der AD allerdings auch die Koronarien betroffen sein können, schließt ein
Ischämienachweis im EKG eine AD nicht aus. In einer IRAD-Analyse zeigten sich in bis
zu 42 % unspezifische ST-Strecken oder T-Wellen-Veränderungen, in 15 % ischämietypische
Veränderungen, in 31 % war der EKG-Befund unauffällig [23].
Röntgen-Thorax | Eine AD kann sich im Röntgenbild in Form einer Mediastinalverbreiterung, einer atypischen
Aorten- oder Herzkontur, einer Aortenverlagerung oder durch Pleuraergüsse manifestieren.
Röntgenologische Auffälligkeiten können aber auch gänzlich fehlen (Typ A: 11 %; Typ
B 16 %) [23]. Daher sollte man primär ein anderes Verfahren, z. B. eine CT-Untersuchung wählen
[61].
Echokardiographie | Mit einer transthorakalen Echokardiographie (TTE) lässt sich die proximale Aorta beurteilen,
auch eine schnelle Begutachtung der Aortenklappe oder der Nachweis eines Perikardergusses
ist möglich [13] (▶ [Abb. 2]). Für Untersuchungen der gesamten thorakalen Aorta ist die transösophageale Echokardiographie
(TEE) besser geeignet [16].
Abb. 2 Echokardiogramm parasternale lange Achse: Dilatation der Aorta ascendens (*). Der
Pfeil markiert die Dissektionsmembran bei Typ-A-Aortendissektion. Der Farbdoppler
zeigt eine Aorteninsuffizienz.
Die TTE erreicht bei der AD-Diagnose eine Sensitivität von 77–80 % und eine Spezifität
von 93–96 %. Eine distale thorakale AD ist nur zu 70 % zu detektieren. Die TEE aber
erreicht eine Sensitivität von 99 % mit einer Spezifität von 89 % [10], [42]. Mit Ultraschallkontrastmittel kann die TEE-Diagnostik deutlich verbessert werden
[12]. Bei der AD im Bereich der A. abdominalis ist die Duplexsonographie meist gut einsetzbar
[10].
CT | Die CT-Angiographie ist bei den meisten Patienten mit Verdacht auf eine AD das bevorzugte
initiale diagnostische Verfahren (gepoolte Sensitivität bis zu 100 %, Spezifität 98 %)
(▶ [Abb. 3]). Neben der AD lassen sich auch traumatische Verletzungen der Aorta, PAU, IMH und
Rupturen zumeist zuverlässig detektieren [10].
-
Das „Triple-rule-out“-Protokoll (TRO-CT), durch Einsatz EKG-synchronisierter 64-MDCT-
oder DSCT-Angiogaphie kann zugleich Koronarien, Pulmonalarterien und die thorakale
Aorta untersuchen [17].
-
Das TRO-CT ist v. a. bei Patienten mit niedrigembis mittlerem ACS-Risiko zu erwägen,
bei denen differenzialdiagnostisch auch eine Lungenembolie oder eine AD infrage kommt
[2].
Abb. 3 CT-Angiographie einer Aortendissektion Typ A im axialen (a) und sagittalen (b) Schnitt. Die Dissektion beginnt im Bereich der Aorta ascendens und endet im Bereich
der Aorta descendens. Der Stern markiert das „wahre“ Lumen, der Pfeil das falsche
Lumen.
MRT | Prinzipiell ist die Magnetresonanzthomographie (MRT) gut zur Diagnostik der AD geeignet,
zudem wird keine ionisierende Strahlung oder iodhaltiges Kontrastmittel benötigt.
Spin-Echo-T1-gewichtete Bilder ermöglichen eine sehr gute Darstellung von IMH, „intimaflap“
und Atheromen, in der T2-Wichtung lässt sich die Aortenwand bzw. das Blutkompartiment
charakterisieren. Zudem braucht man nur eine geringe Menge an Gadolinium-haltigem
Kontrastmittel für die MR-Angiographie. Darüber hinaus ist eine MR-Angiographie auch
ohne Kontrastmittel möglich [42].
-
Sensitivität und Spezifität der MRT wird für die AD-Diagnostik mit bis zu 98 % angegeben,
-
ihr Einsatz ist aber v. a. bei instabilen Patienten wegen des größeren Zeitaufwands
und dem erschwerten Monitoring deutlich limitiert [10].
Aortographie | Die Aortographie ist eine invasive, kathetergestützte Methode, die man v. a. im Rahmen
endovaskulärer Interventionen anwendet. Zur Primärdiagnostik der AD wird die Aortographie
allerdings nicht empfohlen [42].
Eine CT-Angiographie der Aorta oder ein TEE durch einen erfahrenen Untersucher sind
die bevorzugten diagnostischen Verfahren.
Therapie
Allgemeine Maßnahmen
| Insbesondere die Typ-A-AD mit Beteiligung der A. ascendens ist ein lebensbedrohlicher
Notfall. Sie bedarf zwingend einer intensivmedizinischen Überwachung, zu der eine
invasive Blutdruckmessung gehören sollte.
-
Hierzu sollte die A. radialis rechts gewählt werden, da hierüber die Perfussion des
Truncus brachiocephalicus kontrolliert werden kann.
-
Bei Verdacht auf Einbeziehung des Truncus brachiocephalicus in die Dissektion sollte
eine zweite invasive Blutdruckmessung über die Arteria radialis links erfolgen [11].
Medikamentöse Therapie | Um eine ggf. ausgeprägte Volumengabe vorzubereiten, legt man mehrere großlumige Zugänge,
einen großlumigen zentralen Venenkatheter und / oder eine Schleuse.
-
Um Blutdruckanstiege zu vermeiden, ist auf eine ausreichende Schmerztherapie und ggf.
eine zusätzliche Sedierung zu achten.
-
Beta-Rezeptorblocker können die aortale Pulsation abschwächen (Anti-Impuls-Therapie)
und die geschwächte Aortenwand entlasten [21], [37].
Ziel sind ein systolischer RR-Wert zwischen 100–120 mmHg und eine Reduktion der Herzfrequenz
[35], [48]. Auf der Intensivstation kann die Therapie mit Beta-Rezeptorblockern intravenös
begonnen werden [53].
Bei einer Aortenklappeninsuffizienz gilt
-
eine strenge Indikation für Beta-Rezeptorblocker, da sie die kompensatorische Tachykardie
unterdrücken und das Regurgitationsvolumen entsprechend erhöhen können.
-
Eine Alternative sind Kalziumantagonisten [6].
Zusätzliche Vasodilatatoren können den Blutdruck weiter senken.
Therapie von Typ-A-AD und IMH | Laut ESC-Leitlinien sollte die Typ-A-AD möglichst schnell chirurgisch therapiert werden,
wenngleich die Prognose durch Koma, Schock, Tamponade, Malperfusion, Schlaganfall
zusätzlich eingeschränkt sein kann.
-
Unbehandelt geht die akute Typ-A-AD mit einer Mortalität von ca. 50 % in den ersten
48 Stunden einher [10],
-
die perioperative Letalität ist hoch (ca. 25 %) [58].
Der von der Dissektion betroffene Anteil der Aorta wird möglichst komplett reseziert
und durch ein Interponat ersetzt [1]. Meist liegt bei Aortenklappeninsuffizienz eine funktionale Aortenklappe vor, sodass
erfahrene Zentren in diesen Fällen auch klappenerhaltend operieren [55].
Eine mesenteriale Malperfusion tritt bei 30 % der Patienten mit akuter AD auf. Eine
Kompression des wahren Lumens oder eine Dissektions-Ausdehnung in periphere Arterien
können in Extremitäten und viszeralen Organen zur Ischämie führen.
Intramurales Hämatom | Beim komplizierten Typ-A-IMH mit Perikarderguss, periaortalem Hämatom und großen
Aneurysmen ist eine Notfall-OP indiziert – ansonsten eine dringliche OP innerhalb
von 24 Stunden [10]. Bei älteren oder multimorbiden Patienten, ohne Vorliegen einer Aortendilatation
über 50 mm und einer IMH-Dicke kleiner als 11 mm, kann man zunächst auch zuwartend,
medikamentös-supportiv therapieren [32], [54].
Komplizierte Typ-B-AD und IMH | Bei komplizierter Typ-B-Dissektion, die sich auszeichnet durch
-
nicht kontrollierbaren Schmerz, Hypertension, Organmalperfusion und Progression der
Dissektion,
-
sowie bei Anzeichen für eine drohende Ruptur
sollte man eine kathetergestützte endovaskuläre Therapie mit Stentgraftimplantation
(„thoracic endovascular aortic repair“ – TEVAR) wählen (▶ [Abb. 4]). Ein offener chirurgischer Eingriff sollte Ausnahmefällen vorbehalten bleiben [10], [26].
Abb. 4
Sektionspräparat einer Aorta descendens. Ein Stentgraft ist im „wahren“ Lumen (Pfeil)
und ein großer Thrombus im „falschen“ Lumen (*) zu sehen. Sektionspräparat freundlicherweise
überlassen von Frau Dr. Haen, Pathologisches Institut der Universität Tübingen.
Bei akuter IMH – unter nicht ansprechender medikamentöser Therapie – sind
Indikationen für eine TEVAR, die in diesem Fall einer chirurgischen Therapie vorzuziehen
ist [10].
Unkomplizierte Typ-B-AD und IMH | Die ESC-Leitlinien empfehlen bei unkomplizierten Typ-B-Dissektionen, d. h. ohne Anzeichen
einer Malperfusion, die Patienten zunächst
-
unter medikamentös-supportiver Therapie
-
engmaschig zu überwachen.
-
Dieses Vorgehen wird auch für unkomplizierte Typ-B-IMHs empfohlen [10].
Bei unkomplizierter Typ-B-Dissektion deutete sich in einer neueren Studie jedoch eine
bessere Langzeitprognose durch TEVAR in Verbindung mit einer optimalen medikamentösen
Therapie an [15].
Penetrierendes atheromatöses Ulkus | Beim PAU steht die Prävention des Progresses zur AD oder Ruptur im Vordergrund. Die
Therapie orientiert sich hier an Komorbiditäten, Klinik und Anatomie.
-
Indikationen für eine Intervention sind therapierefraktärer Schmerz, drohende Ruptur
-
sowie eine schnell progrediente Ulzeration, die mit einem periaortalen Hämatom oder
einem Pleuraerguss einhergeht [10].
Meist haben die Patienten aufgrund ihrer Komorbiditäten ein hohes OP-Risiko, sodass
die endovaskuläre Versorgung mittels TEVAR häufig die Methode der Wahl darstellt [5], [8].
Typ-A-AD und -IMH sollten rasch chirurgisch versorgt werden. Die komplizierte Typ-B-AD
und -IMH sollten endovaskulärer therapiert werden (TEVAR).
Konsequenz für Klinik und Praxis
-
Die akute Aortendissektion ist – verglichen mit anderen Thoraxschmerz verursachenden
Erkrankungen (z. B. akutes Koronarsyndrom, Lungenembolie) – ein eher seltenes, jedoch
sehr bedrohliches Krankheitsbild.
-
Je nach Ausprägung und Lokalisation der AD sind verschiedene thorakale, abdominelle
und neurologische Symptome möglich.
-
Bei klinischem Verdacht sollte sofort eine bildgebende Diagnostik erfolgen – im Akutfall
eignen sich besonders CT-Angiographie und transösophageale Echokardiographie.
-
Typ-A-Dissektionen sollten unverzüglich einer chirurgischen Therapie zugeführt werden.
-
Patienten mit komplizierten Typ-B-Dissektionen sollten mit endovaskulärer Stentgraftimplantation
(TEVAR) behandelt werden.
-
Bei unkomplizierter Typ-B-Dissektion ist zunächst eine supportiv-medikamentöse Therapie
unter engmaschiger Überwachung möglich.
Der Beitrag wurde geändert am 10.02.2015 gemäß folgendem Erratum:
Der korrekte englische Titel für den Beitrag „Akutes Aortensyndrom“ (Dtsch med Wochenschr
2015; 140: 104–109) lautet: Acute aortic syndrome