Lediglich für den Bereich der Gutachterkommissionen
und Schlichtungsstellen werden Arzthaftungsfälle systematisch
erfasst und Ergebnisse durch die Ärztekammern veröffentlicht.
Für 2010 waren dies 11 016 Fälle, was
ca. einem Viertel aller Behandlungsfehlervorwürfe entsprechen
soll [1]. Das Fehlen einer Gesamtstatistik überrascht,
denn bei einer Fehlerrate von rund 30 % kann Haftpflicht-Fällen
eine sehr hohe Relevanz für die Fehleranalyse und -vermeidung
zugerechnet werden.
Als einer der wenigen Leistungserbringer erfasst Helios Haftpflicht-Ansprüche
pro Klinik und publiziert diese bis hin zur Darstellung von sogenannten „Never
Events” wie Seiten-/Verwechslungen und verbliebene
Fremdkörper in seinen Jahresberichten (Tab. [1]
).
Tab. 1 Haftpflichtfälle
bei HELIOS. Nach Melde-/Antragsjahr.
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2008
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2009
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2010
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6/2011
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Haftpflicht-Fälle gesamt:
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634
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731
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645
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272
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Haftpflicht-Fälle Akut
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584
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671
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601
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245
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Akutquote auf 1000 vollst. Fälle
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1,1
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1,1
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1,0
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0,8
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<TD VALIGN="TOP">
Seiten-/Verwechslung
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4
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4
</TD><TD VALIGN="TOP">
5
</TD><TD VALIGN="TOP">
3
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Fremdkörper
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18
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19
</TD><TD VALIGN="TOP">
14
</TD><TD VALIGN="TOP">
9
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<TD VALIGN="TOP">
Schlichtungsstellenverfahren:
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<TD VALIGN="TOP">
Anträge bei SST
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194
</TD><TD VALIGN="TOP">
226
</TD><TD VALIGN="TOP">
252
</TD><TD VALIGN="TOP">
105
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
SST-Fehlerquote
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30,0 %
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26,8 %
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27,6 %
</TD><TD VALIGN="TOP">
30,2 %
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Der Großteil der Ansprüche gegen Helios wird mittlerweile
ohne Einbezug eines Versicherers durch einen zentralen Dienst bearbeitet.
Neben besserer Kommunikation und schnellerer Klärung gegenüber
dem Patienten ist eine verbesserte Analyse hinsichtlich Risiko-
und Qualitätsmanagement-Maßnahmen das Ziel.
Alle Ansprüche werden in einer Datenbank nach verschiedenen
Kategorien kodiert. Diese umfassen u. a. Vorwurf/Fehlerursache,
juristische Bewertung und Finanzdaten. Seit der Ersterfassung im
Jahr 2007 sind mehr als 3000 Ansprüche und haftungsrelevante
Vorfälle aufgezeichnet. Dieses Behandlungsfehler-Register
ermöglicht jederzeit spezifische Auswertungen. Quartalsweise erfolgt
eine Berichterstattung mit Klinikvergleich. Ergänzend zum
Qualitätsmanagement mit Routinedaten werden Haftpflicht-Fälle
nun den medizinischen Fachgruppen für Peer Reviews oder
Fall-Kasuistiken zur Verfügung gestellt. Zum Beispiel konnten
aus der Analyse von „Never Events” Schwachstellen
beim Einsatz der OP-Checklisten identifiziert werden. Die Fachgruppe
Pflege führte auf Basis von Dekubitus-Fällen überhaupt
erstmals ein zentrales Review durch.
Haftpflichtverfahren als Indikator der Qualitätsmessung?
Wie Critical Incident Reporting (CIRS), Patient Safety Indicator
(PSI) oder Qualitätssicherung mit Routinedaten (QSR)/Initiative
Qualitätsmedizin (IQM) stellt auch ein Haftpflicht-Register eine
Methode der Qualitätsmessung dar. Weil Ansprüche
sowieso bearbeitet werden müssen, entfällt ein
zusätzlicher Erhebungsaufwand weitgehend. Die einzelnen
Anspruchszahlen mögen gering sein, deren Erkenntnis- und
Mehrwert ist jedoch bemerkenswert. Zunächst geben die im
Zuge der Klärung der Haftungsfrage vorliegenden medizinischen
Gutachten und Stellungnahmen oft einen einzigartigen Einblick in Fehlerursachen
und im Sinne des „Aus Fehlern Lernens”. Zudem
werden bei Haftpflichtverfahren eine ganze Reihe an Ereignissen
bekannt, die in Routinedaten bisher nicht umfasst sind, z. B. der
Anästhesie oder Handchirurgie. Aber auch bei gut abgebildeten
Behandlungen wie der Orthopädie/Unfallchirurgie – woraus
ein Großteil der Haftpflichtverfahren resultiert – werden Probleme
durch die Rückspiegelung der Ergebnisse nach dem stationären
Aufenthalt oft erst direkt nachvollziehbar. Inwieweit Haftpflicht
als Querschnittsindikator statistischen Anforderungen genügen
kann – etwa als Maß für Patientensicherheit – müsste
Gegenstand der weiteren Versorgungsforschung sein. In den USA sind
jedenfalls umfangreiche Haftpflicht-Benchmark-Reports inzwischen
etabliert [2].
Autorenerklärung: Es bestehen
keine finanziellen Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem
Artikel.