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DOI: 10.1055/s-0029-1243067
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Opium des Volkes und Droge der Dichter
Schlafmohn in Medizin und Belletristik des 19. JahrhundertsOpium in 19th century medicine and literaturePublikationsverlauf
Publikationsdatum:
09. Dezember 2009 (online)

Einleitung
Weihnachten hat als Fest der Geburt Christi einen religiösen Kern, der für viele Menschen in unserem Kulturkreis noch heute von großer Bedeutung ist. Andere lehnen das christliche Feiern aus persönlichen, aber auch gesellschaftlichen Gründen bewusst ab; allenthalben wird über die „Droge Weihnachten” geklagt, die zu Konsumwut und Völlerei führt und nach Abklingen oder Ausbleiben ihrer Wirkung die Suizidrate in die Höhe schnellen lässt. Religion als Droge? Das erinnert an ein berühmtes Diktum von Karl Marx. In seiner Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (1843/44) heißt es:
„Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes. Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks: Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.”
Um Weihnachtsdroge und Marxsche Religionskritik soll es im Folgenden nicht gehen, auch wenn Ärzte beruflich von „Illusionen” und „Jammertälern” oft betroffen sind. Interessieren soll vielmehr der Begriff des Opiums, den der 25-jährige Marx nicht zufällig aus der zeitgenössischen Literatur aufgreift und metaphorisch einsetzt. Seit Jahrhunderten in der Medizin bekannt, begann nämlich für diese Droge um 1800 eine ungeahnte, bis heute anhaltende Karriere (man denke nur an den Opiumanbau in Afghanistan und seine Rolle im dortigen Konflikt!). Für ihre Verbreitung zu einer „Droge des Volkes” spielten die Kontexte von Kolonialismus und Dichtung eine entscheidende Rolle.
Literatur
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Prof. Dr. Dr. Daniel Schäfer
Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität
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Joseph-Stelzmann-Str. 20, Geb.
42
50931 Köln
Telefon: 0221/478-5266
eMail: daniel.schaefer@uni-koeln.de