physioscience 2009; 5(2): 44
DOI: 10.1055/s-0028-1109431
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lohnt sich ein Master-Studiengang?

K. Lüdtke1
  • 1Rückenzentrum am Michel Prävention GmbH, Hamburg
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Publication Date:
18 May 2009 (online)

Nicht selten werde ich gefragt: Lohnt es sich überhaupt, einen Master-Studiengang zu absolvieren? Die Antwort fällt mir nicht ganz leicht, denn objektiv „lohnen” im Sinne einer finanziellen Verbesserung oder automatisch an den Abschluss gebundenen beruflichen Beförderung wird sich der mit einem Master-Studium verbundene erhebliche finanzielle und zeitliche Aufwand sicherlich nicht. Dennoch ist mir bisher noch kein Master-Absolvent begegnet, der seine Entscheidung zu studieren bereut hätte. Was ist es also, das Physiotherapeuten zu einem Master-Studium bewegt? Haben Master-Studenten ein konkretes Ziel, wenn sie ihr Studium beginnen und wie gestaltet sich der Berufsalltag nach dem Studium? Sind Master-Absolventen zufrieden mit ihrer beruflichen Situation?

Um einen ersten Eindruck zu gewinnen, wie Master-Absolventen die oben genannten Fragen beantworten würden, habe ich 10 Kollegen diese Fragen gestellt und dabei erfahren, dass es fast so viele Motivationsgründe wie Absolventen zu geben scheint: Die Beweggründe reichen von „Ich wollte mir ein nettes Jahr in Australien gönnen und meine Englischkenntnisse verbessern” bis hin zu „Ich benötige einen höheren akademischen Abschluss, um auch in Zukunft auf diesem Niveau unterrichten zu können”. Aber auch der Wunsch nach Abwechslung vom Behandlungsalltag, das Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten bzw. das bessere Verständnis wissenschaftlicher Fachartikeln und die persönliche Weiterentwicklung wurden als Motivationsgründe genannt. 2 Teilnehmer spezieller manualtherapeutisch ausgerichteter Studiengänge gaben weiterhin an, dass es ihnen wichtig war, ihre klinischen Fähigkeiten zu verbessern und die manualtherapeutische Ausbildung komprimiert „an einem Stück” zu erhalten. Als relativ neue Motivation ist der Wunsch hinzugekommen, als First Contact Practitioner ausgebildet zu werden und vorbereitet zu sein, wenn sich diese Entwicklung in Deutschland ergibt.

Auf die Frage hin, wie sie sich zu Studienbeginn die Weiterentwicklung im Berufsleben vorstellten, gab es wenig konkrete Aussagen. Wait and see scheint hier eine gängige Haltung zu sein. Jedoch hofften fast alle Absolventen auf eine Veränderung des Berufsalltages mit mehr Abwechslung. Es wurde der Wunsch angegeben, Unterrichtsaufgaben zu übernehmen und neue Berufsfelder zu ergründen.

Nicht alle Befragten konnten diese Wünsche bisher umsetzen. Zwar scheint die zusätzliche Qualifikation die Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen (siehe Gasteditorial von Prof. Dr. Heidi Höppner), jedoch gibt es auch gegenteilige Aussagen von Kollegen, deren Bewerbungen nicht erfolgreich waren, weil man sie für eine Praxistätigkeit für „überqualifiziert” und zu anspruchsvoll hielt und weil potenzielle Arbeitgeber erwarteten, dass Master-Absolventen nicht lange in einer Position bleiben und sich bald neu orientieren.

Es besteht eine Unzufriedenheit mit der Gehaltshöhe und den mangelnden Möglichkeiten, die erlernten wissenschaftlichen Kenntnisse im Berufsleben einzusetzen. Tatsächlich finden sich bisher kaum Stellenausschreibungen für Physiotherapeuten mit Master-Abschluss und ebenso wenig Stipendien sowie Forschungsgelder. Möglicherweise liegt das daran, dass es bislang zu wenige Absolventen gibt und diese außerhalb des Fachbereichs noch nicht genügend Aufsehen erregt haben. Anderen kooperationsgeeigneten Berufsgruppen scheint nicht bekannt zu sein, dass einige Physiotherapeuten inzwischen über akademische Ausbildungen verfügen und somit neue Herausforderungen suchen.

Master-Physiotherapeuten verfügen in der Regel über eine hohe Motivation, haben relativ geringe Lohnansprüche, viel Ausdauer, Teamfähigkeit und Flexibilität und sind somit attraktive Mitarbeiter. Ihre pragmatische und funktionelle Denkweise ist eine Bereicherung für viele medizinische, sportwissenschaftliche und psychologische Projekte, um nur einige Fachbereiche zu nennen, die sich für eine wissenschaftliche Kooperation eignen. Auch das Verlagswesen, die betriebliche Prävention und die Gesundheitspolitik bieten eine Anzahl von Aufgaben, die für Physiotherapeuten interessant sein können.

Unter www.zipt.de findet sich eine Arbeitsgruppe, die sich zur Aufgabe gemacht hat, neue Berufsfelder für Physiotherapeuten aufzuzeigen. Die Schwierigkeit besteht darin, potenzielle Arbeitgeber/Drittmittelorganisationen zu identifizieren, die aufgeschlossen genug sind, einer anderen als der üblichen Berufsgruppe eine Chance zu geben.

Mein Appell: Nur Mut! Wir müssen auf uns aufmerksam machen, mit anderen Berufsgruppen kommunizieren, bestehende Netzwerke nutzen und viel Eigeninitiative mitbringen, dann „lohnt” sich das Master-Studium, weil mit neuen Aufgaben eine deutliche Verbesserung der Berufszufriedenheit erreicht wird und – mit etwas Verhandlungstalent – auch die finanzielle Situation und der gesellschaftliche Status aufgewertet werden.

Kerstin Lüdtke, MSc

Rückenzentrum am Michel Prävention GmbH

Ludwig-Erhard-Str. 18

20459 Hamburg

Email: kerstin_luedtke@hotmail.com

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