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DOI: 10.1055/s-0028-1100943
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Intensivmedizin 2008 – Fachorientiert und interdisziplinär
Intensive care 2008 – specialty oriented and interdisciplinaryPublication History
Publication Date:
19 November 2008 (online)

55 Jahre nach der Gründung der ersten intensivmedizinischen Station der Welt, im Blegdamshospitalet in Kopenhagen durch Bjørn Aage Ibsen, steht die Intensivmedizin nach langen Jahren der Entwicklung vor einer organisatorischen Neuorientierung. In den letzten Monaten hat sich die "Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)", eine Gesellschaft, bisher zusammengesetzt aus wissenschaftlichen Vereinigungen und Berufsverbänden, die sich mit intensivmedizinischen Fragen befassen, in eine neustrukturierte Fachgesellschaft gewandelt: Die neue DIVI umfasst neben der bisherigen Struktur nun auch persönliche Mitglieder. Die strikte Ausrichtung der Intensivmedizin auf die Fachbereiche der Medizin, die sich mit Intensivmedizin befassen (Anästhesie, Chirurgie, Innere Medizin, Neurochirurgie und Neurologie sowie die Kinder- und Jugendmedizin) ist weiter existent. Durch die persönliche Mitgliedschaft mit der Möglichkeit der Interdisziplinarität und gleichzeitigen Fachorientierung bietet die Neukonstruktion einen besseren, effizienten, wissenschaftlichen Austausch.
In diesem Sinne erscheint dieses Schwerpunktheft zum 9. Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, der vom 3. – 6.12.2008 in Hamburg stattfindet. Er ist nicht auf die Innere Medizin im klassischen Sinne begrenzt, sondern hat umfassende intensivmedizinische und interdisziplinäre Bezüge.
Das Leitmotiv des diesjährigen Kongresses lautet „Leben retten”. Um dieses Ziel zu erreichen, kommen je nach Lebensbedrohung sehr unterschiedliche Handlungsanweisungen zur Anwendung. Der Artikel über den Einsatz von Hydrocortison auf der Intensivstation von P. Möhnle et al., München, ist eine fundierte Meinungsäußerung ausgewiesener Experten zu einem wichtigen, aber kontroversen Thema. Es ist von außerordentlicher Bedeutung für das Überleben intensivmedizinischer Patienten, dieses Therapieprinzip richtig anzuwenden und zu beherrschen. Neue physiologisch begründete Therapiekonzepte sind immer ein zentrales Thema wissenschaftlicher Fachkongresse. In der Originalarbeit von Hennen et al., Halle, über die Wirkung einer vorbestehenden Betablockertherapie bei Multiorganversagen, wird ein typisches innovatives Konzept beschrieben. Patienten mit Betablockade und einer Abschirmung gegen eine exzessive autonome Sympathikusstimulation haben offensichtlich ein besseres Überleben. Diese erste Pilotstudie wird in der Originalarbeit dargelegt. Weitere große, randomisierte prospektive Studien sind nützlich, um diese interessante, hypopthesengenerierende Untersuchung zu verfolgen. Evidenzbasierte Medizin hat auch und gerade in die Intensivmedizin ihren Einzug gehalten. Richtig angewendet gibt sie Sicherheit im Handeln, auch wenn sie Entscheidungen nur unterstützen kann („The evidence supports decision making but the evidence can’t make the decision.” R. Smith, BMJ 2000; 321: 1363). Der Artikel von M. Buerke et al., Halle, über die Therapie des kardiogenen Schocks ist in diesem Sinne ein praxisnahes Thema und gleichzeitig Übung in evidenzbasierter Medizin. Die Arbeit von F. Brunkhorst, Jena, zeigt, welche Sepsismarker sinnvoll und somit auch ressourcenschoned eingesetzt werden können. Ein interessantes Fallbeispiel (Trudzinsky et al., Homburg) weist auf die Bedeutung der Interdisziplinarität und die Notwendigkeit der Interaktion verschiedener Spezialisten in der Intensivmedizin hin. Auch die im Beitrag von Ellis et al., Hannover, ausgeführten Grundlagen moderner Beatmungstechniken betreffen gebietsüberschreitend alle intensivmedizinischen Behandlungen. Verschiedene Wege führen auch in der Medizin manchmal zum gleichen Erfolg. Diskussionen auf hohem wissenschaftlichem Niveau beleuchten die jeweiligen Standpunkte, weswegen wir gerne eine Pro-Contra-Diskussion zu dem wichtigen praktischen Thema der Therapie von Beckenvenenthrombosen aufgenommen haben.
Die Innere Medizin soll in der neuen Fachgesellschaft DIVI nun Flagge zeigen und mit möglichst vielen fachkompetenten Kollegen aktiv sein. Innerhalb der Inneren Medizin spielt die Intensivmedizin eine überragende Rolle, und die verschiedenen Subspezialitäten können wegweisende Innovationen entwickeln und praktizieren. Die Entwicklung der neuen DIVI hat den über lange Zeit währenden Streit „Wem gehört die Intensivmedizin?” überwunden und klar gezeigt, dass die jeweiligen Fachbereiche intensivmedizinische Kompetenzen haben und praktizieren müssen. Die vielfältigen Krankheitsentitäten und Komorbiditäten der Patienten der Inneren Medizin stehen ganz im Mittelpunkt und bedürfen der kompetenten Betreuung durch Internisten, die systematisch ausgebildet sind und mit wissenschaftlich untermauerten evidenzbasierten Therapien behandeln.
Prof. Dr. Gerhard W. Sybrecht
Universitätsklinikum des Saarlandes, Innere
Medizin V, Gebäude 91
66421 Homburg
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