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DOI: 10.1055/a-2417-8579
Die Rechtsfrage: Gelten Verordnungen stationsübergreifend, und wie ist die Haftung geregelt?
In unserer Klinik kommt es vor, dass Patient*innen auf die Intensivstation verlegt werden müssen. Aus unserer Sicht und in Absprache mit dem Fachpersonal der Intensivstation könnten wir die Atemtherapie auch nach dem Stationswechsel fort führen. Gilt die Verordnung über den Stationswechsel hinaus? Auch, wenn Patient*innen anschließend zum Beispiel wieder auf die orthopädische Station verlegt werden? Wer haftet für Behandlungsfehler?
Therapeutin aus Baden-Württemberg
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Unser Rechtsexperte antwortet:
Die Verordnung eines Heilmittels verliert ihre Gültigkeit, sofern ab Ausstellungsdatum nicht innerhalb von 28 Tagen (14 Tage in dringenden Fällen) mit der Behandlung begonnen wird. Sonstige Regelungen zum Unwirksamwerden gibt es nicht. Allerdings beginnt bei jedem Arztwechsel ein neuer Verordnungsfall, da die lebenslange Arztnummer (LANR) entscheidend ist. Erreicht man die vorgegebene Anzahl an Anwendungen, muss eine Erstverordnung anstelle einer Folgeverordnung ausgestellt werden.
Wer bei einem Behandlungsfehler haftet, ist davon getrennt zu beurteilen. Nach § 630a BGB schuldet der Behandelnde die für einen Heilerfolg erforderlichen medizinischen Maßnahmen. Für nichtärztliche Heilberufe wird die Behandlungsmaßnahme durch die ärztliche Anordnung bestimmt. Damit schulden Therapeut*innen eine fachgerechte und sorgfältige Durchführung der therapeutischen Behandlung.
Weichen behandelnde Ärzt*innen oder Therapeut*innen (oder ihre Hilfspersonen, §§ 278, 831 BGB) vom allgemein anerkannten fachlichen Standard ab, liegt ein Behandlungsfehler vor und die Behandelnden haften für alle Pflichtverletzungen, die ihnen oder ihren Hilfspersonen unterlaufen sind.
Bei horizontaler Arbeitsteilung – wie hier zwischen verordnenden Ärzt*innen und Therapeut*innen – können sich hinzugezogene Therapeut*innen auf die durch die erstbehandelnde Person durchgeführte Anamnese und Befunderhebung verlassen. Bei einem Wechsel des Verantwortungsbereichs, wie im beschriebenen Fall von der internistischen zur einer orthopädischen Station, müssen die neuen ärztlichen Behandelnden die aktuelle Behandlungssituation bewerten und entscheiden, ob die vorherige Verordnung – hier: Atemtherapie – weiterhin sinnvoll ist.
Es empfiehlt sich jedoch die Rücksprache mit der zuvor behandelnden verantwortlichen Person, denn eventuell ergibt sich eine Mitverantwortung, wenn diese Person etwa nicht klar kommuniziert hat, dass die Atemtherapie nicht mehr notwendig ist. Auch der Krankenhausträger kann haftbar gemacht werden, wenn nachweislich Organisationsfehler für die unzureichende Kommunikation zwischen den Abteilungen verantwortlich sind.
Wer für den Behandlungsfehler haftet, richtet sich also danach, wem eine konkrete Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Letztlich bleibt die alte Verordnung wirksam, sollte jedoch in Anbetracht des veränderten Gesund-heitszustands von Patient*innen kritisch geprüft werden. Durch eine klare Kommunikation zwischen behandelndem ärztlichen Personal, Therapeut*innen und Patient*innen lässt sich eine Haftung aufgrund eines Behandlungsfehlers vermeiden.
Wirft auch Ihr Berufsalltag rechtliche Fragen auf? Dann schreiben Sie eine E-Mail an ergopraxis@thieme.de.
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Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
09. Januar 2025
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