CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(08): 768-774
DOI: 10.1055/a-0641-5588
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neoadjuvante Therapie des Zervixkarzinoms mit dem Angiogeneseinhibitor Bevacizumab: eine monozentrische Auswertung

Article in several languages: English | deutsch
Philip Junker**
1   Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln, Germany
,
Julian Puppe**
1   Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln, Germany
,
Fabinshy Thangarajah
1   Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln, Germany
,
Christian Domröse
1   Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln, Germany
,
Angela Cepic
1   Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln, Germany
,
Bernd Morgenstern
1   Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln, Germany
,
Dominik Ratiu
1   Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln, Germany
,
Martin Hellmich
2   Uniklinik Köln, Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie, Köln, Germany
,
Peter Mallmann
1   Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln, Germany
,
Marina Wirtz
1   Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Köln, Germany
› Author Affiliations
Further Information

Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. Julian Puppe
Uniklinik Köln
Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Kerpener Straße 34
50931 Köln
Germany   

Publication History

received 02 March 2018
revised 07 June 2018

accepted 08 June 2018

Publication Date:
20 August 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Einleitung Das Zervixkarzinom ist weltweit die vierthäufigste Krebserkrankung der Frau. Die Hinzugabe des VEGF-Antikörpers Bevacizumab in Kombination mit einer platinhaltigen Chemotherapie konnte bei fortgeschrittenen Zervixkarzinomen eine Verbesserung des Gesamtüberlebens erreichen. Zum neoadjuvanten Einsatz von Bevacizumab existieren bislang keine Daten. Daher haben wir an einem Kollektiv von Zervixkarzinompatientinnen den Nutzen einer neoadjuvanten Kombinationstherapie mit Bevacizumab untersucht.

Patienten und Methoden Für diese retrospektive Kohortenstudie wurden 14 Patientinnen mit Zervixkarzinomen der FIGO-Stadien 1b1 bis IV ausgewertet, die eine neoadjuvante platinhaltige Chemotherapie in Kombination mit Bevacizumab erhielten. Als Vergleichskohorte wurden 16 Patientinnen eingeschlossen, die mit einer alleinigen neoadjuvanten platinhaltigen Chemotherapie therapiert wurden. Die Ansprechraten wurden mittels präoperativer klinischer Untersuchung, radiologischer Diagnostik (RECIST), dem Tumormarkerverlauf (SCC), sowie durch pathologische Aufarbeitung ermittelt.

Ergebnisse Es zeigte sich ein klinisches Ansprechen bei 93,8% (n = 15) der Patientinnen nach Bevacizumab-freier Therapie und bei 100% (n = 14) der Patientinnen, die zusätzlich mit Bevacizumab behandelt wurden. Die Kombinationstherapie mit Bevacizumab führte zu einer höheren Rate von klinischen Komplettremissionen (42,9 vs. 12,5%; p = 0,072) und signifikant verbesserten Reduktion der Tumorgröße (Δ längster Durchmesser: 3,7 vs. 2,5 cm; p = 0,025). Ein Downgrading war in 100% aller mit Bevacizumab therapierten Fälle im Vergleich zur 75% im Kontrollarm zu beobachten. Die Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) war nicht signifikant verändert (28,6% [n = 4] vs. 37,5% [n = 6]; p = 0,460).

Diskussion Insgesamt führte die Kombinationstherapie mit Bevacizumab zu einem besseren klinischen Ansprechen. Dadurch konnte häufiger die Operabilität verbessert werden. Aufgrund der kleinen Patientenkohorte sind größere prospektive Studien notwendig, um den Effekt einer neoadjuvanten Kombinationstherapie mit Bevacizumab zu validieren.


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Einleitung

Das Zervixkarzinom ist die weltweit vierthäufigste Krebserkrankung der Frau mit einer hohen Mortalität [1]. In Deutschland erkrankten in den letzten Jahren konstant ca. 4500 Frauen pro Jahr an einem Karzinom der Cervix uteri [2]. Entsprechend der deutschen S3-Leitlinie ist bei einem frühen Zervixkarzinom die Operation weiterhin die Standardtherapie, während bei Vorliegen von mindestens 3 definierten Risikofaktoren auf eine primäre Operation verzichtet werden und eine Radiochemotherapie durchgeführt werden sollte. Bei lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Zervixkarzinomen besteht in der Regel als Alternative zur Radiochemotherapie die Option einer primären Chemotherapie, gefolgt von einer Operation [3]. Durch eine neoadjuvante platinbasierte und intervallverkürzte Chemotherapie soll eine Verkleinerung des Tumors und dadurch eine Verbesserung der Operabilität und Reduktion der operativen Morbidität erreicht werden und das progressionsfreie- sowie das Gesamtüberleben verlängert werden [3], [4]. Besonders Frauen mit einem primären Zervixkarzinom und definierten Risiken wie einer Bulky Disease oder suspektem Lymphknotenstatus können von einem neoadjuvanten Konzept profitieren. Hier wird durch die medikamentöse Chemotherapie die Wahrscheinlichkeit der Notwendigkeit einer adjuvanten Radiochemotherapie reduziert. Diesem möglichen Nutzen müssen die Risiken und Nebenwirkungen der Systemtherapie gegenübergestellt werden [5].

In den letzten Jahren konnten durch Einsatz von Bevacizumab bei verschiedenen soliden Tumorerkrankungen gute Therapieergebnisse erzielt werden [6], [7]. Eine wesentliche Rolle für die gute Wirksamkeit, insbesondere bei der Behandlung des Zervixkarzinoms, spielen die im Regelfall an der Entstehung beteiligten humanen Papillomaviren [3], [8]. Ihr hohes onkogenes Potenzial beruht auf einer Stimulation der Angiogenese über verschiedene Angriffspunkte [8]. Bei Bevacizumab handelt es sich um einen rekombinanten humanen monoklonalen VEGF-Antikörper, der über eine kompetitive Inhibition der VEGF-Rezeptoren die Gefäßneubildung des Tumors hemmt [9], [10], [11]. Erste Erfahrungen im Einsatz von Bevacizumab beim fortgeschrittenen Zervixkarzinom von Monk et al. zeigten eine signifikante Verbesserung des medianen Gesamtüberlebens und progressionsfreien Überlebens [12]. Grundlage für die Zulassung von Bevacizumab beim fortgeschrittenen Zervixkarzinom war die GOG-240-Studie von Tewari et al., in der 452 Patientinnen mit rezidivierten oder metastasierten Zervixkarzinomen entweder eine reine Chemotherapie (Kombination aus Paclitaxel und Cisplatin oder Paclitaxel und Topotecan) und im Vergleich dazu die Chemotherapie in Kombination mit Bevacizumab erhielten [13], [14]. Hierbei konnten signifikante Verbesserungen im Bezug auf das Gesamtüberleben und progressionsfreie Überleben erzielt werden [13], [14]. Auch in der Kombination von Bevacizumab mit einer konventionellen platinhaltigen Radiochemotherapie konnten gute Ergebnisse gezeigt werden [15]. Erfahrungswerte zum Einsatz von Bevacizumab in der neoadjuvanten Behandlung des Zervixkarzinoms existieren bisher nicht.

In der vorliegenden Arbeit möchten wir daher über unsere ersten klinischen Erfahrungen zur neoadjuvanten Therapie des Zervixkarzinoms mit einer platinhaltigen Chemotherapie in Kombination mit dem Angiogeneseinhibitor Bevacizumab berichten. Zusätzlich haben wir den Effekt der Hinzunahme von Bevacizumab auf die Remissionsraten und Operabilität untersucht und mit einem Bevacizumab-freien Kollektiv verglichen.


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Patienten und Methoden

Patientenkollektiv und Therapieregime

Für diese retrospektive Kohortenstudie wurden insgesamt 46 Patientinnen mit einem histologisch gesicherten Zervixkarzinom gescreent, die in der Zeit von 2007 bis 2016 in der onkologischen Ambulanz der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Uniklinik Köln systemtherapeutisch behandelt wurden. 30 Patientinnen, die eine neoadjuvante platinhaltige Chemotherapie erhalten haben, wurden in die Studie eingeschlossen ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Aufbau der Kohortenstudie: Das Flussdiagramm verdeutlicht die Anzahl der für diese Studie gescreenten (n = 46) sowie ein- und ausgeschlossenen Zervixkarzinompatientinnen (n = 30) und beschreibt die verwendeten Therapieregime beiden Therapiekohorten (NACT ± Bevacizumab).

Vierzehn Patientinnen erhielten eine neoadjuvante Kombinationschemotherapie mit Bevacizumab. Davon bekamen 8 Patientinnen eine Kombinationstherapie aus Paclitaxel (80 mg/m2 q7), Cisplatin (75 mg/m2 q21) und Bevacizumab (15 mg/kg KG q21). Hierbei verabreichten wir im Durchschnitt 12 Zyklen Paclitaxel (80 mg/m2), 4 Zyklen Cisplatin (75 mg/m2) und 4 Zyklen Bevacizumab (15 mg/kg KG). Fünf Patientinnen erhielten eine Kombination aus Cisplatin (40 mg/m2 q7) Docetaxel (35 mg/m2 q7) und Bevacizumab (5 mg/kg KG q7). Hierbei wurden im Schnitt 8 Zyklen Cisplatin (40 mg/m2), 8 Zyklen Docetaxel (35 mg/m2) und 6 Zyklen Bevacizumab (5 mg/kg KG) verabreicht. Eine Patientin erhielt eine auswärtig begonnene Therapiekombination aus Paclitaxel (80 mg/m2 q7), Carboplatin (6 mg/AUC q21) und Bevacizumab (15 mg/kg KG q21). Die Kostenerstattung der Therapien erfolgte nach individueller Antragstellung über die betreuenden Krankenkassen.

Für die Vergleichskohorte wurden 16 Patientinnen mit einer Bevacizumab-freien T../eps/EPS_FIZ/6415588gfde01.jpg ../eps/EPS_FIZ/6415588gfde02.jpg ../eps/EPS_FIZ/6415588gfde03.jpg ../eps/EPS_FIZ/6415588gf01.jpg ../eps/EPS_FIZ/6415588gf02.jpg ../eps/EPS_FIZ/6415588gf03.jpgherapie ausgewertet. Hierbei erhielten 15 Frauen eine wöchentliche Therapie mit Cisplatin (40 mg/m2) und Docetaxel (35 mg/m2) sowie eine Patientin eine Therapie mit Cisplatin (30 mg/m2 q7) und Topotecan (4 mg/m2 q7). Im Durchschnitt erhielten die Patientinnen 8 Zyklen Cisplatin 40 mg/m2 und 8 Zyklen Docetaxel 35 mg/m2. Im Cisplatin/Topotecan-Therapieregime wurden 8 Zyklen Cisplatin (30 mg/m2 q7) und 8 Zyklen Topotecan (4 mg/m2 q7) verabreicht.


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Untersuchungsmethoden

Alle Patientinnen durchliefen nach Beendigung der neoadjuvanten Chemotherapie eine Re-Evaluation des Tumorstatus durch die klinische Untersuchung und eine dem primären Tumorstadium angepasste Bildgebung. Ab dem Stadium FIGO IB2 wurde hierbei entsprechend der S3-Leitlinie die extrapelvine Tumorausbreitung mit einem CT Thorax/Abdomen und die lokoregionäre Ausbreitung mit einer Magnetresonanztomografie (MRT) des Beckens beurteilt [3]. Die radiologische Auswertung der Bildgebung erfolgte entsprechend der RECIST-Kriterien (RECIST: Response Evaluation Criteria In Solid Tumors) [16]. Ein im Vergleich zur prätherapeutischen Bildgebung nicht mehr nachweislicher Tumor wurde als klinische Komplettremission (cCR) definiert. Ein im Vergleich zum Vorbefund regredienter Tumor mit mehr als 30% Größenabnahme wurde entsprechend der RECIST-Kriterien als Partialremission (cPR) definiert. Insgesamt regrediente Befunde, die nach den RECIST-Kriterien nicht als Partialremission definiert werden konnten, wurden als Ansprechen (response) festgehalten [17]. Lag in der pathologischen Aufarbeitung der Präparate kein invasiver Tumorrest mehr vor, wurde dies als pathologische Komplettremission (pCR) dokumentiert. Bei Patientinnen mit einem Karzinom kleiner FIGO IB2 erfolgte die Re-Evaluation nach Chemotherapie nicht durch eine radiologische Bildgebung, sondern anhand einer klinisch sonografischen Untersuchung [3]. Für die Messung der Tumorgröße wurde der jeweils längste Durchmesser in cm (LD) verwendet. Die Veränderung der Tumorgröße wurde als Mittelwert der Differenzbeträge (ΔLD) vor und nach Therapie berechnet. Bei 7 Patientinnen im konventionellen Therapieregime und bei 1 Patientin in der Bevacizumab-therapierten Kohorte konnte kein Durchmesser anhand der vorhandenen Bildgebung bestimmt werden. Bei plattenepithelialer Tumorkomponente wurde zudem das serologische Ansprechen als Mittelwert der Veränderung des Squamous Cell Carcinoma Antigen (SCC) im Serum (μg/l) vor und nach dem letzten Zyklus der neoadjuvanten Chemotherapie angegeben (ΔSCC). Bei 5 Patientinnen fehlten weitere Angaben zum SCC-Verlauf.


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Statistische Analysen

Eine strukturierte medizinische Datenbank wurde über verschiedene klinische Informationssysteme angelegt (ORBIS® OpenMED, AGFA HealthCare NV, Cato®) und über Excel® 2010 (Microsoft Corporation, Redmond, USA) und SPSS Statistics 22 (IBM Corporation, Armonk, New York, USA) ausgewertet. Die statistische Erhebung der p-Werte erfolgte neben dem Fisherʼs Exact-Test auch mit dem Barnardʼs Test [18].


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Ergebnisse

Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 30 Zervixkarzinompatientinnen mit einer neoadjuvanten platinhaltigen Chemotherapie behandelt. Davon erhielten 14 Patientinnen eine Kombinationschemotherapie mit Bevacizumab. Diese Kohorte wurden mit 16 Patientinnen verglichen, die ohne Bevacizumab therapiert worden sind. Die demografischen Charakteristika der Patientenkohorten sind in [Tab. 1] aufgeführt.

Tab. 1 Klinische und histopathologische Tumorcharakteristika des untersuchten Patientenkollektivs (n = 30): Vergleich der Bevacizumab-freien Therapiekohorte (NACT) mit der Bevacizumab-Kombinationstherapie (NACT + Bevacizumab).

Variable

total

NACT

n (%)

NACT + Bevacizumab

n (%)

p-Wert

gesamt

30

16

14

0,967

Alter

45,2

44,4

histologischer Typ

Adenokarzinom

9

7 (43,8)

2 (14,3)

0,118

Plattenepithelkarzinom

20

9 (56,2)

11 (78,6)

klarzelliges Karzinom

1

0 (0)

1 (7,1)

Grading (G)

G2

20

11 (68,9)

9 (64,3)

1

G3

10

5 (31,1)

5 (35,7)

Tumorstadium (FIGO)

cT1

8

5 (31,3)

3 (21,4)

0,649

cT2

15

9 (56,3)

6 (42,9)

cT3

2

0 (0)

2 (14,3)

cT4

5

2 (12,4)

3 (21,4)

Nodalstatus

cN0

12

8 (50)

4 (28,6)

1

cN+

18

8 (50)

10 (71,4)

Metastasierung

M0

27

14 (87,5)

13 (92,9)

M+

3

2 (12,5)

1 (7,1)

Die Kombinationstherapie mit Bevacizumab erhöht die klinischen Ansprechraten

[Tab. 2] zeigt die Ansprechrate nach einer neoadjuvanten Therapie im Vergleich mit oder ohne Bevacizumab. Die neoadjuvante Therapie mit Bevacizumab führte zu einem verbesserten klinischen Ansprechen (100% [n = 14] vs. 93,8% [n = 15], p = 0,442). Die Rate der klinischen Komplettremissionen war bei den mit Bevacizumab behandelten Patientinnen höher. Hier war ein statistischer Trend zugunsten der Kombinationstherapie mit Bevacizumab erkennbar (42,9% [n = 6/14] vs. 12,5% n = 2/16]; p = 0,072). Eine klinische Komplettremission konnte in der Bevacizumab-freien Kohorte bis zum Stadium FIGO IIb erreicht werden, während in der Bevacizumab-therapierten Kohorte eine klinische Komplettremission auch in höheren Stadien beobachtet werden konnte ([Abb. 3]). Die histopathologischen Untersuchungen an den Operationspräparaten ergaben ein Downgrading, im Sinne einer positiven Veränderung des Tumorstadiums, in 100% (n = 14) aller mit Bevacizumab therapierten Patientinnen. Bei den konventionell therapierten Patientinnen lag der Anteil bei 75% (n = 12/16; p = 0,103). Die Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) war nicht signifikant verändert (28,6% [n = 4] vs. 37,5% [n = 6]; p = 0,460) ([Tab. 2]). Allerdings konnte durch die Hinzunahme von Bevacizumab in einem Fall eine pCR auch im Stadium FIGO IV erreicht werden. In diesem Fall lag ein primär hepatisch und lymphogen metastastasiertes Plattenepithelkarzinom der Zervix vor. Demgegenüber konnte nach konventioneller Therapie eine pCR nur bis zum Stadium FIGO IIb beobachtet werden. Eine R0-Resektion konnte bei allen mit Bevacizumab behandelten Patientinnen erreicht werden (100% [n = 14/14] vs. 87,5% [n = 14/16]; p = 1,0).

Tab. 2 Ansprechraten und Verlaufsparameter in Abhängigkeit einer neoadjuvanten Therapie mit oder ohne Bevacizumab (NACT ± Bevacizumab). Die Veränderung der Tumorgröße und der SCC-Verlauf wurden als Mittelwert der Differenzbeträge (ΔLD/ΔSCC) vor und nach Therapie berechnet.

Variable

NACT

n (%)

NACT + Bevacizumab

n (%)

p-Wert

cPR: Partialremission; cCR: klinische Komplettremission; pCR: pathologische Komplettremission; LD: längster Durchmesser in cm; SCC: Squamous Cell Carcinoma Antigen im Serum (μg/l)

gesamt

30

16

14

0,917

Response

nein

1 (6,3)

0 (0)

1,000

ja

15 (93,7)

14 (100)

cPR

nein

4 (25)

6 (42,9)

0,442

ja

12 (75)

8 (57,1)

cCR

nein

14 (87,5)

8 (57,1)

0,072

ja

2 (12,5)

6 (42,9)

pCR

nein

10 (62,5)

10 (71,4)

0,460

ja

6 (37,5)

4 (28,6)

Downgrading

nein

4 (25)

0 (0)

0,103

ja

12 (75)

14 (100)

R0-Resektion

nein

2 (12,5)

0 (0)

1,000

ja

14 (87,5)

14 (100)

ΔLD (cm)

2,5

3,7

0,025

ΔSCC (μg/l)

8,3

7,4

0,978

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Abb. 3 Der Waterfall Plot zeigt die Veränderung der Tumorgröße (LD) in Prozent vor und nach der Behandlung mit/ohne Bevacizumab. In der Tabelle werden die dazugehörigen Ansprechraten und Tumorstadien angezeigt. Bei 7/16 Patienten in der konventionellen Gruppe und 1/14 Patienten in der Bevacizumabgruppe fehlten die Angaben zur posttherapeutischen Tumorgröße und wurden dementsprechend exkludiert (Abkürzungen: cPR: Partialremission; cCR: klinische Komplettremission; pCR: pathologische Komplettremission).
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Abb. 2 Boxplot-Diagramm zeigt eine bessere Tumorreduktion durch die Addition von Bevacizumab (ΔLD in cm = 2,5 ± 1,6 vs. 3,7 ± 1,2; p = 0,025). Fisherʼs Exact-Test mit einem Signifikanzniveau von α = 0,05.

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Die Hinzunahme von Bevacizumab verbessert signifikant die Tumorreduktion

Bei einem Großteil der Patientinnen (22/30) konnte die prä- und posttherapeutische Tumorgröße durch die Bildgebung (MRT, CT) nach RECIST-Kriterien (längster Durchmesser – LD) objektiviert werden. Hier konnte eine signifikant bessere Tumorreduktion durch eine Bevacizumab-Kombinationstherapie erreicht werden (p = 0,025, [Abb. 2] und [3]).

Insbesondere bei den großen Karzinomen zeigte sich vor Beginn einer Therapie auch ein deutlich erhöhter SCC-Wert im Serum. Obwohl der deutliche Abfall des erhöhten SCC-Wertes im Serum bei großen Zervixkarzinomen in unserer Erhebung nicht statistisch signifikant war, (ΔSCC: 7,4 vs. 8,3 μg/l; p = 0,978), konnten wir Remissionen aufzeigen, die sich auch serologisch bestätigt fanden. Exemplarisch zeigte sich bei einer Patientin im Stadium IIIb (Patientin 22, [Tab. 3]) mit einer Bevacizumab-Kombinationstherapie eine Abnahme des SCC von initial 21,4 μg/l auf 1,5 μg/l und eine Reduktion der Tumorgröße (LD) von initial 5,6 auf 0 cm, im Sinne einer klinischen Komplettremission.

Tab. 3 Auflistung der registrierten Nebenwirkungen nach einer Bevacizumab-Kombinationstherapie. Die Klassifikation erfolgte nach CTCAE (Common Terminology Criteria for Adverse Events).

Patienten (n = 14)

keine

n (%)

Grad I

n (%)

Grad II

n (%)

Grad III

n (%)

Anämie

2 (14)

9 (64)

3 (21)

0 (0)

Neutropenie

3 (21)

4 (29)

7 (50)

0 (0)

Thrombopenie

7 (50)

5 (36)

2 (14)

0 (0)

Diarrhö

9 (64)

5 (36)

0 (0)

0 (0)

Mukositis

3 (21)

9 (64)

2 (14)

0 (0)

Fisteln/Perforationen

0 (0)

0 (0)

0 (0)

0 (0)

Hypertonie

3 (21)

5 (36)

5 (36)

1 (7)

Proteinurie

6 (43)

3 (21)

5 (36)

0 (0)

thromboemb. Ereignisse

0 (0)

0 (0)

0 (0)

0 (0)

Fatigue

0 (0)

7 (50)

6 (43)

1 (7)


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Keine therapielimitierenden Nebenwirkungen durch die zusätzliche Gabe von Bevacizumab

In unserer Kohorte zeigten sich unter der Kombinationstherapie mit Bevacizumab insgesamt keine therapielimitierenden Nebenwirkungen ([Tab. 3]). Die überwiegende Anzahl der Patientinnen wiesen unter der laufenden Kombinationschemotherapie Blutbildveränderungen auf. Ebenso häufig kam es unter der Therapie zu Fatigue und Erschöpfungszuständen. Eine Patientin zeigte eine Fatigue im Stadium III und musste stationär supportiv behandelt werden, der Anschlusszyklus konnte aber ohne Verzögerung appliziert werden. In der gesamten Kohorte konnten keine Fistelbildung oder thromboembolische Ereignisse nachgewiesen werden. 57% aller Frauen wiesen unter der laufenden Therapie eine Proteinurie Grad I und II auf. Vergleichbar häufig kam es zu hypertensiven Veränderungen. Eine Patientin wies bei präexistentem Hypertonus eine Exazerbation der Blutdruckwerte unter Bevacizumab auf CTC Grad III auf. Unter einer antihypertensiven Therapie konnte die Chemotherapie mit Bevacizumab fortgesetzt werden.


#
#

Diskussion

Ziel dieser retrospektiven Analyse war es, den Effekt von Bevacizumab in Kombination mit einer neoadjuvanten Chemotherapie beim Zervixkarzinom zu untersuchen. Wir konnten in unserem Kollektiv beobachten, dass eine neoadjuvante Chemotherapie mit Bevacizumab die Tumorregression signifikant verbessern kann und dadurch möglicherweise erhöhte Ansprechraten erreicht werden können.

Auch wenn beim Gesamtansprechen kein signifikanter Unterscheid messbar war (p = 1,000), konnten wir bei der Rate an klinischen Komplettremissionen einen Trend zugunsten der Bevacizumab-Kohorte (p = 0,072) aufzeigen. Eine ähnliche Beobachtung konnte in der GOG-240-Studie gemacht werden. Hier wurden höhere Ansprechraten von 50% im Cisplatin-Paclitaxel-Bevacizumab-Arm im Vergleich zu 45% im Cisplatin-Paclitaxel-Arm erreicht, allerdings war der Unterschied auch nicht signifikant (p = 0,51) [13]. Die pathologische Komplettremission scheint einen relevanten Einfluss auf das Gesamtüberleben sowie das progressionsfreie Überleben zu haben [19], [20]. Daher haben wir auch die Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) untersucht, konnten aber in der Bevacizumab-Kohorte keine signifikante Verbesserung erzielen. Dieser nicht signifikante Unterscheid ist möglicherweise auf die kleine Patientenkohorte zurückzuführen. Zudem muss man anmerken, dass in der Bevacizumab-Kohorte mehr Patientinnen enthalten waren, die eine fortgeschrittene Erkrankung hatten (cT3/cT4-Karzinome; n = 5), bei denen eine pathologische Komplettremission schwieriger zu erreichen ist.

Alle mit Bevacizumab therapierten Patienten konnten R0 operiert werden. Zudem ließ sich bei allen ein Downgrading feststellten. Somit könnte durch die Hinzunahme von Bevacizumab gegebenfalls eine bessere Operabilität besonders großer und primär inoperabler Tumore erreicht werden. Weitere prospektive Untersuchungen sollten den prädiktiven Wert der Tumorgröße bei einer Bevacizumab-Behandlung überprüfen.

Der signifikant stärkere Antitumoreffekt durch die Hinzunahme von Bevacizumab auf die Tumorgröße (p = 0,025) lässt sich anhand von pathophysiologischen Vorgängen erklären. Die Proliferation neuer Blutgefäße spielt für das Wachstum eines Tumors bekanntermaßen eine entscheidende Rolle [21]. Die VEGF-Expression und die mikrovaskuläre Dichte sind Surrogatmarker der Angiogenese und die mikrovaskuläre Dichte korreliert mit der Expression von VEGF [22]. Eine hohe mikrovaskuläre Dichte konnte bereits als ungünstiger Prognosemarker für den Krankheitsverlauf identifiziert werden [23]. Saijo et al. zeigten 2015, das bei Plattenepithelkarzinomen insbesondere in den fortgeschrittenen Stadien und bei den Adenokarzinomen stadienübergreifend eine hohe mikrovaskuläre Dichte vorlag [24]. Diese vermehrte Gefäßdichte ermöglicht vermutlich eine bessere lokale Wirksamkeit der Chemotherapien und durch erhöhte Oxygenierung ein besseres Ansprechen der Strahlenbehandlung [25]. Die Rationale für eine neoadjuvante Therapie mit Bevacizumab liegt hier begründet. Lee et al. konnten bereits eine signifikante Korrelation zwischen der Abnahme der Tumorgröße und dem Abfall des SCC nach einer Radiotherapie des Zervixkarzinom aufzeigen [26]. Diese Beobachtung konnten wir in unserem mit Bevacizumab behandeltem Kollektiv ansatzweise bestätigen.

Ein Schwachpunkt dieser Erhebung war die geringe Patientenzahl sowie das inhomogene Patientenkollektiv. Alle Patientinnen erhielten eine platinhaltige Chemotherapie mit oder ohne Bevacizumab, waren bezüglich Dosierung und Therapiezyklen aber nicht einheitlich. Trotzdem konnte ein signifikanter Effekt auf die Tumorgröße und ein Trend bei den klinischen Ansprechraten durch die Hinzunahme von Bevacizumab beobachtet werden, was auf einen entsprechenden Therapieeffekt schließen lässt. Die Beurteilung des Resektionsstatus sowie der klinischen Ansprechraten könnte durch die subjektive Beurteilung und Interobserver-Variabilität beeinflusst worden sein. Um diesen Störfaktor zu reduzieren, wurden die Veränderung der Tumorgröße und Ansprechraten bei den radiologisch reevaluierten Patientinnen nach RECIST-Kriterien analysiert.

Das Nebenwirkungsprofil von Bevacizumab umfasst insbesondere Hypertonien und Proteinurien [27]. Analog zu den Erfahrungen der GOG-240-Studie zeigten sich bei unseren Patientinnen Bevacizumab-assoziierte Nebenwirkungen, die gut zu behandeln waren und nicht zum Abbruch der Therapie führten [13].


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Schlussfolgerung

Insgesamt führte die Kombinationstherapie mit Bevacizumab zu einem besseren klinischen Ansprechen und einer verbesserten Operabilität. Die Ergebnisse sind aufgrund der kleinen Fallzahlen vorsichtig zu interpretieren, ermutigen aber zu weiteren prospektiven Studien, um den Therapieerfolg mit einer neoadjuvanten Bevacizumab-Kombinationstherapie zu validieren.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The authors declare that they have no conflict of interest.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

* gleichberechtigte Autorenschaft



Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. Julian Puppe
Uniklinik Köln
Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Kerpener Straße 34
50931 Köln
Germany   


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Fig. 1 Structure of the cohort study: the flow chart illustrates the number of cervical cancer patients screened for this study (n = 46) and included and excluded patients (n = 30), and describes the treatment regimen used in the two cohorts (NACT ± bevacizumab).
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Fig. 2 Boxplot diagram shows better tumour reduction by addition of bevacizumab (ΔLD in cm = 2.5 ± 1.6 vs. 3.7 ± 1.2; p = 0.025). Fisherʼs exact test with a significance level of α = 0.05.
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Fig. 3 The waterfall plot shows the change in tumour size (LD) in percent before and after treatment with/without bevacizumab. The table shows the corresponding response rates and tumour stages. In 7/16 patients in the conventional group and 1/14 patients in the bevacizumab group information about the post-therapy tumour size was lacking and was excluded accordingly (abbreviations: cPR: clinical partial remission; cCR: clinical complete remission; pCR: pathological complete remission).
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Abb. 1 Aufbau der Kohortenstudie: Das Flussdiagramm verdeutlicht die Anzahl der für diese Studie gescreenten (n = 46) sowie ein- und ausgeschlossenen Zervixkarzinompatientinnen (n = 30) und beschreibt die verwendeten Therapieregime beiden Therapiekohorten (NACT ± Bevacizumab).
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Abb. 3 Der Waterfall Plot zeigt die Veränderung der Tumorgröße (LD) in Prozent vor und nach der Behandlung mit/ohne Bevacizumab. In der Tabelle werden die dazugehörigen Ansprechraten und Tumorstadien angezeigt. Bei 7/16 Patienten in der konventionellen Gruppe und 1/14 Patienten in der Bevacizumabgruppe fehlten die Angaben zur posttherapeutischen Tumorgröße und wurden dementsprechend exkludiert (Abkürzungen: cPR: Partialremission; cCR: klinische Komplettremission; pCR: pathologische Komplettremission).
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Abb. 2 Boxplot-Diagramm zeigt eine bessere Tumorreduktion durch die Addition von Bevacizumab (ΔLD in cm = 2,5 ± 1,6 vs. 3,7 ± 1,2; p = 0,025). Fisherʼs Exact-Test mit einem Signifikanzniveau von α = 0,05.