Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(18): 1017-1022
DOI: 10.1055/s-2004-824832
CME
Kardiologie/Radiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Vitalitätsdiagnostik nach Herzinfarkt[1]

Assessment of myocardial viabilityK. La Rosée1 , F. M. Baer1
  • 1Klinik III für Innere Medizin, Universität zu Köln
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eingereicht: 5.2.2004

akzeptiert: 1.4.2004

Publication Date:
20 July 2004 (online)

Vitalitätsdiagnostik nach myokardialer Ischämie

Therapieansätze, deren Ziel eine möglichst frühzeitige und vollständige Reperfusion des Infarktareals ist, wie die Notfallherzkatheteruntersuchung mit Infarktgefäßrekanalisation oder bei fehlender frühzeitiger Interventionsmöglichkeit die Thrombolyse, haben zusammen mit sekundärpräventiven Maßnahmen in den letzten Jahren zu einer deutlichen Reduktion der kardialen Mortalität geführt. Dennoch bleibt der postinfarzielle Verlust kontraktilen Myokards die wichtigste Ursache für die Entwicklung einer Linksherzinsuffizienz. Da der Verlust kontraktilen Myokards nur begrenzt medikamentös kompensiert werden kann, hat sich das klinische Interesse vermehrt auf die Erfassung postinfarziell kontraktionsgestörter, aber noch vitaler, das heißt potenziell erholungsfähiger Myokardregionen fokussiert. Mit Hilfe moderner bildgebender Verfahren wie der Stressechokardiographie, der Magnetresonanztomographie und → szintigraphischer Schnittbilduntersuchungen ist es heute möglich, irreversibel geschädigtes Narbengewebe von kontraktionsgestörtem, aber noch vitalem Myokard zu unterscheiden. Gelingt der Nachweis vitalen Myokards, können revaskularisierende Maßnahmen mit Herzkathetertechniken oder Bypassoperation zu einer Erholung der Kontraktionsfunktion und damit einer Verbesserung der Prognose führen [1]. Wird dagegen postinfarziell vitales Myokard nicht revaskularisiert, ist die Prognose für solche Patienten sogar schlechter als für diejenigen ohne Vitalitätsnachweis, da diese vitalen, aber minderperfundierten Regionen wahrscheinlich bei der Induktion maligner Herzrhythmusstörungen eine Rolle spielen. Aber auch bei Patienten mit chronischer koronarer Herzerkrankung, von denen einige bei Diagnosestellung noch keinen Herzinfarkt erlitten haben, oder bei denen ein klinisch inapparent verlaufener Myokardinfarkt evtl. bereits einige Jahre zurück liegt, ist die Vitalitätsdiagnostik prognostisch wichtig und damit auch indiziert (Abb. [1]) (→ Weitere Informationen zur myokardialen Minderperfusion). Lässt sich dagegen kein vitales Myokard nachweisen, bleibt dem Patienten nach einem Herzinfarkt eine von vorneherein aussichtslose und zudem mit Risiken belastete revaskularisierende Therapie zugunsten einer primär medikamentösen Therapie oder einer Herztransplantation erspart.

Abb. 1 Vitalitätsnachweis und Prognose. Von 3088 Patienten mit einer mittleren LVEF (=linksventrikuläre Ejektionsfraktion) von 32 % wurde bei 35 % eine Revaskularisierung und bei 65 % eine konservative Therapie durchgeführt. In der Gruppe der Patienten mit Revaskularisierung war die Sterblichkeit in einem mittleren Beobachtungszeitraum von 25 Monaten mit 3,2 % vs. 7,7 % signifikant niedriger. Im Gegensatz dazu war die Sterblichkeit der Patienten mit konservativer Behandlung ohne Nachweis von vitalem Myokard mit 16 % vs. 6,2 % signifikant höher im Vergleich zu Patienten ohne Nachweis von vitalem Myokard. Die Studie impliziert, dass eine nicht durchgeführte oder technisch nicht mögliche Revaskularisierung bei Nachweis von vitalem Myokard die Prognose der betroffenen Patienten verschlechtert (nach [1]).

kurzgefasst: Myokardiale Vitalitätsdiagnostik soll Patienten mit linksventrikulären Kontraktionsstörungen identifizieren, bei denen durch eine Myokardrevaskularisation 1. eine Verbesserung der regionalenKontraktionsfunktion und 2. eine Verbesserung der Prognose erreicht werden kann.

1 Mit „→“ sind Textstellen gekennzeichnet, zu denen Sie zusätzliche Texte im Internet unter www.thieme.de/dmw/cme finden können.

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1 Mit „→“ sind Textstellen gekennzeichnet, zu denen Sie zusätzliche Texte im Internet unter www.thieme.de/dmw/cme finden können.

Prof. Dr. Frank M. Baer

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