Vitalitätsdiagnostik nach myokardialer Ischämie
Vitalitätsdiagnostik nach myokardialer Ischämie
Therapieansätze, deren Ziel eine möglichst frühzeitige und vollständige Reperfusion
des Infarktareals ist, wie die Notfallherzkatheteruntersuchung mit Infarktgefäßrekanalisation
oder bei fehlender frühzeitiger Interventionsmöglichkeit die Thrombolyse,
haben zusammen mit sekundärpräventiven Maßnahmen in den letzten Jahren zu einer
deutlichen Reduktion der kardialen Mortalität geführt. Dennoch bleibt der postinfarzielle
Verlust kontraktilen Myokards die wichtigste Ursache für die Entwicklung einer
Linksherzinsuffizienz. Da der Verlust kontraktilen Myokards nur begrenzt medikamentös
kompensiert werden kann, hat sich das klinische Interesse vermehrt auf die Erfassung
postinfarziell kontraktionsgestörter, aber noch vitaler, das heißt potenziell
erholungsfähiger Myokardregionen fokussiert. Mit Hilfe moderner bildgebender Verfahren
wie der Stressechokardiographie, der Magnetresonanztomographie und → szintigraphischer
Schnittbilduntersuchungen ist es heute möglich, irreversibel geschädigtes Narbengewebe
von kontraktionsgestörtem, aber noch vitalem Myokard zu unterscheiden. Gelingt
der Nachweis vitalen Myokards, können revaskularisierende Maßnahmen mit Herzkathetertechniken
oder Bypassoperation zu einer Erholung der Kontraktionsfunktion und damit einer
Verbesserung der Prognose führen [1]. Wird dagegen postinfarziell vitales Myokard nicht revaskularisiert, ist die
Prognose für solche Patienten sogar schlechter als für diejenigen ohne Vitalitätsnachweis,
da diese vitalen, aber minderperfundierten Regionen wahrscheinlich bei der Induktion
maligner Herzrhythmusstörungen eine Rolle spielen. Aber auch bei Patienten
mit chronischer koronarer Herzerkrankung, von denen einige bei Diagnosestellung
noch keinen Herzinfarkt erlitten haben, oder bei denen ein klinisch inapparent
verlaufener Myokardinfarkt evtl. bereits einige Jahre zurück liegt, ist die Vitalitätsdiagnostik
prognostisch wichtig und damit auch indiziert (Abb. [1]) (→ Weitere Informationen zur myokardialen Minderperfusion). Lässt sich
dagegen kein vitales Myokard nachweisen, bleibt dem Patienten nach einem Herzinfarkt
eine von vorneherein aussichtslose und zudem mit Risiken belastete revaskularisierende
Therapie zugunsten einer primär medikamentösen Therapie oder einer Herztransplantation
erspart.
Abb. 1 Vitalitätsnachweis und Prognose. Von 3088 Patienten mit einer mittleren LVEF (=linksventrikuläre
Ejektionsfraktion) von 32 % wurde bei 35 % eine Revaskularisierung und bei 65
% eine konservative Therapie durchgeführt. In der Gruppe der Patienten mit Revaskularisierung
war die Sterblichkeit in einem mittleren Beobachtungszeitraum von 25 Monaten mit
3,2 % vs. 7,7 % signifikant niedriger. Im Gegensatz dazu war die Sterblichkeit
der Patienten mit konservativer Behandlung ohne Nachweis von vitalem Myokard mit
16 % vs. 6,2 % signifikant höher im Vergleich zu Patienten ohne Nachweis von vitalem
Myokard. Die Studie impliziert, dass eine nicht durchgeführte oder technisch nicht
mögliche Revaskularisierung bei Nachweis von vitalem Myokard die Prognose der
betroffenen Patienten verschlechtert (nach [1]).
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kurzgefasst: Myokardiale Vitalitätsdiagnostik soll Patienten mit linksventrikulären Kontraktionsstörungen
identifizieren, bei denen durch eine Myokardrevaskularisation 1. eine Verbesserung
der regionalenKontraktionsfunktion und 2. eine Verbesserung der Prognose erreicht
werden kann.
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Pathophysiologische Aspekte der myokardialen Vitalität
Pathophysiologische Aspekte der myokardialen Vitalität
Stunning
Die postischämische, teilweise erhebliche Funktionsstörung des noch nicht irreversibel
geschädigten Myokards (z. B. nach erfolgreicher Thrombolyse-Behandlung) wird als
myokardialer Schockzustand oder „Stunning” bezeichnet (Abb. [2]). Unter „Stunning” wird eine reversible postischämische linksventrikuläre
Funktionsstörung nach einer länger andauernden akuten oder repetitiven Ischämiephase
verstanden [4]. Die regionale Funktionsstörung wird hervorgerufen durch den kombinierten Effekt
von Ischämie und Reperfusionsschaden. Das klinische Korrelat für Stunning kann
z. B. der akute Myokardinfarkt nach interventionell vermittelter oder spontaner
Reperfusion oder das akute Koronarsyndrom mit intermittierender thrombotischer
Verlegung des Gefäßlumens sein.
Abb. 2 Kontraktile Dysfunktion - Stunning. Definition: Reperfusion nach einmaliger
oder repetitiver Ischämiephase mit vorübergehender Kontraktionsstörung
und spontaner Erholung der kontraktilen Funktion. Die koronare Flussreserve
(ml/g Herzgewicht/min) ist deutlich reduziert bei (intermittierend) normaler
Ruheperfusion (NS=nicht stimulierbar).
Hibernation
Im Gegensatz zum „Stunning” findet sich beim winterschlafenden oder „Hibernating”
Myokard (Abb. [3]) eine chronische Minderdurchblutung der Infarktzone (<1ml/g Herzgewicht/min)
bei aufgehobener koronarer Flussreserve [12]. Um unter diesen ungünstigen Perfusionsbedingungen einen schweren Sauerstoffmangel
zu vermeiden wird nach einer klinischen Modellvorstellung die Pumpfunktion der
betroffenen Herzmuskelbereiche gleichsam eingefroren damit die Restperfusion des
Herzmuskels ausreicht um den Ruhestoffwechsel aufrechtzuerhalten. Dieser Zustand
ist aber nicht stabil. Während ein weiteres Absinken der Restperfusion zu einer
progressiven Dedifferenzierung und ultrastrukturellen Schädigung des Myokards
bis hin zur Nekrose führt, kann eine Verbesserung der Perfusion durch revaskularisierende
Maßnahmen eine in Abhängigkeit von der Vorschädigung (Fibrose, subendokardialer
Infarkt) mehr oder weniger vollständige Wiederherstellung der kontraktilen Funktion
bewirken. Das klinische Korrelat der regionalen oder globalen Dysfunktion bei
winterschlafendem (hibernating) Myokard ist die hochgradige Koronarstenose oder
der vollständige Verschluss einer Koronararterie mit Kollateralversorgung der
abhängigen Myokardregion. Möglicherweise führen auch repetitive Ischämiephasen
(repetitives Stunning), wie z. B. Belastungssituationen bei Koronararterienverschluss
mit nicht ausreichender Kollateralversorgung zu winterschlafendem Myokard.
Abb.3 Kontraktile Dysfunktion - Hibernation. Definition: Chronische Minderperfusion
(fehlende koronare Flussreserve in ml/g Herzgewicht/min) einhergehend mit strukturellem
Umbau des Myokards (Fibrose) und persistierender Kontraktionsstörung. Eine
Erholung der kontraktilen Funktion ist nur nach erfolgreicher Revaskularisierung
in Abhängigkeit vom Ausmaß der schon bestehenden Myokardfibrose möglich (NS=nicht
stimulierbar).
Klinik und EKG
Klinik und EKG
Nach einem Infarkt gibt es bei einem Teil der Patienten klinische (Angina pectoris)
und elektrokardiographische (fehlende Q-Zacken) Anhaltspunkte für das Vorhandensein
von vitalem Myokard. Häufig gelingt es aber anhand klinischer Parameter und EKG
nicht, zwischen vitalem und irreversibel geschädigtem Myokard zu unterscheiden.
Obwohl die Koronarangiographie entscheidend ist für die Absicherung der Diagnose
KHK und letztlich für die Abklärung, ob und in welcher Form eine Revaskularisierung
möglich ist, erlaubt auch sie keine sichere Differenzierung zwischen vitalen
Myokardarealen und irreversibel geschädigtem Narbengewebe. Besteht koronarmorphologisch
die Möglichkeit zur Revaskularisierung, sollte deshalb durch eine weiterführende
bildgebende Diagnostik der Vitalitätsstatus kontraktionsgestörter Myokardregionen
überprüft und darauf basierend über eine weitere medikamentös-konservative
oder revaskularisierende Therapie entschieden werden. Die Differenzierung zwischen
vitalem Myokard und Narbengewebe gelingt durch eine Reihe von Parametern, die
auf der Erfassung von Morphologie, Funktion, Perfusion, Integrität der Zellmembran
und dem Zellstoffwechsel beruhen. Die Bandbreite dieser Vitalitätsparameter kann
nicht durch eine einzige Untersuchungstechnik abgedeckt werden, sondern einzelne
Untersuchungstechniken erfassen jeweils mehr oder weniger große und klinisch
unterschiedlich bedeutsame Teilbereiche dieses Spektrums (Tab. [1]).
Tab. 1 Fehlende Kontrastmittelaufnahme (kein „Late enhancement“).
<TD VALIGN="TOP">
Anhaltspunkte für myokardiale Vitalität
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Klinik
</TD><TD VALIGN="TOP">
Postinfarzielle Angina
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
EKG
</TD><TD VALIGN="TOP">
Fehlende Q-Zacken, persistierende R-Zacken
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Koronarangiographie
</TD><TD VALIGN="TOP">
Stenose > 70 %, verzögerte Perfusion, Kollateralen
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Weiterführende Vitalitätsdiagnostik
</TD><TD VALIGN="TOP">
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Echokardiographie
</TD><TD VALIGN="TOP">
Dobutamin-Kontraktionsreserve
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Magnetresonanztomographie
</TD><TD VALIGN="TOP">
Dobutamin-Kontraktionsreserve
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Positronenemissionstomographie
</TD><TD VALIGN="TOP">
Glukose-Metabolismus, Perfusion
</TD>
<TD VALIGN="TOP">
Myokardszintigraphie
</TD><TD VALIGN="TOP">
Perfusion, Membranintegrität
</TD>
Echokardiographie
Echokardiographie
Ein- und zweidimensionale Echokardiographie
Die Echokardiographie in Ruhe ist die wegweisende Untersuchung zur Erfassung der
Ausdehnung einer postinfarziellen Wandbewegungsstörung und des daraus resultierenden
Grades der linksventrikulären Pumpfunktionsstörung. Bei ausgeprägter Wandverdünnung
in dyskinetischen Myokardregionen (Aneurysmata) ist die Wahrscheinlichkeit für
das überwiegende Vorliegen von irreversibel geschädigtem Narbengewebe sehr groß.
A- oder dyskinetische Areale ohne Wandverdünnung können avital im Frühstadium
der Narbenbildung, oder aber auch nicht-transmurale Infarktzonen mit Restvitalität
sein. Andererseits deutet eine Hypokinesie per se auf einen gewissen Grad an Restvitalität
hin. Bei serieller Untersuchung (zunächst akute Infarktphase, dann vor Krankenhausentlassung)
weist eine Funktionsverbesserung oder -normalisierung im infarzierten Areal auf
eine erhalten gebliebene Vitalität nach reversibler Ischämie ( = Stunning)
hin. Besonderes Augenmerk hinsichtlich ihrer Prognose verdienen Patienten mit
höhergradiger Einschränkung der linksventrikulären Funktion (EF < 40 %).
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kurzgefasst: Ein echokardiographisch a- oder dyskinetisches Myokardareal in Ruhe kann sowohl
avital als auch vital sein, bzw. Anteile vitaler und avitaler Bereiche enthalten.
Bei serieller Durchführung kann die postischämische Wiederherstellung der Funktion
im Infarktareal nach erfolgreicher Therapie dokumentiert werden („Stunned
myocardium”). Postischämisch persistierende Wandbewegungsstörungen (V.a. „Hibernating
Myocardium") erfordern eine weiterführende Vitalitätsdiagnostik mit der
Belastungsechokardiographie.
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Dobutamin-Stressechokardiographie
Die durch Studiendaten am besten evaluierte echokardiographische Methode zur Vitalitätsdiagnostik
ist die Dobutamin-Stressechokardiographie. Der Vorteil der pharmakologischen Belastung
im Vergleich mit der dynamischen Fahrradergometrie besteht in der einfacheren
Durchführbarkeit ( = Darstellbarkeit) bei optimierter Seitenlagerung des ruhenden
Patienten. Das Titrationsprotokoll sieht 3-minütige Phasen von 5, 10, 20, 30,
40 µg/kg/min kontinuierlich über einen Perfusor intravenös gegebenem Dobutamin
vor. Bei Nichterreichen der submaximalen Ausbelastungsfrequenz ([220-Lebensalter]
× 0,85) erfolgt in 1-minütigen Abständen die fraktionierte Atropingabe von jeweils
0,25 mg. Abbruchkriterien sind das Erreichen der submaximalen Ausbelastungsfrequenz
und/oder der Nachweis einer belastungsinduzierten Ischämiereaktion. Eine Notfallausrüstung
einschließlich Defibrillator muss hierfür vor Ort verfügbar sein.
Ziel der stufenweise Dobutaminbelastung ist das „Aufwecken” winterschlafenden
( = hibernierenden) oder des gelähmten ( = stunning) Myokards (Kontraktionsreserve),
das unter Ruhebedingungen als akinetisch oder dyskinetisch beurteilt wurde. In
niedriger Dosis (5 - 10 µg/kg/min) führt die b1-adrenerge Stimulation zur Rekrutierung der Restkontraktilität im postischämisch
kontraktionsgestörten Myokardareal. Dabei kommt es zur Wanddickenzunahme und endokardialen
Einwärtsbewegung. Liegt gelähmtes ( = stunning) Myokard vor, so bleibt diese
„Erweckung zur Funktion” bis zur Zieldosis der Stressechokardiographie-Protokolls
(40 µg/kg/min) erhalten (monophasische Antwort). Liegt dagegen winterschlafendes
( = hibernierendes) chronisch ischämisches Myokard vor, so kann bei niedriger
Dobutaminbelastung (5 - 10 µg/kg/min) zunächst eine Kontraktionsreserve nachgewiesen
werden, bei höherer Dobutamin-Dosierung dominiert jedoch die belastungsinduzierte
Ischämie, die durch einen erneuten Funktionsverlust im Infarktareal gekennzeichnet
ist. Diese dadurch entstehende „biphasische” Antwort ist typisch für „hibernation”
(Abb. [4]). Die kumulative Sensitivität/Spezifität der Methode hinsichtlich der funktionellen
Erholung nach Revaskularisierung liegt bei Zusammenschau von 19 Studien bei 81
% bzw. 86 %, der positiv prädiktive Wert bei 83 % [14]. Da bekannt ist, dass sich „Stunned myocardium” innerhalb weniger Tage (maximal
2 Wochen) nach Infarkt spontan erholt, sollte die Dobutamin-Belastungsechokardiographie
zur Erkennung hibernierenden Myokards frühestens 2 Wochen nach Infarkt erfolgen.
Andererseits sollte die Vitalitätsdiagnostik nicht länger als 6 Wochen nach Infarkt
stattfinden, da es in Arealen mit „Hibernating myocardium” zu einem progredienten
Verlust der funktionellen Reversibilität kommen kann.
Abb.4 Schematische Darstellung der verschiedenen Reaktionsweisen des Myokards auf
eine sequenzielle Dobutamintitration (Dobutamin-Echokardiographie). Die linke
Spalte repräsentiert die koronare Pathomorphologie, die rechte Spalte die
Wandbewegung und -verdickung während niedrig und hoch dosierter Dobutamintitration.
Die verschiedenen Zeilen demonstrieren die normale, ischämische und Postinfarktsituation
(Quelle: Flachskampf FA (Hrsg.), Praxis der Echokardiographie. Thieme; 2002:
204-216)
Abb. 5 Methodenvergleich: Funktionelle Erholung. Die Datenlage für die dargestellten
Untersuchungstechniken ist sehr unterschiedlich. Die guten Ergebnisse der noch
jungen MRT-Techniken (grau) werden durch die noch geringe Datenbasis relativiert,
während für alle anderen Techniken (blau) eine fundierte Datenbasis vorliegt.
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kurzgefasst: Die Dobutamin-Belastungsechokardiographie identifiziert durch b1-adrenerge positiv inotrope Stimulation kontraktionsgestörtes Myokard mit positiver
Inotropiereserve, das auf dem Boden einer nach Infarkttherapie verbliebenen
Koronarstenosierung hinsichtlich einer Funktionsverbesserung von einer Revaskularisierung
profitieren wird (Hibernating myocardium). Hierzu sollte das gesamte Titrationsprotokoll
eingehalten werden, um Aussagen zu Vitalität und Ischämie (biphasische
Antwort) treffen zu können. Als Zeitpunkt der Diagnostik empfiehlt sich ein
Zeitraum zwischen der 3. und 4. Woche nach Infarkt.
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Echokardiographische Vitalitätsdiagnostik: neue Methoden
Wissenschaftlich interessant aber bisher weniger gut durch Studien belegt sind
eine Reihe von neueren Belastungsprotokollen und Untersuchungstechniken. Die dynamische
Fahrradergometer-Stressechokardiographie kann bei gut schallbaren Patienten auf
einer seitlich kippbaren Ergometerliege durchgeführt werden. Die Patienten werden
zunächst für 3 Minuten mit 25 Watt belastet [6]. Dies entspricht in etwa einer low-dose Dobutamin-Echokardiographie. Bei unbekanntem
Koronarstatus sollte in Analogie zur Dobutamin-Stressechokardiographie unmittelbar
eine konventionelle Stressechokardiographie mit stufenweiser Belastung bis zur
submaximalen Ausbelastungsfrequenz folgen. Möglich ist auch eine → transösophageale Echokardiographie unter Dobutaminbelastung. Sie kann bei Patienten zum Einsatz kommen, die von transthorakal trotz Einsatz
moderner Bildgebungsverfahren (Tissue harmonic imaging) nicht ausreichend gut
schallbar sind. Vorteil ist die hervorragende Bildqualität, Nachteil der semi-invasive
Untersuchungszugang [2]. Einige Arbeiten existieren zur → Dipyridamol-, zur → Nitrat- und zur Enoximon-Belastungsechokardiographie. Insgesamt ergaben sich jedoch keine entscheidenden Vorteile gegenüber der Dobutamin-Belastungsechokardiographie.
Zukunftsweisend in der echokardiographischen Vitalitätsdiagnostik sind neuere
Arbeiten zur → Gewebe-Dopplerechokardiographie und zur → Myokard-Kontrastechokardiographie. Möglicherweise ist durch Anwendung dieser innovativen echokardiographischen
Methoden in Zukunft der Einsatz eines pharmakologischen „Stressors” nicht mehr
notwendig.
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kurzgefasst: Von den Fachgesellschaften empfohlen wird zur echokardiographischen Vitalitätsdiagnostik
nach Myokardinfarkt die Dobutamin-Belastungsechokardiographie. Alternative
pharmakologische Belastungsprotokolle existieren, basieren jedoch auf einer
spärlichen Datenlage. An neueren Untersuchungsmethoden scheinen vor allem die
Gewebe-Dopplerechokardiographie und die Myokard-Kontrastechokardiographie erfolgversprechend
zu sein.
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Magnetresonanztomographie
Magnetresonanztomographie
Die diagnostische Zuverlässigkeit der Stress-Magnetresonanztomographie (Stress-MRT)
ist sowohl in der Ischämie- als auch in der Vitalitätsdiagnostik im Vergleich
zu etablierten Verfahren (PET, Myokardszinitigraphie, Echokardiographie) hinreichend
belegt. In einem direkten Vergleich zwischen Dobutamin-Stress-MRT und Dobutamin-Stressechokardiographie
wurden identische Hochdosisprotokolle verwendet und die Ergebnisse beider Untersuchungstechniken
bezüglich Sensitivität und Spezifität für die Erfassung bedeutsamer Koronarstenosen
mit den angiographischen Daten verglichen. Dabei schnitt die MRT gegenüber der
Echokardiographie hinsichtlich Sensitivität (86/74 %), Spezifität (86/70 %) und
diagnostischer Zuverlässigkeit (86/73 %) signifikant besser ab. Außerdem zeigten
weitere Stress-MRT-Studien, dass bei einem Großteil der Patienten mit schlechter
echokardiographischer Bildqualität eine zuverlässige Ischämiediagnostik auf der
Basis ischämieinduzierter Wandbewegungsstörung mittels der Stress-MRT durchgeführt
werden kann.
Prinzipiell macht sich die Magnetresonanztomographie (MRT) bei der → MRT-Stressuntersuchung wie die Echokardiographie die Erfassung einer dobutamininduzierbaren Kontraktionsreserve
als Vitalitätsparameter zunutze [10]. Darüber hinaus kann aufgrund der hervorragenden räumlichen Auflösung auch die
myokardiale Wanddicke in Systole und Diastole gemessen und daraus die Wanddickenzunahme
quantitativ ermittelt werden [3]. Aktuelle Weiterentwicklungen der MRT wie die ultraschnelle Bildakquisition
mit der Möglichkeit einer Echtzeit-Darstellung des myokardialen Kontraktionszyklus
und verbesserte Auswerteprogramme ermöglichen heute die Durchführung der MRT-Vitalitätsdiagnostik
in einer der Echokardiographie vergleichbaren Untersuchungszeit von ca. 30 Minuten.
Basierend auf der dobutamininduzierbaren Kontraktionsreserve ergibt sich für
die MRT ein positiv prädiktiver Wert für die Erholung der linksventrikulären Kontraktionsfunktion
von 87 % und ein negativ prädiktiver von Wert 91 % [3]. Darüber hinaus zeigen aktuelle MRT-Studien die Möglichkeit einer exakten Differenzierung
zwischen vitalem Myokard und irreversibel geschädigtem Narbengewebe anhand einer
verzögert auftretenden aber persistierenden Anreicherung von MRT-Kontrastmittel
(Gadolinium) in der Infarktzone, die dort zu einer Signalanhebung führt (late
enhancement) [7]
[9]. Eine fehlende Kontrastmittelanreicherung (kein late enhancement) in einer akinetischen
Myokardregion ist ein Indikator für vitales Myokard, während eine ausgeprägte
Kontrastmittelanreicherung (late enhancement), die > 50 % der Wanddicke umfasst,
auf überwiegend nekrotisches Myokard hinweist (→ MRT-Infarktdiagnostik). Diese technisch im Vergleich zu den Dobutaminbelastungsuntersuchungen wenig
aufwändige MRT-Kontrast-Untersuchung hat in Kombination mit der Erfassung der
Myokardfunktion unter Ruhebedingungen (Wandbewegung, Wanddickenzunahme) das
Potential, sich zukünftig als diagnostisch führende Technik zur Vitalitätserfassung
zu etablieren [8]
[18].
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kurzgefasst: Bei der „Low-dose Dobutamin-MRT” erfolgt eine Infusion von 5 und 10 µg/kg/min
Dobutamin für jeweils 3 Minuten zur Bestimmung der Kontraktionsreserve. Bei der
Kontrast-MRT wird das (transmurale) Ausmaß der irrevesibel narbigen Veränderungen
in der akinetischen Infarktzone anhand der Kontrastmittelanreicherung (Gadolinium)
im Infarktareal und der damit verbundenen Signalanhebung („late enhancement“)
beurteilt. Ausschlusskriterien für die MRT-Vitalitätsdiagnostik sind Schrittmacher,
Klaustrophobie, bestimmte Metallimplantate und Splitter.
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Nuklearmedizinische Verfahren
Nuklearmedizinische Verfahren
Single Photonen Emissions Computer Tomographie (SPECT)
Zu den klinisch etablierten Techniken in der Vitalitätsdiagnostik gehört die →
Myokardszintigraphie in SPECT-Technik mit Tracern wie Thallium-201 oder Technetium-Methoxyisobutylisonitril (Tc-MIBI)
[17]. Um die Sensitivität der Thallium-201-Szintigraphie zum Nachweis von vitalem
Gewebe in der Infarktregion zu erhöhen, wurden neue Konzepte, wie z.B. die Thallium-201-Reinjektion
oder die Ruheinjektion mit Spätaufnahmen, entwickelt. Das chronisch ischämische
Myokard im Infarktareal bekommt mit dem erneuten Angebot an Thallium-201 die Möglichkeit,
den Tracer unter Ruhebedingungen aufzunehmen, und vitales Gewebe kann im Rahmen
einer Spätaufnahme durch eine vermehrte Traceraufnahme identifiziert werden. Hier
liegt die Auffassung zugrunde, dass die verzögerte Aufnahme von Thallium-201,
das einen aktiven Transportprozess erfordert, zwar durch vitale, nicht jedoch
durch nekrotische Zellen erfolgen kann. Damit ist eine klare Unterscheidungsmöglichkeit
zwischen vitalem Myokard und Narbengewebe basierend auf der beobachteten Thallium-201-Aufnahme
gegeben. Eine Metaanalyse bezogen auf sechs Studien unter Verwendung der Thallium-201-Reinjektionstechnik
bei 113 Patienten mit Myokardinfarkt zeigte, dass der positiv prädiktive Wert
der Thalliumszintigraphie für die Erholung der linksventrikulären Funktion
nach Revaskularisierung im Mittel bei 75 % und der negativ prädiktive Wert, d.h.
die korrekte Erfassung irreversibel geschädigten Myokards 74 % beträgt [15].
Positronenemissionstomographie (PET)
Unter dem Aspekt der Stoffwechselanpassung an eine chronische Minderdurchblutung
des Herzmuskels hat die Positronenemissionstomographie (PET) unter Verwendung
des Tracers 18F-Fluorodeoxyglukose (FDG) sehr viel zum Verständnis der Ischämiereaktion
des Myokards beigetragen. Mit der Umstellung auf den anaeroben Stoffwechsel unter
chronischen Ischämiebedingungen kann die bevorzugte Aufnahme von Glukose in die
Myokardzellen anstelle von Fettsäuren diagnostisch genutzt werden. Nur vitale
Myokardzellen können auf die anaerobe Glykolyse umstellen und damit bevorzugt
FDG aufnehmen. Dies gilt als sensibler metabolischer Nachweis für erhaltene Myokardvitalität.
Aufwendiger ist die gleichzeitige Messung der myokardialen Perfusion der myokardialen
Perfusion (z. B. mit Perfusionsmarkern wie N-13 Ammoniak) und der FDG-Aufnahme
mit der PET. Auf der Basis dieser kombinierten Untersuchungen konnten unterschiedliche
Verteilungsmuster zwischen Glukosestoffwechsel und myokardialer Perfusion definiert
werden:
-
normale Perfusion und normaler Glukosestoffwechsel,
-
reduzierte Perfusion und normaler oder erhöhter Glukosestoffwechsel und
-
reduzierte Perfusion und reduzierter Glukosestoffwechsel.
Das spezifische Verteilungsmuster für vitales Myokard ist gekennzeichnet durch
eine reduzierte Perfusion bei normalem oder deutlich erhöhtem Glukosestoffwechsel
(Mismatch zwischen Metabolismus und Perfusion). Das typische Verteilungsmuster
für Narbengewebe ist eine reduzierte oder fehlende Perfusion bei gleichzeitig
reduziertem oder fehlendem Glukosestoffwechsel (Match zwischen Metabolismus und
Perfusion). Der positiv prädiktive Wert einer PET-Untersuchung von Perfusion und
Glukosestoffwechsel für die Erholung der linksventrikulären Funktion nach
Revaskularisierung (→ weitere Informationen zu Revaskularisierung und PET) variiert in verschiedenen Studien zwischen 68 % und 95 % (im Mittel 81 %), der
negativ prädiktive Wert zwischen 75 % und 100 % (im Mittel 84 %) [16].
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kurzgefasst: Die SPECT-Untersuchung mit Thallium-201 oder technetiummarkierten Tracern ist
ein auf breiter Datenbasis beruhendes etabliertes Verfahren zur Vitalitätserfassung.
Die PET ist ein vorwiegend wissenschaftlich eingesetzter Referenzstandard der
Vitalitätsdiagnostik mit der Möglichkeit zur quantitativen Perfusionsmessung
(z. B. mit N-13 Ammoniak) und Bestimmung des Myokardmetabolismus (FDG).
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Klinische Bedeutung der Vitalitätsdiagnostik
Klinische Bedeutung der Vitalitätsdiagnostik
Der Nachweis vitaler Anteile in kontraktionsgestörtem Herzmuskelgewebe ist ein
wichtiger Faktor im therapeutischen Entscheidungsprozess bei Patienten mit KHK,
insbesondere bei Vorliegen einer schweren linksventrikulärer Funktionsstörung
mit drohender Linksherzinsuffizienz. Bei diesen Patienten muss bei jeder Indikationsstellung
zu revaskularisierenden Maßnahmen zwischen dem möglichen Nutzen im Sinne einer
Verbesserung der linksventrikulären Kontraktionsfunktion und dem deutlich erhöhten
Risiko eines operativen oder interventionellen Eingriffs abgewogen werden. Mit
nuklearkardiologischen Methoden zur Beurteilung der myokardialen Perfusion, der
Zellmembranintegrität und der metabolischen Aktivität in kontraktionsgestörtem
Herzmuskelgewebe kann mit hoher diagnostischer Genauigkeit zwischen vitalen und
narbigen Myokardregionen differenziert werden. Auch die Mobilisierung der kontraktilen
Reserve durch Infusion von Dobutamin bei gleichzeitiger Analyse von regionaler
Wandbewegung oder Wanddickenzunahme mittels Echokardiographie oder MRT hat
einen hohen diagnostischen Stellenwert. Dies gilt v.a. in Hinblick auf eine korrekte
Vorhersage einer Æ linksventrikulären Funktionsverbesserung nach erfolgreicher
Revaskularisierung [2]. Vielversprechend, da einfach durchführbar und diagnostisch zuverlässig
bei allerdings noch geringer Datenbasis, erscheint die MRT-Kontrastmitteluntersuchung
zur Differenzierung zwischen Narbe und vitalem Myokard in Verbindung mit einer
Beurteilung der Ruhekontraktionsfunktion.
Welche der vorgestellten diagnostischen Strategien zum Vitalitätsnachweis (Perfusion,
Zellmembranintegrität/Kontrastmittelanreicherung, metabolische Aktivität oder
Nachweis einer dobutamininduzierbaren Kontraktionsreserve) am besten für die Indikationsstellung
zu revaskularisierenden Maßnahmen und die Abschätzung der individuellen Prognose
geeignet ist, bleibt noch offen. Derzeit hängt die Auswahl der geeigneten
Untersuchungsmethode zur Erfassung postischämischer myokardialer Vitalität in
1. Linie von der Verfügbarkeit der Untersuchungstechnik und der Erfahrung des
Untersuchers ab. Alle genannten Techniken können bei korrekter Indikationsstellung
und Auswertung ca. 80 % der vitalen Myokardareale erfassen. Dabei variiert der
positive Vorhersagewert für die Erholung der Kontraktionsfunktion zwischen ca.
60 % und 90 % (Abb. [5]). Ein Stufenschema zur Vitalitätsdiagnostik ist in Abb. [6] dargestellt. Unabhängig von der verwendeten Untersuchungstechnik ist die Frage
der Kosten-Nutzen Relation in der Vitalitätsdiagnostik noch nicht abschließend
geklärt. Es ist aber anzunehmen, dass eine zielgerichtete Vitalitätsdiagnostik
auch zu einer Kostensenkung im Gesundheitswesen beitragen kann, indem sie bei
dem ständig wachsenden Patientenkollektiv mit postischämischer linksventrikulärer
Kontraktionsstörung die differentialtherapeutische Entscheidung zwischen Weiterführung
einer medikamentösen Therapie oder revaskularisierenden Maßnahmen erleichtert.
Die erfolgreiche Revaskularisierung vitaler Myokardareale kann über eine Verbesserung
der linksventrikulären Kontraktionsfunktion die Lebensqualität verbessern, die
Lebensdauer verlängern und möglicherweise auch die Häufigkeit stationärer
Krankenhausbehandlungen und die Notwendigkeit von Herztransplantationen reduzieren,
während bei Nachweis von irreversibel geschädigtem Narbengewebe risikoreiche und
darüber hinaus teure Revaskularisierungsversuche zugunsten einer konsequenten
medikamentösen Therapie unterbleiben können. Erste Studien (CHRISTMAS-Studie)
zu medikamentösen Therapiestrategien (z. B. Betablockade) bei Linksherzinsuffizienz
unter Einbeziehung des myokardialen Vitalitätsstatus deuten darauf hin, dass dem
Vitalitätszustand des Myokards auch eine Bedeutung, z. B. für die Optimierung
der medikamentösen Therapie zukommen könnte [5]. Ob die Vitalitätsdiagnostik künftig neben der Indikationsstellung zu revaskularisierenden
Maßnahmen auch zur Planung einer individuellen medikamentösen Herzinsuffizienztherapie
unter Einbeziehung von Vitalitätsparametern führen wird, hängt von den Ergebnissen
weiterführender Studien ab.
Abb. 6 Stufenschema zur Vitalitätsdiagnostik.
Fazit
Fazit
In der Echokardiographie gilt: Vitales Myokard = positive Kontraktionsreserve:
Zunahme der Kontraktilität (Wanddickenzunahme, biphasische Antwort). In der MRT
gilt: Vitales Myokard = positive Kontraktionsreserve: Zunahme der Kontraktilität
(Wanddickenzunahme > 2 mm). Avitales Myokard = Kontrastmittelaufnahme/Late Enhancement.
Eine transmurale Kontrastmittelaufnahme > 50 % der Wand weist auf eine schlechte
Prognose (<5 %) für eine Funktionsverbesserung nach Revaskularisation hin. In
der SPECT gilt: Avitales Myokard = Ruheuntersuchung mit Perfusionsdefekt;
ggf. auch Reinjektion mit persistierendem Perfusionsdefekt. In der PET gilt: Vitales
Myokard: „Mismatch” zwischen Stoffwechsel und Perfusion, d. h. verminderter Nachweis
des Perfusionstracers bei normalem oder gesteigertem Glukose-Stoffwechsel (FDG-Belegung).
Danksagungen: Für Überlassung von Bildmaterial bedanken sich die Autoren herzlich bei Herrn
Priv. Doz. Dr. med. D. Moka (Szintigraphie und Positronenemissionstomographie
- Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Klinikum der Universität zu Köln)
und Herrn B. Rückriem (Magnetresonanztomographie - Klinik und Poliklinik für
Radiologie, Klinikum der Universität zu Köln).
Autorenerlärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma
haben, deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer
Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).