CC BY-NC-ND 4.0 · Dtsch Med Wochenschr 2023; 148(08): e37-e43
DOI: 10.1055/a-1996-3603
Originalarbeit

Diagnoseverzögernde Faktoren bei hepatischer alveolärer Echinokokkose

Diagnostic delaying factors in hepatic alveolar echinococcosis
Natalie Joos
1   Zentraler Ultraschall, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm,
,
Julian Schmidberger
1   Zentraler Ultraschall, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm,
,
Patrycja Schlingeloff
1   Zentraler Ultraschall, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm,
,
Wolfgang Kratzer
1   Zentraler Ultraschall, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm,
› Author Affiliations
Supported by: Deutsche Forschungsgemeinschaft KA 4356/3-1
Supported by: Deutsche Forschungsgemeinschaft KR 5204/1-2
Diese Arbeit wurde durch die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekte "Aufbau einer nationalen Datenbank für die alveoläre Echinokokkose" (Az. KA 4356/3-1) und "Implementierung von Schnittstellen zur Standardisierung nationaler Datenbanksysteme für die alveoläre Echinokokkose und ihre Transformationsprozesse" (Az. KR 5204/1-2) unterstützt. Es wurde außerdem von der Bayerischen Staatsregierung im Rahmen der Förderung der "Nationalen Echinokokkose-Datenbank Deutschland" (AZ: K1-2490-PF-2020-FBW) unterstützt.

Zusammenfassung

Einleitung Ziel der Studie war die Analyse des diagnostischen Workflows von Patienten mit alveolärer Echinokokkose (AE) und die Identifikation möglicher diagnoseverzögernder Faktoren.

Methoden Untersucht wurden die Anzahl und Art der diagnostischen Prozeduren von Patienten mit der Diagnose einer alveolären Echinokokkose. Die Erfassung der Krankheitsvorgeschichte erfolgte auf Fragebogen-Basis, den vorliegenden Befunden sowie Datenergänzungen aus dem Patienteninformationssystem (SAP). Die statistischen Analysen wurden mit der SAS-Version 9.4 und der Microsoft-Excel Version-16.43 durchgeführt. Das Studienkollektiv der Querschnittstudie umfasste n = 109 Patienten mit einer bestätigten alveolären Echinokokkose.

Ergebnisse Die definitive Diagnose ‚alveoläre Echinokokkose der Leber‘ wurde nach 26,5 ± 65,0 (Mittelwert ± Standardabweichung) Monaten (min – max: 0–344, Median = 3) gestellt. Die Mehrzahl der Patienten wurde wegen eines bildgebenden Zufallsbefundes der Leber diagnostisch abgeklärt (n = 74/109 (67,9%). Insgesamt n = 56/74 (75,7%) aller Zufallsbefunde wurden ambulant, in n = 15/74 (20,3%) der Fälle im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes diagnostiziert. Im Mittel wurde für jeden Patienten 1,1 ± 1,2 (0–11, Median = 1) ionisierende Bildgebungsverfahren eingesetzt. Eine kontrastmittelgestützte Sonografie erhielten 0,3 ± 0,5 (0–2, Median = 0) Patienten. Fast alle Patienten (n = 104/109 (95,4%) wurden zeitweise mit mindestens einer malignen hepatischen oder extrahepatischen Verdachtsdiagnose konfrontiert. Ein Ausschluss des Malignomverdachts erfolgte im Mittel nach 4,1 ± 16,5 Monaten (0 –133,8, Median = 1).

Diskussion Der diagnostische Abklärungsprozess von AE-Patienten ist langwierig und belastend. Die psychische Belastung bei fraglicher maligner Diagnose ist erheblich. Der frühe Einsatz einer kontrastverstärkten Sonografie und gegebenenfalls die Punktion unklarer hepatischer Raumforderungen hilft, den schwierigen Diagnoseprozess zu verkürzen.

Abstract

Purpose The purpose of this study was to analyze the diagnostic workflow of patients with alveolar echinococcosis (AE) and to identify possible diagnosis-delaying factors.

Methods The number and type of diagnostic procedures of patients diagnosed with alveolar echinococcosis were investigated. The disease history was recorded on the basis of questionnaires, the available findings, and data supplements from the hospital information system (SAP). Statistical analyses were performed using SAS version 9.4 and Microsoft Excel version 16.43. The study population of the cross-sectional study included n = 109 patients with confirmed alveolar echinococcosis.

Results The definitive diagnosis of alveolar echinococcosis of the liver was made at 26.5 ± 65.0 (mean ± standard deviation) months (min – max: 0 – 344, median = 3). The majority of patients were diagnosed because of incidental imaging findings of the liver (n = 74/109 (67.9%)). A total of n = 56/74 (75.7%) of all incidental findings were diagnosed in an outpatient setting, while n = 15/74 (20.3%) of cases were diagnosed during inpatient hospitalization. On average, 1.1 ± 1.2 (0–11, median = 1) ionizing imaging modalities were used for each patient. Contrast-enhanced sonography was received by 0.3 ± 0.5 (0–2, median = 0) patients. Almost all patients (n = 104/109 (95.4%) had at least one suspected hepatic or extrahepatic malignancy at some time. Exclusion of suspected malignancy occurred at a mean of 4.1 ± 16.5 months (0 –133.8, median = 1).

Conclusions The diagnostic clarification process of AE patients is lengthy and stressful. The psychological burden of a questionable malignant diagnosis is considerable. Early use of contrast-enhanced sonography and, if necessary, puncture of unclear hepatic masses helps to shorten the difficult diagnostic process.

Kernaussagen
  • Epidemiologische Daten zeigen einen Anstieg der humanen alveolären Echinokokkose (AE) in Deutschland – ein weiterer Anstieg in den nächsten Jahren ist wahrscheinlich.

  • Hausärzte spielen eine entscheidende Rolle bei der Detektion sonografischer hepatischer Zufallsbefunde.

  • Bei einer unbekannten und unklaren hepatischen Raumforderung sollte frühzeitig und primär ein CEUS, alternativ ein leberspezifisches MRT, durchgeführt werden.

  • Bei einer bis dahin unbekannten, unklaren, aber malignitätsverdächtigen hepatischen Raumforderung – insbesondere bei asymptomatischen Patienten – muss frühzeitig die Differenzialdiagnose einer AE mit einbezogen werden.

  • Bei anhaltender Unklarheit trotz CEUS und MRT empfehlen wir eine Biopsie der unklaren Läsion; das Risiko einer Impfmetastase oder weiteren Aussaat bei einer Leberbiopsie ist zu vernachlässigen.



Publication History

Article published online:
23 January 2023

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