Dtsch Med Wochenschr 2018; 143(17): e146-e151
DOI: 10.1055/a-0626-9429
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Häufigkeit ethischer Konflikte in der ambulanten Versorgung und Bedarf an Ethikberatung – aus Sicht von Hausärzten

The Frequency of Ethical Conflicts in Primary Care and the Need for Ethical Consultations – The Perspective of General Practitioners
Konstantin Kallusky
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen
,
Ildikó Gágyor
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen
2   Institut für Allgemeinmedizin, Universität Würzburg
,
Arndt Heßling
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen
,
Wolfgang Himmel
1   Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. August 2018 (online)

Zusammenfassung

Einleitung Über ethische Konflikte und ihre Besonderheiten im ambulanten Bereich ist wenig bekannt. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Häufigkeit ethischer Konflikte und den Bedarf an professionellen Beratungsangeboten aus Sicht von Hausärzten zu erheben.

Methoden Eine Zufallsstichprobe von Hausärzten aus Niedersachsen wurde über Erfahrungen mit ethischen Konflikten in der Praxis sowie Wünsche an eine ambulante Ethikberatung schriftlich befragt.

Ergebnisse An der Befragung nahmen 456 Ärzte teil; das entspricht einer Teilnahme von 45,6 %. Mit dem Konflikt „Absetzen von Arzneien bei mittlerweile fraglichem Nutzen für den Patienten“ sahen sich 80 % der Hausärzte mindestens einmal im Vierteljahr konfrontiert (95 %-Konfidenzintervall: 76,0 bis 83,6 %). Weitere häufig genannte Konflikte waren die „Fortsetzung einer potenziell kurativen Therapie, die schlecht vertragen wird“ (68 %; 63,3 bis 72,0 %) und die „Sinnhaftigkeit diagnostischer Maßnahmen zur Früherkennung bei bereits schwerkranken Patienten“ (62 %; 57,7 bis 66,8 %). Etwa 30 % (138/451) aller Befragten wünschten sich eine ambulante Ethikberatung, besonders häufig wurde eine Ethikberatung in telefonischer Form gewünscht.

Diskussion Zwar erlebten Hausärzte einige der geschilderten ethischen Konflikte häufig, aber nur ein Drittel wünschte explizit eine ambulante Ethikberatung. Niederschwellige Angebote könnten Ethikberatung für Hausärzte attraktiver machen.

Abstract

Background Our knowledge about ethical conflicts in primary care is limited. The aim of this study was to ascertain the frequency of ethical conflicts and the need of professional consultation services — seen from the perspective of general practitioners (GPs).

Methods A random sample of GPs from Lower Saxony, a federal state of Germany, received a standardized questionnaire about their experiences with ethical conflicts and their need for an ethical consultation.

Results A total of 456 GPs took part in the survey (response rate = 45.6 %). Eighty percent experienced the conflict of a “withdrawal of medicines due to questionable benefit for the patient” once in 3 months, at least (95 % confidence interval: 76.0 to 83.6 %). Further frequent conflicts were “the continuation of a therapy of questionable benefit” (68 %; 63.3 to 72.0 %) and the “usefulness of diagnostic procedures for early detection of diseases and risk factors in seriously ill patients” (62 %; 57.7 to 66.8 %). About one-third (138/451) of the participants requested an ethical consultation. GPs frequently wished an ethical consultation by phone.

Conclusions Although GPs experienced several of the ethical conflicts frequently, only one-third requested an ethical consultation. Low threshold offers may be a way to make ethical consultations more attractive for GPs.