Klin Monbl Augenheilkd 2008; 225(12): 1001-1002
DOI: 10.1055/s-2008-1027935
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Herrn Professor Dr. Peter Kroll zur Emeritierung – Ein innovativer Pragmatiker

Dedicated to Professor Peter Knoll on his Retirement – A Pragmatic InnovatorC. H. Meyer1 , U. Mester1 , C. Ohrloff1
  • 1Universitäts-Augenklinik Bonn
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Publication Date:
15 December 2008 (online)

Am 1.10.1989 wurde Herr Professor Dr. med. Peter Kroll als Nachfolger von Professor Dr. med. Wolfgang Straub zum Ordinarius auf den Lehrstuhl der Augenklinik der Philipps-Universität in Marburg berufen. Durch sein Vorbild als Lehrer, Kliniker und nicht zuletzt als Mensch hat er die Retinologie und viele Mitarbeiter nachhaltig geprägt.

Geboren am 16.5.1943 in Bratislava (Pressburg) in der heutigen Slowakei, wuchs er als Sohn eines Volkswirts und Oberst in Frankfurt und Paris auf und legte 1963 sein Abitur in Fontainbleau ab. Er studierte danach an der Universität in Bonn Humanmedizin und promovierte hier 1972. Im Anschluss absolvierte er seine Facharztweiterbildung bis 1978 auf dem Venusberg an der Bonner Universitäts-Augenklinik unter Professor Dr. med. Walter Straub und Professor Dr. med. Best. Zu dieser Zeit begann der innovative Abteilungsleiter Dr. Michael Dardenne mit der damals umstrittenen Phakoemulsifikation, was zu ständigen Konflikten mit den Klinikdirektoren beitrug. Zu den weiteren engen Wegbegleitern in der Bonner Zeit gehören die heutigen Professoren Christian Ohrloff, Herbert Kaufmann, Ulrich Mester und Ingrid Kreissig. Sie war diejenige, die zu dieser Zeit bei Prof. Harvey Lincoff in New York die Plombenchirurgie erlernte und in Bonn etablierte. Prof. Mester erinnert sich, dass der junge Co-Assistent Kroll damals eher unentschlossen war, was er nach dem Facharzt machen sollte. So verwundert es nicht, dass Prof. Kroll zeitweise mit dem Gedanken spielte, in St. Augustin eine Praxis zu übernehmen. Dass die Retinologie bereits zu diesem Zeitpunkt einen entscheidenden Einfluss auf die ophthalmologische Laufbahn von Prof. Kroll gewann, wird an einem Erlebnis deutlich, an das sich Prof. Mester auch heute noch sehr gut erinnert. Er assistierte Prof. Kroll bei einer seiner Plombenoperationen und war angenehm überrascht, dass dieser als Operateur eine unendliche Geduld und erstaunliche Akribie demonstrierte, bis das Ergebnis ihn zufrieden stellte.

Seine Laufbahn nahm eine entscheidende Wende, als Prof. Dr. med. Hans Joachim Küchle diesen Entschluss verhindern konnte und ihn im Juni 1978 als Oberarzt nach Münster holte, wo er die Netzhaut- und Glaskörperabteilung aufbaute und sich 1981 habilitierte. Die damalige Netzhautchirurgie war noch eine junge Disziplin in der Ophthalmochirugie mit einem begrenzten Umfang an vitreo-retinalen Instrumenten und nur wenigen praktizierenden Netzhautchirurgen. Die Augenklinik in Rotterdam war zu dieser Zeit unter Professor Reljy Zivojnovic ein führendes europäisches Zentrum. Über mehrere Jahre reiste Prof. Kroll regelmäßig nach Rotterdam, um von Zivojnovics reichhaltiger Erfahrung zu profitieren. Diese Erfahrungen machten Prof. Kroll innerhalb weniger Monate zu einem ambitionierten Netzhautchirurgen, der neben der Vitrektomie mit Perfektion die Buckelchirurgie betrieb. Darüber hinaus machte sich Professor Kroll viele Bemerkungen von Zivojnovic zum Motto für seinen weiteren Werdegang: „A vitrectomy is done, when the vitreous is gone!”. Nachdem Prof. Dr. med. Holger Busse die Chefarztstelle in Ludwigshafen übernimmt, wurde Prof. Kroll leitender Oberarzt und 1983 außerplanmäßiger Professor in Münster. Zu den engen Wegbegleitern aus der Münsteraner Zeit gehören unter anderem die Professoren Meyer-Rüsenberg, Stefan Clemens, Giesbert Richard und Karlheinz Emmerich. Prof. Kroll erhielt, nach kurzer Tätigkeit als Chefarzt der Augenabteilung am Joseph-Stift in Bremen, schließlich im Januar 1989 den Ruf als Direktor der Augenklinik an der Philipps-Universität in Marburg und nahm im Oktober 1989 seine Tätigkeit auf.

In seinen ersten Amtsjahren als Ordinarius wurde in Marburg der Operationstrakt modernisiert, die Augenklinik konsequent zu einem Zentrum für vitreo-retinale Chirurgie ausgebaut und eine enge Zusammenarbeit mit der Deutschen Blindenstudienanstalt (blista) etabliert. Als Folge kamen eine Vielzahl von weitgereisten Patienten als auch Kollegen an die Marburger Augenklinik. Über die Jahre erlangte die Klinik internationale Reputation, an der alle innovativen vitreo-retinalen Eingriffe mit großer technischer Präzision von der Makula-, Tumor- oder subretinalen Chirurgie über die Neuro- und Sheathotomie bis hin zur Makulatranslokation mit großem Erfolg von Prof. Kroll und seinem Oberarzt Prof. Jörg Schmidt durchgeführt wurden.

Als begabter Kliniker und Chirurg genießt Prof. Kroll weltweit hohes Ansehen und wurde von einer Vielzahl von internationalen Kollegen und Fellows besucht oder zu vitreo-retinalen Tagungen weltweit eingeladen. Professor Krolls persönliches Ziel war es, seine Mitarbeiter für die Retinologie zu begeistern und Operationen aller Schwierigkeitsgrade auf hohem Standard zu beherrschen. Daneben vereinbarte er mit Prof. Kaufmann zwischen den benachbarten Augenkliniken der Universitäten in Gießen und Marburg eine überregionale Zusammenarbeit in der Assistentenweiterbildung. Jeweils ein Assistent der Gießener Augenklinik wurde mit einem Assistenten der Marburger Augenklinik für 6 – 9 Monaten ausgetauscht, wodurch eine intensive retinologische Ausbildung in Marburg und eine fundierte Ausbildung in der Neurophthalmologie und Strabologie erfolgen konnte. Dieser äußerst fortschrittliche Assistentenaustausch wurde über mehr als ein Jahrzehnt ohne Unterbrechungen mit großer Begeisterung von den beteiligten Assistenten am anderen Standort absolviert. In seiner Amtszeit schlossen in Marburg über 50 Assistenten ihre Facharztweiterbildung erfolgreich ab, es habilitierten sich 7 seiner Mitarbeiter und 6 wurden zum APL-Professor ernannt.

Prof. Kroll publizierte wichtige Arbeiten auf dem Gebiet der diabetischen Retinologie und hatte großen Anteil an der chirurgischen Verbesserung und Klassifikation der diabetischen Vitreoretinopathie. Er erkannte die Bedeutung des Glaskörpers in der Beurteilung und Prognose von schweren proliferativen Retinopathien und propagierte die frühen Vitrektomien bei Diabetikern. In engen Diskussionen mit seinem Freund Jerry Sebag wurde die Bedeutung der vitreo-papillären Traktion als auch der enzymatischen Lösung von Glaskörpertraktionen bei Diabetikern gezeigt. Hierzu applizierten Prof. Kroll und Prof. Hesse rTPA in den Glaskörper von Diabetikern, um nach einer Kryokoagulation erfolgreich eine Glaskörperabhebung zu induzieren. Sebag führte diesen Gedankengang weiter fort und injizierte Plasmin und später Mikroplasmin in den Glaskörperraum, um eine vollständige hintere Glaskörperabhebung zu erzeugen. Die Bedeutung der Progression einer diabetischen Retinopathie wird uns täglich in der Praxis anhand seines Verlaufsbogens zur diabetischen Retinopathie deutlich, den er zusammen mit der „Initiativgruppe Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen” (IFdA) entwickelt hat.

Auch in den letzten Jahren hatte er immer den richtigen Weitblick für wichtige chirurgische Entwicklungen bewiesen. Als Burk et al. die Injektion von Indocyanin Grün in den Glaskörperraum propagierten, um die Membrana limitans interna anzufärben, folgten bald erste Berichte über toxische Nebenwirkungen und alternative Farbstoffe. Über lange Zeit gab es keinen Oberbegriff, der das Anfärben der Netzhaut während der Vitrektomie beschrieb, obwohl eine Vielzahl von weiteren Vitalfarbstoffen in den klinischen Gebrauch kam. Bei der Suche im Internet zeigte sich, dass die Gastrologen seit mehr als 20 Jahren Vitalfarbstoffe in der Endoskopie benutzen und diesen Vorgang „Chromoendoskopie” nennen. In Anlehnung an diesen etablierten Begriff führten wir mit Prof. Kroll den Begriff der „Chromovitrektomie” auf dem Vail Meeting 2002 ein.

Sein Talent als hervorragender Organisator und fantastischer Gastgeber zeigte Prof. Kroll mehrfach in Marburg anlässlich zahlreicher Kongresse, wie der Versammlung der Rhein-Mainischen Augenärzte, dem Retinal-Detachment-Kurs und der Tagung der Retinologischen Gesellschaft. Er ist zusammen mit Prof. Frank Koch der Begründer des vitreo-retinalen Symposiums (VRS), welches seit über 10 Jahren in jährlichen Abständen alternierend in Marburg oder Frankfurt stattfindet. Viele namhafte internationale Netzhautchirurgen haben mehrfach an diesem englischsprachigen Symposium teilgenommen, welches durch seine besonders offene und familiäre Atmosphäre geschätzt wird und eine ideale Plattform für einen engen Meinungsaustausch und neue Ideen bietet. Für seine internationale Reputation wurde Prof. Kroll zum Mitglied des Jules Gonin Clubs und wurde mehrfach als Experte zum Subspecial Day der American Academy, dem Vail Vitreous Meeting oder der Vitreous Society geladen. Als anerkannter Experte für vitreo-retinale Chirurgie ist er Co-Editor der Zeitschrift Ophthalmologica und Gutachter zahlreicher peer-reviewter Fachzeitschriften und veröffentlichte selbst über 250 Publikationen in nationalen und internationalen Journalen und Büchern. Zusammen mit seinem früheren Lehrer Küchle erarbeitet er die 2. und 3. Auflage von Straubs Werk „Augenärztliche Untersuchungsmethoden” im Thieme-Verlag und macht das Buch zu einem wichtigen Standardwerk der deutschen Ophthalmologie.

Prof. Kroll ist ein innovativer Querdenker mit viel Herz und analytischem Verstand, der mit dem Blick für das Wichtige viele klinische Probleme pragmatisch lösen konnte. Das Wohl seiner Patienten hatte für ihn immer höchste Priorität. Daneben war er ein guter Zuhörer und hatte immer ein offenes Ohr für die Nöte und Sorgen seiner Patienten und Mitarbeiter, sinnbildlich hierfür mag die stets weit offen stehende Zimmertür zu seinem Arbeitszimmer sein.

Prof. Kroll ist ein polyglotter Europäer, dem von seiner frühesten Kindheit an der facettenreiche mediterrane Lebensstil ans Herz gewachsen ist, und der viele Freundschaften in diesen Ländern pflegt. Seine enge Verbundenheit zur modernen Kunst, dem Film und der Kultur spiegelt sich in engen Freundschaften mit Persönlichkeiten aus dem Bereich wider, die ihn regelmäßig in der Marburger Augenklinik besuchten.

Mit seinem Ausscheiden steigt Prof. Kroll in die Liste namhafter emeretierter Ordinarien wie Hermann Schmidt-Rimpler, Karl-Benno Stargard, Wilhelm Uhthoff oder Alfred Bischowsky aus der Marburger Augenklinik auf. In der Stadt Marburg wird insbesondere in der Oberstadt das Gasthaus „Zur Sonne” Prof. Kroll sehr vermissen, denn hierher lud er die niedergelassenen Kollegen, seine Assistenten und Oberärzte oft zum gemeinsamen Essen und Gespräch ein. Da er es schon immer verstand, das Schöne mit dem Nützlichen auch außerhalb der Augenheilkunde zu verbinden, darf man davon ausgehen, dass er auch weiterhin sicherlich mit Segeln oder Golfspielen viel Zeit verbringen wird.

In diesem Widmungsheft wollen sich viele seiner Schüler, Kollegen und Wegbegleiter bei dem „Pitter” bedanken und wünschen ihm auf diesem Weg viel Freude, Elan, Gesundheit und Frohsinn. Wir danken den Herausgebern der klinischen Monatsblätter für Augenheilkunde für die Möglichkeit, dieses Heft gestalten zu dürfen.

Carsten H. Meyer Ulrich Mester Christian Ohrloff

C. H. Meyer

U. Mester

C. Ohrloff

Prof. Kroll

Prof. Dr. Carsten H. Meyer

Universitäts-Augenklinik Bonn

Ernst-Abbe-Str. 2

53127 Bonn

Email: carsten_h.meyer@ukb.uni-bonn.de

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