Aktuelle Traumatol 2005; 35(1): 43-44
DOI: 10.1055/s-2005-837513
Aus- und Weiterbildung

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

SPLS® (Systematic Prehospital Life Support) - Ein neues Fortbildungskonzept im Bereich der präklinischen Notfallmedizin

SPLS® (Systematic Prehospital Life Support) - A New Concept of Education in Preclinical Emergency MedicineA. Seekamp1 , M. Ruppert2 , C. Lackner2 , J. Sturm3
  • 1Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
  • 2Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM), Klinikum der Universität München
  • 3Unfallchirurgische Klinik, Klinikum Lippe-Detmold, Detmold
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Publication Date:
02 March 2005 (online)

Im Bestreben, eine qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in der präklinischen Notfallversorgung sicher zu stellen, ist in den vergangenen 20 Jahren im Bundesgebiet ein flächendeckendes Netz von Notarztstandorten etabliert worden. Parallel hierzu haben sich die Anforderungen zur Qualifikation zum Notarzt ebenfalls kontinuierlich weiter entwickelt. Zum heutigen Zeitpunkt ist die Qualifikation zum Notarzt in der aktuellen Musterweiterbildungsordnung festgeschrieben und ist in der überwiegenden Zahl der Bundesländer in einer Prüfung vor der Landesärztekammer nachzuweisen.

Trotz der zunehmenden Qualifikationsanforderungen an die aktiven Notärzte haben Qualitätsanalysen der präklinischen Versorgung von Notfallpatienten wiederholt aufgezeigt, dass in Einzelfällen in nicht unerheblichem Maße von einer optimalen Notfallversorgung des Patienten abgewichen wird und sich Fehler ereignen.

Eine Analyse der Ursachen ist schwierig. In der Mehrzahl der Fälle konnten jedoch sowohl ein Versagen im Bereich der medizinischen Technik als auch ein Mangel an Wissen oder manuellen Fertigkeiten der Notärzte ausgeschlossen werden. Letzten Endes muss davon ausgegangen werden, dass andere, bisher nicht berücksichtigte Faktoren, wie z. B. besondere äußere Umstände oder die mangelnde Interaktion der Beteiligten, häufig mit dazu beitragen, dass eine Situation nicht adäquat eingeschätzt wird, fehlerhafte Entscheidungen getroffen werden und es insofern zu einer vom Standard abweichenden Versorgung der Patienten kommt.

Ähnliche Phänomene sind aus anderen Berufszweigen, wie zum Beispiel der Luftfahrt, bekannt. Bei einer hohen Zahl von Unfällen in der zivilen Luftfahrt konnte herausgearbeitet werden, dass der in einer kritischen Situation unter Stress stehende Pilot von den Regeln abweichende Entscheidungen traf, die dann trotz einwandfrei funktionierender Technik in einer Katastrophe endeten. Der Faktor Mensch oder „human factor“ wurde als eigene Funktionseinheit erkannt, die speziell geschult werden muss, um auch in außergewöhnlich belastenden Situationen adäquat reagieren zu können. Neben dem bisherigen Training der technischen Abläufe hat die zivile Luftfahrt schon vor etwa 25 Jahren begonnen, auch die Reaktion des Piloten selbst auf unerwartete widrige äußere Umstände zu trainieren.

Parallelen hierzu gibt es auch an anderen Arbeitsplätzen wie zum Beispiel im Bereich der Steuerung eines Kernkraftreaktors und eben auch im Bereich der Medizin. Äußere Umstände wie zum Beispiel die Komplexität der Notfallsituation oder die Dynamik des Prozesses selbst, können derart auf das Rettungspersonal und insbesondere den Notarzt einwirken, dass eine Steuerung der an sich bekannten und gewohnten Abläufe schwer oder gar unmöglich wird. Auch die Kooperation und Koordination weiterer beteiligter Berufsgruppen wie zum Beispiel Feuerwehrpersonal und Polizei erfordert häufig eine besondere Aufmerksamkeit. Die Gesamtumstände, durch welche ein Notarzteinsatz zu charakterisieren ist, lassen sich durch den Begriff Hochrisikoarbeitsplatz zusammenfassen.

Die Einflussgröße des „human factor“ ist auch im Bereich der Notfallmedizin nicht zu unterschätzen und es muss angenommen werden, dass in einer hohen Anzahl einer suboptimalen präklinischen Patientenversorgung gerade in diesem Bereich die Ursache zu finden wäre.

Basierend auf diesen Erkenntnissen hat es sich die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) zur Aufgabe gemacht, diese Lücke der notärztlichen Qualifikation zu schließen. Im Rahmen eines neuen Kursformates sollen bereits erfahrene Notärzte eine Fortbildung im Bereich der „human factors“ erfahren. Neben einer intensiven Einführung in die Problematik des Hochrisikoarbeitsplatzes Notfallmedizin, beinhaltet dieses Konzept drei in einander greifende Trainingsschwerpunkte (Abb. [1]). Der Basisschwerpunkt beinhaltet die Notarzt-Skills, welche im Wesentlichen die notärztlichen Fertigkeiten sowie Behandlungsalgorithmen und das notfallmedizinische Wissen umfassen. Dieser Bereich wird jedoch nicht erschöpfend abgehandelt werden, da im Rahmen dieses Kurses ausgebildete Notärzte angesprochen werden sollen, die bereits eine gewisse Berufserfahrung mitbringen und insofern auch die notärztlichen Fertigkeiten weitestgehend beherrschen. Im Rahmen dieses Kursformates dienen die notärztlichen Fertigkeiten im weitesten Sinne als Plattform für die Vermittlung der beiden anderen Inhaltsschwerpunkte. Der zweite Schwerpunkt beinhaltet die Vermittlung von so genannten „organisatorischen Skills“. Diese umfassen Themen wie gesetzliche Grundlagen, Rahmenbedingungen und Schnittstellen des Notarztdienstes, wobei diese sowohl von einer Sach- als auch von einer - mitunter überwiegenden - Emotionalebene beleuchtet werden, die das notärztliche Handeln beeinflusst. Der dritte Schwerpunkt des Kurskonzeptes widmet sich dem eigentlichen „human factor“ und der Vermittlung von Fertigkeiten/Fähigkeiten wie kontinuierliche Lagebeurteilung, effektive Kommunikation, korrekte Entscheidungsfindung, Ressourcen-Management (von Zeit und Person) sowie die Anwendung von Führungs- und Kontrollinstrumenten. Die Vermittlung dieser sog. „human skills“ und die Förderung der eigenen Introspektionsfähigkeit sollen zu einem verbesserten Stressmanagement und Fehlermanagement des Notarztes führen.

Abb. 1 Inhaltliche Schwerpunkte von SPLS®.

Das Format dieser Fortbildung ist in der Detailarbeit noch nicht komplett abgeschlossen, aber die bisherigen Eckdaten sehen vor, dass die Inhalte im Rahmen eines 2 œ-tägigen Kurses mit einer maximalen Teilnehmerzahl von etwa 12 - 16 Notärzten bearbeitet werden. Das Kursprogramm ist derart gestaltet, dass der überwiegende Unterricht in Kleingruppen von 3 - 4 Teilnehmern stattfindet und jede Gruppe von 1 - 2 Tutoren betreut wird. Die Unterrichtseinheiten bestehen aus Simulationen, im Sinne von nachgestellten Notfalleinsätzen, entweder als Videoaufzeichnung oder „life“ nachgespielt, Skill-Stations, Vermittlung von theoretischem Hintergrundwissen und Diskussionsgruppen. Eingeplant sind ebenfalls Gruppenarbeitsprogramme, die völlig unabhängig von notfallmedizinischen Themen aber bezogen auf den „human factor“ ablaufen. Basierend auf einem Manual werden sich die Teilnehmer auf den Kurs vorab vorbereiten können und es wird zur Erfolgskontrolle sowohl vor als auch nach dem Kurs eine Art Test abverlangt werden.

Ziel dieses Kursformates ist letzten Endes, die persönliche Handlungssicherheit auch gerade des erfahrenen Notarztes zu festigen. SPLS® ist kein klassischer Notarztkurs - SPLS® ist ein Kurs für Notärzte.

Aufgrund der schon eingangs erwähnten Analyse notärztlicher Maßnahmen erscheint es erforderlich, dass zum Erreichen dieses Ziels nicht nur ein Training im Schwerpunkt notärztlicher Fertigkeiten erforderlich ist, sondern darüber hinaus auch organisatorische Fertigkeiten und Aspekte des „human factor“ erfahren und vermittelt werden müssen. Langfristig ist zu erwarten, dass durch die Verbesserung der persönlichen Handlungssicherheit von Notärzten die Therapiequalität verbessert werden kann und hierdurch auch die Sicherheit des Notfallpatienten erhöht wird. Damit kann durch dieses innovative Trainingskonzept und die Vermeidung von Fehlern in der Notfallmedizin potentiell ein Beitrag geleistet werden, die so genannten Unfallfolgekosten zukünftig zu senken.

Literatur

  • 1 Bates D W, Gawande A A. Improving safety with information technology.  N Engl J Med. 2003;  348 2526
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  • 3 Jensen R S. Pilot Judgment and Crew Resource Management. Aldershot, England; Avebury Aviation 1995
  • 4 Kohn L T, Corrigan J M, Donaldson M S. To Err is Human - Building a Safer Health System. Washington; National Academy Press 2000
  • 5 Kuhnigk H, Kuhnigk R, Sefrin P. et al . “Full-Scale” - Simulation in der präklinischen Notfallmedizin - Konzeption des Würzburger Anästhesie- und Notfallsimulators.  Der Notarzt. 1999;  15 129
  • 6 Lackner C K, Ruppert M, Uhl M. et al . Analyse von Verzögerungen und Unterbrechungen bei außerklinischer CPR.  Notfall Rettungsmed. 1999;  2 274
  • 7 Rall M, Schaedle B, Zieger J. et al . Neue Trainingsformen und Erhöhung der Patientensicherheit. Sicherheitskultur und integrierte Konzepte.  Unfallchirurg. 2002;  105 1033
  • 8 Rall M, Manser T, Guggenberger H. et al . Patient safety and errors in medicine: development, prevention and analyses of incidents.  AINS. 2001;  36 321
  • 9 Risser D T. et al . The potential for improved teamwork to reduce medical errors in the emergency department.  Ann Emerg Med. 1999;  34 373
  • 10 Ruppert M, Paschen H R, Schmöller G, Schallhorn J. Der Stellenwert des „Teams“ in der Notfallrettung.  Notfall Rettungsmed. 2001;  4 189
  • 11 Seekamp A, Regel G, Pohlemann T. et al . Kann der Notarzt zum Risiko werden?.  Notfall Rettungsmed. 1999;  2 3
  • 12 Wiener E L, Nagel D. Human Factors in Aviation. San Diego, CA; Academic Press, Inc. 1988

Prof. Dr. Andreas Seekamp

Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Universitätsklinikum des Saarlandes

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