Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(27): 1500
DOI: 10.1055/s-2003-40289
Leserbriefe
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Über Wissenschaft und Politik

Zum Beitrag aus DMW 15/2003
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Publication History

Publication Date:
29 April 2004 (online)

Erdmann greift in seinem Editorial [1] zum wiederholten Male, nun auch in der DMW, den Anhang zur Positivliste an. Neben „Asche, Pech, Schwefel, roter Waldameise und Tarantel“ erwähnt er mehrere so genannte Nosoden, homöopatisch zubereitete Tierorgane, die in der Isopathie und zur Testung nach den Regeln der Elektroakupunktur verwendet werden. Was er unter „Asche“ versteht, bleibt unklar. Eine solche Arznei ist in der Homöopathie nicht bekannt. Ich nehme an, dass er die Holzkohle, Carbo vegetabilis, meint, bei der es sich um ein sorgfältig geprüftes großes Mittel der Homöopathie handelt. Ähnliches gilt für „Pech“, Pix liquida, den Teer, der auch in der Dermatologie verwendet wird, ebenso für Schwefel, Sulfur, ein extrem gut geprüftes hömöopathisches Hauptmittel (Polychrest). Die Arzneimittel der Homöopathie werden aus pflanzlichen, tierischen und chemischen Stoffen gewonnen. Dazu gehören auch Gifte wie Acidum formicicum (aus der roten Waldameise) sowie solche aus Spinnen (Tarantel) und Schlangen (z. B. Lachesis, Naja). Während in der klinischen Medizin die Arzneimittel nach kausal-analytischen Gesichtspunkten erforscht und angewandt werden, erfolgt dies in der Homöopathie nach phänomenologischen und analogen Prinzipien. Die Arzneimittelprüfung an gesunden reaktionsfähigen Versuchspersonen sowie die Simileregel (Similia similibus curentur) bilden hier die Basis der Therapie. Es sollte unmittelbar einleuchten, dass derart verschiedene Paradigmata im Sinne von Thomas Kuhn auch verschiedene Methoden der Evaluation erfordern. Dem hat der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes von 1978 Rechnung getragen. Der gesundheitspolitische Ausschuss des Deutschen Bundestages erklärte damals: „Nach einmütiger auffassung des Ausschusses kann und darf es nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, durch die einseitige Festlegung bestimmter Methoden für den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels eine der miteinander konkurrierenden Therapierichtungen in den Rang eines allgemein verbindlichen „Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ und damit zum ausschließlichen Maßstab für die Zulassung eines Arzneimittels zu erheben“. Deshalb wurden eigene Paragraphen für Phytotherapie, Homöopathie und anthroposophische Medizin geschaffen und die Anforderungen an den Wirksamkeitsnachweis den Besonderheiten dieser Therapierichtungen angepasst. Folgerichtig gehören derartige Medikamente auch auf die Positivliste. Dieser juristische und politische Sachverhalt scheint Erdmann entgangen zu sein! Auch der Vergleich homöopathischer Ärzte mit Schamanen ist falsch: Laut Brockhaus ist ein Schamane „eine kultische Person, die mit Geistern und den Seelen Verstorbener Verbindung aufnimmt ...“. Ein Blick in die Medizingeschichte hätte gezeigt, dass Hahnemann, der Schöpfer der Homöopathie, von solchen Praktiken weiter entfernt war als viele seiner Zeitgenossen. Das gilt auch für seine Schüler und Nachfolger.

Literatur

  • 1 Erdmann E. Über Wissenschaft und Politik.  Dtsch Med Wochenschr. 2003;  128 789

Autor

Dr. med. Karl-Heinz Gebhardt

Innere Krankheiten, Homöopathie

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